Filmtipp

The April Fools (1969)

Kurzbeschreibung: Catherine Deneuve und Jack Lemmon begegnen sich in ihrer gemeinsamen Flucht vor materialistischen Belanglosigkeiten und ziehen zusammen durch das nächtliche New York. „The April Fools“ ist eine wunderbar verträumte romcom mit hervorragender Besetzung.

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Shouldn’t there be something on it?“, fragt Howard Brubaker seinen Boss. Es geht um eine Marmorstehle im Flur vor dem Appartement. „The less that’s on it, the more that’s in it. That’s art today“, belehrt ihn der Eigentümer in falscher Fachkunde. Und als Mentor gibt Brubakers Chef dem unbedarften Anwärter auf die Mitgliedschaft in der New Yorker Hochgesellschaft noch eine Weisheit für den Umgang in diesen neuen Sozialgefilden mit: „In any case, the safe response is: ‚It makes ist own quiet statement.‘

Brubaker ist frischgebackener Abteilungsleiter eines großen Unternehmens und soll sich auf der Party seines Chefs mit dem neuen Milieu vertraut machen, dem er fortan angehören wird. Bigotter Small Talk, gespielte Überlegenheit und der korrekte Habitus dieser überdrehten Gesellschaftsschicht sind freilich jene Fähigkeiten, die Brubaker völlig abgehen. Von der ersten Sekunde auf der Party an ist er dort hoffnungslos verloren; und Lemmon macht dabei sein bewährtes Gesicht, bei dem er wie ein ausgesetzter Welpe dreinblickt. Als sein Boss ihn schließlich noch in einer weiteren Technik unterweist, dem spontanen Flirt mit der banalen Frage: „Can I buy you a drink?“, probiert Brubaker es in seinem hilflosen Sarkasmus aus – und hat sofort Erfolg. Die Frau, die mit ihm mitgeht ist allerdings mit Brubakers Boss verheiratet – was er freilich nicht ahnt.

Diese Anfangssequenz ist so entlarvend wie in einem Woody-Allen-Film aus den Siebzigern: Mit einem einzigen Kameraschwenk offenbart sich den Zuschauern die ganze Leere dieses Partygetümmels, das eine Ansammlung von Gecken und Yuppies ist, die hinter ihren teuren Kostümen und ihrem Makeup all ihre Neurosen und Unsicherheiten versteckt haben. Die Party-Szene ist ein einziger zoologischer Blick auf eine soziale Spezies, die sich damals über Manhattan ausbreitete. Überhaupt ist, ganz unauffällig, „The April Fools“ auch ein Zeugnis seiner Zeit. Das Fernsehen als Sozialisationsquelle (als Brubaker seine Frau auf das Benehmen ihres Sohnes anspricht, der bei seinen Anrufen immer den Telefonhörer auflegt, beruhigt sie ihn: „His teacher says it’s perfectly natural. Stanley’s television-oriented, so he’s frustrated by voices he can’t see.“); die Mittelklasse suburbans, die wie Don Draper und Pete Campbell in „Mad Men“ (2007–15) abends mit dem Zug aus der Metropole in ihre Vorstädte zurückkehren und ihre Feierabendeuphorie mit ein paar Drinks in der Bordbar anreichern; der damals typisch laxe Umgang mit Alkohol und Zigaretten (ganz besonders in einer Szene, in der Brubakers feister Kumpel Potter Shrader, gespielt von Jack Weston, volltrunken im Ford „Mustang“ über den Freeway braust, um Brubaker rechtzeitig zum Flughafen zu bringen); das funktional-elegante TWA-Terminal im JFK International Airport mit seiner beinahe futuristischen Architektur; und die größenwahnsinnige, testosterondurchflutete Bürokultur, zu der neben der blonden Sekretärin mit ausladendem Dekolleté auch eine elektrische Doppeltür gehört, an deren Mechanismus Brubaker beim Betreten seines eigenen Büros fast scheitert.

Ted Gunther (gespielt von Peter Lawford) sitzt mit Whiskey-Glas und Zigarette in seinem Appartement

Peter Lawford, eines der Mitglieder des sagenumwobenen „Rat Pack“, Saufkumpel von Dean Martin und Frank Sinatra, spielt Brubakers Boss Ted Gunther. Der steinreiche Geschäftsmann arbeitet hart an seiner Rolle als upperclass-Matador, verkündet stolz, dass 200 Leute auf seiner Party seien, flirtet mit jeder Frau und hat sich ein Eishockey-Team gekauft („The perfect symbol of the climate of violence.“). Lawford, eigentlich gebürtiger Brite, damals Mitte vierzig, verkörpert den New Yorker Wolkenkratzerfürsten, eine Figur wie aus einer „Mad Men“-Episode. Sein Anzug sitzt wie eine zweite Haut, Zigarette und Whiskey-Glas wirken an ihm wie eigene Körperteile. Sein Appartement ist vollgestellt mit Objekten zeitgenössischer Kunst und wirkt dadurch wie das Refugium eines überheblichen Galeristen; aber ein Sinn für deren Ästhetik geht Gunther völlig ab – ihn interessiert allein die Summe, mit der deren Höhe er protzen kann („You can bet your ass it cost me a bundle.“). Gunther ist der Repräsentant einer dekadenten, selbstverliebten, ganz und gar künstlichen Welt, deren Gegenfigur von Anfang an Howard Brubaker ist.

