Filmtipp

The Long Good Friday (1980)

Kurzbeschreibung: Der hitzköpfige Londoner Gangsterboss Harold Shand plant mit einem transatlantischen Joint Venture den ganz großen Coup. Doch statt sich auf seine lukrative Expansion konzentrieren zu können, muss er sein kriminelles Imperium gegen einen unbekannten Feind verteidigen – Bob Hoskins’ große Rolle als größenwahnsinniger Proll-Ganove.

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„Not any long Friday, but the long good Friday.“ So kündigt es uns der Trailer an, im martialischen Tonfall, den Trailer eben haben. „Good Friday“: Das ist im Englischen der Karfreitag. Für den Londoner Unterweltboss Harold Shand (Bob Hoskins) erweist sich der christliche Feiertag als ganz besonders anstrengend. Just als er mit seiner phänomenalen Luxusjacht auf der Themse kreuzt und in bester Laune zu Champagner und Cocktails mit seinen amerikanischen Geschäftspartnern auf den Beginn einer neuen Ära anstoßen will, geht alles schief. Eben prophezeite er noch Londons Wiederaufstieg zur faktischen Hauptstadt Europas, nun wäre beinahe seine Mutter durch eine Autobombe im Rolls Royce pulverisiert worden, sein bester Freund wird erstochen und obendrein fliegt eine seiner Nobelimmobilien in die Luft. Was ist los? Schließlich ist Shand unangefochtener Lokalmatador von Londons Kriminellenszene, seit er vor über einem Jahrzehnt aus einem blutigen Bandenkrieg als Sieger hervorgegangen ist. Wutentbrannt macht sich Shand mitsamt seiner Gangsterbagage daran, den Laden wieder in den Griff zu kriegen – schließlich drohen seine Geschäftspartner aus Übersee abzuspringen.

Herrlich, wie Bob Hoskins und Helen Mirren als dessen Filmpartnerin in der Manier dekadenter Yuppies die Cocktailgläser schwingen und der Manifestation ihres Neureichtums keine Grenzen auferlegen. Dem untersetzten Hoskins mit seinem rüden Cockney-Akzent scheint die Rolle wie auf den Leib geschneidert zu sein: Mit hochrotem Kopf, aufgeplusterter Brust und in geschmacklosen Klamotten macht er sich auf die Jagd nach seinen Feinden; begleitet wird er u.a. von „Razors“, einem breitschultrigen Mann, der in Personalunion als Bodyguard, Chauffeur und Schläger immer an Shands Seite weilt und für ihn auch mal vermeintliche Informanten mit Messern in Redelaune versetzt.

„The Long Good Friday“ ist überhaupt der Bob-Hoskins-Film. Für Hoskins (1942–2014) war das legendäre „Method Acting“, bei dem sich die Darsteller mit maximaler Leidenschaft und eigenen Emotionen ihrer Rolle annehmen, bloß „a load of bollocks“. Seine Authentizität bezog er ohnehin aus seiner turbulenten Lebensgeschichte: In einfachen Verhältnissen im London der Nachkriegszeit aufgewachsen, war er ein in der Wolle gefärbter Angehöriger der englischen Arbeiterklasse, ein Schulabbrecher, der sich eine Zeit lang mit zumeist skurrilen Nebenjobs durchschlug: Als Feuerschlucker, Lastwagenfahrer und Kamelhüter habe er angeblich gearbeitet. Weil er in Prügeleien häufig den Kürzeren zog, zierte Hoskins eine mehrfach gebrochene Nase; seine später gefeierte Schauspielkarriere begann er erst mit Mitte zwanzig – der Legende nach durch einen wilden Zufall, bei dem er versehentlich während eines Pub-Besuchs in einen Vorsprechtermin geriet und kurzerhand die Rolle bekam. Für den größenwahnsinnigen Gangster-Parvenü Harold Shand, der in pseudo-majestätischer Proll-Attitüde die Themse hinunterschippert, mag man sich jedenfalls keinen anderen Darsteller vorstellen.

Aber auch P.H. Moriarty wirkt als furchteinflößender „Razors“ vermutlich so glaubwürdig, weil die Rolle des lakonischen Schufts nichts fordert, was Moriartys natürliche Ausstrahlung in Gestik und Mimik nicht schon parat hätte. Nur wenige Jahre zuvor hatte eine Filmcrew den Südlondoner als Dockarbeiter beobachtet und für den Dreh angeheuert. Shands Freund und rechte Hand Colin wird gespielt von Paul Freeman, der sich im Jahr nach „The Long Good Friday“ als schurkischer Archäologe Rene Belloq in „Indiana Jones: Raiders of the Lost Ark“ (1981) wohl unvergesslich in das Gedächtnis ganzer Menschengenerationen eingebrannt haben dürfte (in dem Film spielte er als Brite einen Franzosen). Schmunzeln lässt sich daneben über Pierce Brosnan, der hier – lange vor seinem James-Bond-Einsatz (1995–2002) und auch noch zwei Jahre vor seinem Serienerfolg „Remington Steele“ (1982–87) – in wenigen Szenen sein Leinwanddebüt als wortloser, stets maliziös grinsender Killer feiert. Und für jeden London-Fan ist der Film ein Muss, weil hier u.a. noch die Docklands zu sehen sind, bevor sie zu einem begehrten Quartier der Wohlhabenden transformiert wurden.

HandMade Films

Indem seine Schöpfer hör- und sichtbar mit Musik, Schnitt und Kameraführung experimentieren und die urbane Modernisierung und letztlich Gentrifizierung am Beispiel der Umwandlung der Docklands von einem proletarisch geprägten Ort zu einer High-Society-Gegend in den Kontext von Kriminalität und Immobilienspekulation rücken, hat „The Long Good Friday“ auch eine filmkulturelle und politische Dimension. Und er stammt aus der britischen Filmschmiede HandMade Films, die der Ex-Beatle George Harrison dereinst gründete, um Monty Pythons „Das Leben des Brian“ zu produzieren (für dessen Produktion sich kein Unternehmen gefunden hatte, doch den Harrison nach Durchsicht des Skripts unbedingt sehen wollte). HandMade Films avancierte in 1980er Jahren zu einem Label, das gleich für eine ganze Reihe britischer Kultfilme verantwortlich zeichnete, darunter: „Time Bandits“ (1981), Mona Lisa“ (1986) (Review auf Filmkuratorium.de lesen) oder „Withnail & I“ (1987).

Text verfasst von: Robert Lorenz