Filmtipp

Figures in a Landscape (1970)

Kurzbeschreibung: Zwei Männer auf der Flucht vor einem Helikopter: Joseph Loseys Film zeigt eine unbarmherzige Hetzjagd, den schier aussichtslosen Kampf gegen ein schwer fassbaren Feind und weckte damals, zu Beginn der Siebziger, unweigerlich Assoziationen mit dem Vietnamkrieg.

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Zwei Männer auf unwegsamem Terrain im ultimativen Überlebenskampf gegen einen allgegenwärtigen, unerreichbaren Feind: Das ist „Figures in a Landscape“, in dem Robert Shaw und Malcolm McDowell als zwei Flüchtige anderthalb Stunden lang von einem Helikopter durch eine menschen­leere Steppe gejagt werden. Wer sie sind, vor wem sie fliehen, wo sie sich befinden: All das bleibt ungesagt. Gezeigt wird stattdessen ihre körperliche Tortur – wie sich ihre Gesichter zunehmend in postapokalyptische Fratzen verwandeln.

Zu Beginn des Films stürzen sie hysterisch durch eine hügelige Landschaft, die Hände gefesselt, trotzdem mit maximalem Tempo. Denn im Hintergrund sucht eine Hubschrauberbesatzung nach ihnen. Über dreißig Filmminuten dauert allein dieser Zustand auf den Rücken gebundener Hände an. Der Ältere von beiden, gespielt von Robert Shaw, ist skrupelloser, brutaler als der andere: Gleich in einer der ersten Szenen tötet er einen Schäfer, in der Hoffnung, von diesem ein Messer zu bekommen, um die Fesseln zu durchschneiden (der Getötete hat keines, ist also ohne jeden noch so geringen Sinn ermordet worden) – während die Tat selbst nicht zu sehen ist, hört man dumpfe Schläge und Stöhnen, was den ganzen Vorgang brutaler wirken lässt, als wenn man ihn einfach gezeigt hätte; später stiftet Shaws Figur seinen Begleiter zum Mord an einer Wache an, so als sei dies eine notwendige Defloration der jugendlichen Tugendhaftigkeit. Und nie ist sicher, ob er seinen Kompagnon nicht auch noch hinterrücks abknallt, wenn der ihm auf der beschwerlichen Reise zum Ballast geworden ist.

Der Jüngere – dargestellt von Malcolm McDowell, der erst nach diesem Film seine legendäre Rolle in Kubricks „Clockwork Orange“ (1971) spielte und kurz zuvor in Lindsay Andersons Abrechnung mit der englischen Internatskultur „If ….“ (1968) in seinem ersten Film aufgetreten war – ist erheblich besonnener, aber auch verletzlicher. In einer Szene gesteht er dem Älteren freimütig, nicht allein sein zu wollen, als der am liebsten getrennte Wege gehen will. Mag ihm die manchmal überlebensnotwendige Rücksichtslosigkeit fehlen, so ist er dann immerhin derjenige, der seinem ungeduldigen Gewaltmentor die Konservendose öffnet.

Ihre Beziehung ist das, was man gemeinhin als Schicksalsgemeinschaft bezeichnet: Im normalen Leben hätten diese beiden Männer vermutlich nie zueinander gefunden – hier aber sind sie zu fast grenzenloser Intimität, zu bedingungsloser Kooperation gezwungen. Gemeinsam kriechen sie durch den Steppenstaub, schlagen sich durchs Gebüsch und erklimmen am Ende sogar einen verschneiten Berg. Die Aussicht auf den Tod in tückischer Einsamkeit hält sie zusammen. In einem Dorf, in dem bis auf eine Frau und eine Leiche nur räudige Tiere zu sehen sind, stehlen sie sich im Schutz der Nacht Proviant und Waffen. Offenbar streben sie zur Grenze (anonymer Länder), denn neben dem Hubschrauber müssen sie sich auch vor schwer bewaffneten Grenztruppen in Acht nehmen, die auf der Suche nach ihnen mit aufgepflanzten Bajonetten die Landschaft durchkämmen.

Noch heute wohnt der ungleichen Jagd von Menschen auf Menschen etwas Drastisches, Bedrohliches inne. Aus der Cockpit-Perspektive schrumpfen die beiden Flüchtigen zu animalischen Existenzen, die sich elendig im Staub winden und im Morast verkriechen müssen. Aber die Wirkung, die der Helikopter damals, 1970, auf das Publikum gehabt haben muss, lässt sich wohl nicht mehr nachvollziehen. Wer „Figures in a Landscape“ heutzutage sieht, ist an Hubschrauber-Szenen so gewöhnt wie an filmische Schießereien oder Auto-Crashs; in den 1980er Jahren ist eine ganze Generation durch TV-Serien wie „The A-Team“ (1983–87) oder „Knight Rider“ (1982–86) mit diesen Fluggeräten als selbstverständlichen Action-Accessoires vertraut geworden – und mit „Airwolf“ (1984–86) gab es sogar ein eigenes Format, das einen Helikopter zum Quasi-Protagonisten erhob. Welche Faszinationskraft und welches Unbehagen wohl von den Szenen in „Figures in a Landscape“ ausgingen auf ein Publikum, das davon noch unberührt war?

Als „Figures in a Landscape“ zu Beginn der 1970er Jahre rauskam, war „Vietnam“ noch in aller Munde, ein Alltagsphänomen, das druch die Berichterstattung der globalen Massenmedien quasi live verfolgt werden konnte. Auch wenn Robert Shaw, der in seiner zweiten Funktion, als Drehbuchschreiber, die Geschichte im Unterschied zur Romanvorlage umgeschrieben hatte, darauf beharrte, dass die Handlung neutral sei, potenziell allerorten spielen könne, ließ sich „Figures in a Landscape“ natürlich zuallererst mit Vietnam, dem Helikopter- und Dschungelkrieg, assoziieren.

Der Film zeigt die körperlichen Strapazen und die seelische Anspannung der beiden Flüchtigen, die im Kampf um ihr eigenes Leben das anderer nehmen. Dabei geht es um das Durchhaltevermögen zweier Menschen im Angesicht der stoischen Kraft einer übermächtigen Maschine – eine unmenschliche Tour de Force durch eine unwirtliche Gegend (gedreht wurde in der spanischen Sierra Nevada), die für die Zuschauer beklemmend, anstrengend, aber letztlich auch ungemein faszinierend ist.

Text verfasst von: Robert Lorenz