Howard Brubaker und Catherine Gunther (gespielt von Jack Lemmon und Catherine Deneuve) amüsieren sich in einem New Yorker Nachtclub

Brubaker bestaunt ungläubig all die exzentrischen Kunstobjekte und betritt versehentlich eines davon, dass er mit einer Telefonzelle verwechselt, als er seine Frau anrufen will. Das ist auch der Moment in dem Brubaker die Frau seines Chefs für sich einnimmt. Catherine, eine ausgewanderte Französin – und gespielt wird sie von Catherine Deneuve. Sie hat sich natürlich nicht von Brubakers plumpem Anmachspruch begeistern lassen, sondern von dessen drolligem Umgang mit seiner Verlorenheit auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Sie verlassen die Party und begeben sich auf einen kleinen Trip durch die Nacht der Großstadt, auf dem sie erkennen, wie unglücklich sie in ihren Ehen sind. Brubakers Frau (Sally Kellerman) hat den Haushalt zu ihrer Domäne gemacht und verbringt die Zeit damit, das Haus zu modellieren, um es gewinnbringend zu verkaufen. Und Catherine Gunther ist für ihren Mann kaum mehr als ein weiteres Statussymbol, das er herumzeigen kann.

Als Erstes landen Howard und Catherine in einem Nachtclub. Der „Safari Club“ ist die sarkastische Manifestation des Mad Men-Chauvinismus: an den Tischen liegen kleine Gewehre parat, mit denen die Gäste die leicht bekleideten Bedienungen anschießen können, wenn sie eine Bestellung aufgeben wollen, während im Hintergrund Frauen wie Raubkatzen in Käfigen herumtigern. Catherine und Howard gehen, ohne etwas bestellt zu haben. Die nächste Station ist ein früher Disco-Club, auf dessen Tanzfläche Jack Lemmons Figur im flackernden Licht so verstört wie in einem Kriegsszenario wirkt; eine Einstellung zeigt ihn, wie er sich als Fremdkörper durch die wilde Tanzmeute bahnt, wie ein hilflos Verirrter, und dann doch immer wieder versucht, ganz natürlich abzufeiern. Das ist ja schon immer eine der (vielen) Stärken Jack Lemmons gewesen: so sympathisch deplatziert zu sein, um damit aufzudecken, dass eigentlich all die anderen die Verrückten sind.

Howard Brubaker (gespielt von Jack Lemmon) gestikulierend am Telefon in seinem Büro

Ganz anders Catherine Deneuve: Sie ist in ausnahmslos jeder Situation souverän, strahlt mit ihren grazilen Bewegungen und eleganten Blicken eine eigene, unnachahmliche Aura aus, eine Deneuve-Gravität, mit der sie gleich in ihrer ersten Szene die Wendeltreppe ihres Appartements herabschwebt. Eigentlich konnte auch nur jemand wie Deneuve diese Rolle spielen: Die Frau, die sich nicht für den Reichen und Schönen entscheidet, sondern für den tapsigen Kerl, der mit seiner Gutmütigkeit in den hohen Stockwerken der verkommenen Business-Elite immer scheitern wird.

Catherine Gunther (gespielt von Catherine Deneuve) steht an der Bar in ihrem Appartement, im Hintergrund steht Ted Gunther (gespielt von Peter Lawford)

The April Fools“ ist eine verträumte romcom, trotz des Großstadtflairs entspannt, ruhig, gar nicht hektisch. Catherine und Howard lernen in derselben Nacht noch ein extravagantes Paar kennen: Grace und Andre Greenlaw, gespielt von Myrna Loy – dem Star des Dreißiger- und Vierzigerjahre-Kinos – und dem Franzosen Charles Boyer, der in seinen damaligen Rollen oft den kraftvollen Exzentriker gab. Während Grace ihrem Gast Catherine die Tarot-Karten legt, liefern sich Andre und Howard ein Fechtduell quer durch die rieisge Greenlaw-Villa (u.a. auf einer Bowlingbahn).

Wie Catherine und Howard beschließen, gemeinsam ein neues Leben in Paris zu beginnen – Reichtum und Status einfach wegzuschmeißen und die vermeintlich erstrebenswerte Perspektive der White-Collar-Gesellschaft gegen eine ur-romantische zu ersetzen –, haben Catherine Deneuve und Jack Lemmon schlichtweg gekonnt in liebenswürdiges Schauspiel übersetzt. Die beiden Hauptfiguren retten sich schließlich gegenseitig: aus den Korsetts ihrer festgefügten Leben – nur gemeinsam durchbrechen sie die materialistische Oberflächlichkeit, weil sie beide den scharfen Blick für die Untiefen und Belanglosigkeiten ihrer Welt haben, um ihr noch rechtzeitig zu entkommen.

Text verfasst von: Robert Lorenz