Filmtipp

Boys’ Night Out (1962)

Kurzbeschreibung: Vier New Yorker Vorstadtbewohner wollen sich ihren Männertraum erfüllen und mieten sich in der Metropole ein Penthouse, um dort abwechselnd unter der Woche amouröse Abenteuer mit einem „Companion“ zu erleben – doch die hat ihre eigenen Pläne mit der eskapistischen Herrentruppe.

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Abend für Abend fahren George (Tony Randall), Doug (Howard Duff), Howie (Howard Morris) und Fred (James Garner) mit dem Zug von ihrer New Yorker Arbeitsstätte gen trautem Heim zu ihren Ehefrauen – scheinbar mustergültige Familienväter und Stereotype des durchschnittlichen White-Collar-Workers in den Fünfzigern; lediglich Fred ist geschiedener Single und wohnt bei seiner Mutter. Eines Tages beschließen sie, eine kühne Idee in die Tat umzusetzen: gemeinsam ein Appartement in der Stadt zu mieten und eine Frau – einen „Companion“ – für Sex-Abenteuer zu engagieren. Und Fred wird überredet, das Ganze zu organisieren.

In der heimlichen Absicht, es letztlich bei einem aussichtslosen Versuch zu belassen, um seine Kumpels von dem Vorhaben des Sexkollektivs abzubringen, besichtigt Fred eine besonders unerschwingliche Luxuswohnung direkt am Hudson River (der Blick vom Balkon auf Fluss und Stadtufer prangt auf einer offensichtlich gezeichneten Kulisse – was kaschiert werden soll, indem das UN-Gebäude als Ausweis des realistischen Anspruchs nachts immerhin beleuchtete Fenster zeigt). Die Räumlichkeiten sind freilich wie geschaffen für ihren künftigen Zweck: von einer Cocktail-Bar inklusive Weinregal, das sich hinter einer per Knopfdruck beweglichen Scheibe verbirgt, bis hin zu einem geräumigen Bett, über dem ein ausgedehnter Spiegel hängt.

Zu Freds Unglück bekommt er die scheinbar perfekte Mietwohnung auch noch zu einem Spottpreis, weil das Domizil kurz zuvor Schauplatz eines grausamen Mordes gewesen ist. Und als wäre all das nicht genug, trifft er durch Zufall gleich auch noch den gewünschten „Companion“ – in Gestalt von Cathy (Kim Novak), die sich ursprünglich auf die Mietanzeige hatte melden wollen und sich nun überraschend auf das frivole Arrangement einlässt.

Was die vier Männer, die sich nun voller Vorfreude die Werktagabende mit der attraktiven Cathy untereinander aufteilen, allerdings nicht wissen: Cathy ist keineswegs die Kurtisane, für die sie gehalten wird, sondern eine Forscherin, die das Privatbordell kurzerhand zu ihrem neuen (Sex-)Laboratorium umfunktioniert. Ihre vier Partner betrachtet sie als die idealen Versuchsobjekte für ihre soziologische Studie über sexuelle Fantasien amerikanischer Vorstadtmänner („Adolescent Sexual Fantasies in the Adult Suburban Male“). Das vermeintliche Liebesnest spickt sie mit Mikrofonen und einem Tonbandgerät – freilich niemals in der Absicht, die eigentlichen Wünsche ihrer Möchtegernliebhaber tatsächlich zu erfüllen. Das Ganze geht natürlich schief: Denn weder kann sie die wissenschaftliche Neutralität wahren noch gelingt den unfreiwilligen Versuchsmännern die Geheimhaltung gegenüber ihren Daheimgebliebenen …

Es ist das gleiche Szenario, in dem auch die Serie „Mad Men“ (2007–15) spielt – allerdings mit dem besonderen Charme, nicht nur eine Momentaufnahme des Zeitkolorits, sondern auch ganz real zeitgenössisch aufgenommen worden zu sein. Wenn die vier White-Collar-Worker am Ende ihres Arbeitstags im Zug die Heimreise antreten und sich einen Drink genehmigen, sieht man unweigerlich Don, Pete & Co. dort sitzen (und trinken). Und selbst in dieser romantischen Komödie bekommt der Zuschauende ein Gefühl für die sozialen Zwiespalte des vordergründig idyllischen Vorstadtlebens mit seinen verschwiegenen Untiefen.

Die Besetzung hat es in sich: Neben Tony Randall (dem quirligen Doris-Day/Rock-Hudson-Sidekick), der George mimt, wird Fred von James Garner gespielt – der 1990er-Jahre-Filmsozialisierten auch aus der Poker-Westernkomödie „Maverick“ (1994) mit Jodie Foster und Mel Gibson bekannt sein dürfte und zuvor für das TV-Publikum der Siebziger als „Detektiv Rockford“ (1974–80) ermittelt hatte. In „Boys’ Night Out“ verfügte der damals 34-jährige Garner allerdings noch über sein jugendliches Antlitz, dessen er sich auch ein Jahr später in den beiden Doris-Day-Komödien „Move Over, Darling“ und „The Thrill of It All“ (beide 1963) zu bedienen wusste. Überhaupt bildete „Boys’ Night Out“ den Auftakt für Garners lange Filmkarriere, nachdem dieser bis dahin als Protagonist der TV-Serie „Maverick“ (1957–1962) jenseits der großen Kinoleinwand lediglich über die Mattscheiben der US-Haushalte geflimmert war.

Cathys wissenschaftlicher Mentor, Dr. Prokosch, ist der Wiener Theatervirtuose Oskar Homolka (1898–1978), dessen unvergesslich osteuropäisch anmutende Physiognomie ihn sechs Jahre zuvor in „War and Peace/Krieg und Frieden“ (1956) für die Rolle des russischen Marschalls Mikhail Kutuzov, Napoleons militärischer Gegenspieler, prädestiniert hatte. Obwohl Cathy auch ohne Weiteres auf Doris Day gepasst hätte, wird sie von Kim Novak verkörpert – ihr Paradefilm „Vertigo“ lag da bereits gut vier Jahre zurück und sonderlich viele Rollen übernahm sie anschließend nicht mehr. Ihr Spiel als verführerische Cathy mag man als Vorstufe zu ihrem lasziven Auftritt in „The Amorous Adventures of Moll Flanders“ aus dem Jahr 1965 sehen, in dem sie ein leichtes Mädchen während der Frühen Neuzeit spielt.

„Boys’ Night Out“ ist sicherlich kein Klassiker, aber eine sehenswerte Komödie und ein weiterer Beleg, wie wenig verklemmt die 1960er Jahre zumindest im Film in Wirklichkeit gewesen sind. Dabei veranschaulicht vor allem die deutsche Titelversion, dass in der Bundesrepublik die sexuelle Befreiung schon deutlich vor 1968 einsetzte: „Sexy!“ Doch fühlt man sich im Ganzen nicht nur an einen typischen Doris-Day-Film erinnert – tatsächlich stammt er vom selben Regisseur wie „Move Over, Darling“: Michael Gordon. Obwohl Novak „Boys’ Night Out“ mit ihrer eigenen Firma, Kimco Filmways Pictures, drehte – deren erster und letzter Film zugleich –, um ihre stagnierende Karriere voranzutreiben, spielte das Werk nicht einmal die Produktionskosten ein, wurde aber immerhin 1963 für einen „Golden Globe“ in der Kategorie „beste Komödie“ nominiert (den dann „That Touch of Mink“ mit Doris Day und Cary Grant gewann).

Text verfasst von: Robert Lorenz