Filmtipp

Eureka (1983)

Kurzbeschreibung: Mit derselben Kompromisslosigkeit, die einen Goldgräber einst zum Reichtum führte, provoziert der inzwischen reiche Patriarch seinen Untergang. Roegs Film ist punktuell extrem und übertrieben brutal, eine Zelluloid-Novelle von Gier, Hass und Leidenschaft, von Untergang und Überleben.

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Eureka“ ist ein Film, der von seinem Publikum viel Toleranz erwartet: gegenüber surrelaen Einblendungen und Schnitten, Szenen, gegen die eine Peckinpah-Gewaltorgie wie die Sequenz eines Kinderfilms wirkt, vor allem aber gegenüber der langatmigen Handlung. Entschädigt wird man dafür mit einem unkonventionellen Film, der sich in drei Akte gliedert. Der erste handelt von Jack McCanns gierigem Streifzug durch die kanadische Schneewüste – quasi die realistischere, die Horror-Version von Dagobert Ducks Geschichte, im Goldrausch des frühen 20. Jahrhunderts zu sagenhaftem Reichtum gekommen zu sein. Regisseur Nicolas Roeg inszeniert sie als rabiate Studie menschlichen Verfalls inmitten archaischer Natur.

Nachdem er – man kann nur ahnen zum wievielten Male – seine Exkursion in die Wildnis überlebt hat, kommt er in eine kleine Goldgräberstadt. Und diese hat rein gar nichts von irgendeiner Romantik, sie ist der Vorhof zur Hölle. Kein Fenster der Holzhäuser ist erleuchtet, manche sind mit einem Brett vernagelt, auf dem „Gone“ geschrieben steht. McCann kommt an dem „Claims Office“ vorbei, in dem fündige Glücksjäger Landrechte erwerben können. Vor dessen Eingang liegt bei klirrender Kälte ein Mann, mitten im Schnee. Seine nackten Füße sind schwarzgefroren, er grinst. In seinem Gesicht regiert die Euphorie des Erfrierenden, sorgfältig zieht er einen blitzsauberen Revolver aus seiner Jacke: „This is the end.“ Und dann erschießt er sich. Aber die Kamera, die sich dabei auf McCanns Gesicht gerichtet hat, verharrt dort nicht, bis der Schuss fällt, wie das in nahezu allen anderen Filmen der Fall wäre. Stattdessen blendet sie nach dem nächsten Schnitt auf Bauchhöhe des Selbstmörders auf – und was folgt, ist eine der verstörendsten Suizidszenen der Filmgeschichte, als der Mann abdrückt und sein Schädel nach hinten zerplatzt. McCann zieht weiter. Halb erfroren stürzt er dann wenig später, nach 15-jähriger Suche, in eine buchstäbliche Goldquelle.

McCann in Winterkleidung auf dem Weg aus dem verschneiten Goldgräbernest

Dort, wo er in seinen reudigen Klamotten vor vielen Jahren fast krepiert wäre, fährt er nun mit einer schweren Limousine vor: am Ursprungsort seines heutigen Reichtums. Der Goldfund ist natürlich sein persönlicher, unsterblicher Mythos – eben wie bei Dagobert Duck. McCann lebt in der Karibik auf einer Insel, die er sich gekauft hat. Sein Anwesen, „Heureka“ getauft, ist voller Gold-Schnickschnack; und Gästen pflegt er nach dem Essen kleine Goldgeschenke zu machen.

Kurz vor seinem sagenhaften Jahrhundertfund hat er noch eine mysteriöse Frau (Helena Kallianiotes), eine Seherin getroffen. Sie hat ihm den Erfolg prophezeit – und von ihrem verstorbenen Mann erzählt, von ihrer angeblich erfüllten Beziehung: „The only nuggets needed were between his legs.“ Überhaupt geht es in dem Film immer wieder um Sex. Ständig ragen phallische Gegenstände ins Bild, McCanns Tochter lässt sich von ihrem Mann auf der Segelyacht als eine Art Porno-Cleopatra verkleiden und eine Szene zeigt ein ekstatisches Gangbang mit Schlangen und Voodoo-Priestern.

Die Seherin (gespielt von Helena Kallianiotes) blickt in ihre Glaskugel

Eureka“ sticht durch eine besonders aufregende Besetzung hervor. Gene Hackman spielt Jack McCann; und er tut das auf seine unvergleichliche Hackman-Weise, mit der er auf fast jede Rolle zu passen scheint. Seine Tochter Tracy ist Theresa Russell, wenige Jahre später die „Schwarze Witwe“ (1987), die mit ihrer verruchten Stimme und ihrem dubiosen Blick grundsätzlich lasziv wirkt. Ihren Mann – McCann hasst ihn – stellt Rutger Hauer dar; als hagerer Esoteriker mit dem exzentrischen Namen Claude Maillot Van Horn triezt er seinen Schwiegervater, bis der ihn am liebsten umbringen will. Joe Pesci ist ein Gangster-Geschäftsmann, der McCanns Insel für einen Casino-Komplex haben will – und bereit ist, McCann notfalls ermorden zu lassen.

Diesen Drecksjob soll sein Anwalt, Aurelio D’Amato (der junge, unbeschädigte Mickey Rourke), erledigen: Erst diniert er noch in formvollendeter Höflichkeit mit den McCanns, wenig später führt er ein Killerkommando in McCanns Villa, um den renitenten Alten zu töten. Und diese Mordsequenz steigert noch einmal die punktuelle Brutalität des Anfangs in Yukon; erst wird McCann in sein Schlafzimmer gedrängt, dann mit mehreren Hieben auf den Kopf beinahe erschlagen; aber als er auf dem Bett liegt, ist er noch bei Bewusstsein – in anderen Filmen hätte er jetzt vermutlich unter dem Kopfkissen eine Waffe hervorgezogen und seine Häscher erschossen; aber hier, bei Roeg, folgt stattdessen eine der grauenvollsten Todessequenzen von Filmen, die sich nicht dem Splatter-Genre zurechnen: Erst wird McCann mit einem Schneidbrenner verkokelt und dann der Kopf abgehackt. Dieser entsetzliche Tatort wird kurz darauf auch noch auf einem riesigen Bild im Gerichtssaal ausgestellt, als man öffentlich den Mord an McCann verhandelt.

Blick auf McCanns Bett mit blutverschmiertem Kissen

Damit beginnt der dritte und letzte Akt von „Eureka“. Als McCanns Mörder wird natürlich nicht der kriminelle Geschäftsmann Mayakofsky (Pesci) verdächtigt, sondern der garstige Schwiegersohn Claude. Dieser dritte Teil zieht den Film ungemein in die Länge – obwohl der am Ende doch nur knapp 130 Minuten dauert. Aber die bereut man keine Sekunde.

Text verfasst von: Robert Lorenz