Filmtipp

Dieses Mädchen ist für alle (1966)

Kurzbeschreibung: Owen Legate reist während der Great Depression durch die USA, um im Auftrag einer Gesellschaft Bahnarbeiter zu entlassen. In der Nähe von New Orleans trifft er auf die Kleinstadtschönheit Alva Starr – die sehnt sich nach einem aufregenden Leben in der Großstadt.

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Was George Clooneys Ryan Bingham in „Up in the Air“ (2009) war, spielte Robert Redford über vierzig Jahre zuvor in „Dieses Mädchen ist für alle“ in der Rolle des Owen Legate. Beide, Bingham und Legate, reisen durch die Gegend, um im Auftrag eines Unternehmens – so groß, dass die Managementstrategen für die Betroffenen in der Anonymität verbleiben – überflüssige Beschäftigte zu entlassen. Im Falle von Redfords Legate sind das Bahnarbeiter, die nun, im wirtschaftlich erschütterten Amerika der „Great Depression“ Ende der 1920er Jahre, als unfreiwillige Angehörige eines millionenstarken Arbeitslosenheeres auf der Straße stehen – denn abgesichert ist damals fast niemand. Und hier, in Dodson, Mississippi, gibt es außer der Bahnlinie fast nichts, wo sich tüchtige Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Einige von ihnen wohnen in einem schäbigen Hotel, dem „Starr Boarding House“, dessen Geschäftsmodell sich im Grenzbereich zu einem Bordell befindet. Die Betreiberin, Hazel Starr (Kate Reid ), ist alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Die ältere von beiden, Alva (Natalie Wood), ist so etwas wie die allseits umworbene Dorfschönheit. Inmitten sexuell begieriger Männer ist sie ein attraktives Lustobjekt – und ihre Mutter setzt sie in diesem Wissen eiskalt als reizvolle Hostess ein, um zahlungskräftige Gäste bei der Stange zu halten. Und Alva ist sich ihres Status beim anderen Geschlecht natürlich bewusst, spielt damit zwar, aber träumt insgeheim von einem ganz anderen Leben weit weg von den überschaubaren Stadtgrenzen Dodsons – in New Orleans oder sonst wo. Dann trifft sie auf den Hotelgast Owen Legate, der ihr ein Portal in eine andere Welt öffnet – doch der zählt mittlerweile zur unbeliebtesten Person in ganz Dodson.

Sydney Pollack (1934–2008), der mit Redford noch viele Filme drehte, zeichnet in diesem romantischen Drama einen sozialen Mikrokosmos, der zwischen heiter und beklemmend oszilliert. Da sind auf der einen Seite die rauschenden Tanzabende im Hotelsaal, auf denen lautes Gelächter ertönt und viel Alkohol fließt. Und auf der anderen Seite stehen die kleinen sozialen Tragödien: eine Mutter, die ihre Tochter an alte Männer verkaufen will, weil sie sonst nicht weiß, wo sie das Geld für den Lebensunterhalt auftreiben soll; oder die enragierten Bahnarbeiter, die ihren Frust in geballter Brutalität gegen den unheilvollen Botschafter Legate entladen wollen – ein Beispiel, wie sich ökonomisches Unglücksempfinden umstandslos in schiere Gewalt gegen andere verwandeln kann. Als Ausweg aus der Perspektivlosigkeit und als Projektionsfläche für großartige Abenteuer zirkulieren in den Gedanken der kleinen Starr-Familie aufregende Großstädte wie New Orleans oder Chicago. In Dodson flüchtet man sich derweil in Tagträume, beflügelt von der eigenen Fantasie schöpft man Kraft für den trostlosen Alltag.

Pollacks Film basiert auf einem Stück von Tennesse Williams (1911–83), der die Zeit der Depression in den Südstaaten miterlebt hat. Gemeinsam vermitteln Pollack und Williams eine vage Vorstellung vom damaligen Lebensgefühl in den unteren Schichten, vom engen Zusammenhang moralischen Zerfalls und ökonomischen Niedergangs. Für Redford indes fielt der Film, neben dem im selben Jahr veröffentlichten „Ein Mann wird gejagt/The Chase“ (1966), in den allmählichen Übergang vom TV-Serien- und Nebendarsteller zum Leinwandstar.

Text verfasst von: Robert Lorenz