Filmtipp

The Mechanic (1972)

Kurzbeschreibung: Als Vorläufer von Filmen wie „Léon“ (1994) zeigt „The Mechanic“ die akribische Präzisionsarbeit eines Profikillers inmitten der großstädtischen Konsumgesellschaft des Westens. Michael Winner inszeniert mit seinen Perspektiven die Ästhetik des professionellen Tötens und stochert im Seelenleben der kaltblütigen Auftragskiller herum.

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Eine Viertelstunde lang spricht niemand ein Wort. So als habe man einen ewiggültigen Rekord des oftmals wortkargen New-Hollywood-Kinos aufstellen wollen. Man hört lediglich sporadisches Klaviergeklimper und Streichinstrumente, die in Verbindung mit den Nahaufnahmen von Alltagsgegenständen, dem Blick durch ein Fernglas, einen Sucher oder ein Zielfernrohr sowie der düsteren Optik der schwach ausgeleuchteten Räume eine bedrohliche Atmosphäre erzeugen. Dass all das in L.A., dem sonnenverwöhnten Kalifornipen, in dem damals gerade die „Eagles“ ihren Megahit „Take It Easy“ trällerten, spielt, darauf weist hier nichts hin.

Der Beginn des Films ist so gründlich und ausgedehnt wie sein Ende abrupt. Ein Mann, vielleicht in seinen Vierzigern, betritt eines dieser schmuddeligen Appartementhäuser, wie man sie aus unzähligen Fernsehserien und Filmen der 1970er Jahre kennt, mit dunkel lackierten Holztüren in dreckigen Gängen, die in siffige, von Beige- und Brauntönen dominierte Wohnungen führen. Man erkennt diesen Mann heute sofort als Charles Bronson. Und damals kannten ihn auch alle, denn nur ein paar Jahre zuvor, 1968, war er als „Harmonica“ – der schweigsame Racheengel aus Sergio Leones Western „C’era una volta il West“, hierzulande als „Spiel mir das Lied vom Tod“ bekannt – nach Jahren der kleinen Nebenrollen endlich zum Star geworden. Leones Extrem-Close-ups hatten Bronsons Gesicht berühmt gemacht.

Nahaufnahme von Charles Bronsons Gesicht mit entschlossenem Blick

Aus seinem großen Lederkoffer holt dieser Mann – er heißt Arthur Bishop – nicht etwa sein Hab und Gut zwecks Einzug in die neue Bleibe, sondern einen Fotoapparat mit Teleskopobjektiv. Kurze Klavierlaute verraten die dubiose Absicht dahinter. Bishop beobachtet ein Appartement im gegenüberliegenden Gebäude, fotografiert das Mobiliar und herumliegende Gegenstände, prägt sich den Bewegungs- und Tagesablauf des Bewohners, eines Mannes im Alter irgendwo zwischen Mitte fünfzig und Mitte sechzig, ein – die lebenserleichternde Alltagsroutine wird ihm zum Verhängnis werden.

Szenenwechsel: Bronsons Mann mit der verwegenen Frisur und feinem Schnäuzer schmaucht im roten Schlafmantel seine Pfeife, aus dem Kassettenrecorder (es sind noch die Siebziger) ertönt klassische Musik, er bereitet einen Mord vor. Und zwar mit großer Sorgfalt: Vor ihm, an der Wand seines Wohnzimmers, hängen systematisch drapierte Zettel und Fotografien, die er sanft glatt streicht, während er jedes einzelne Bild mit scharfem Blick durchdringt. Dann, wieder zurück, bricht er unbemerkt in das Appartement seines Opfers ein, manipuliert dort den Gasherd, spickt einen zuvor exakt ausgeguckten Band im Bücherregal mit Plastiksprengstoff und platziert diesen so, dass er ihn im geeigneten Moment von seinem Appartement aus durch das offene Fenster per gezieltem Schuss auszulösen vermag.

Eine ganze Viertelstunde zeigt Regisseur Michael Winner die filigrane Vorbereitung des Mordes an einem Mann, über den wir nichts wissen, auch künftig nicht erfahren werden, ehe uns eine riesige Explosion aus dieser beinahe meditativen Ruhe reißt. Während im Hintergrund die Flammen der Feuersbrunst im gegenüberliegenden Haus lodern, Sirenen und Geschrei eine Kakophonie großstädtischer Panik bilden, packt Bishop seelenruhig seine Sachen zusammen und verlässt seinen geheimen Beobachtungspunkt. Cut. Blick in Bishops Wohnung: Eine Hochglanzseite mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Ermordeten wird in die Flammen eines gemütlichen Wohnzimmerfeuers geworfen. Geschlagene 16 Minuten lang hat bis dahin niemand auch nur eine einzige, noch so kurze Dialogzeile gesprochen; und auch dann, als das Telefon klingelt und Bishop den Hörer abnimmt, praktiziert er mit Bronsons ohnehin lakonischer Stimme eine extrem strenge Konversationsökonomie: „Yes? – What’s the matter? – Ok. – One hour.

Der erste Teil des Films zeigt die geduldige Akribie, mit der Bishop seine Ziele observiert und seine präzisen Mordpläne ausheckt. Bishop ist ein Mechanic, ein Auftragskiller, der für andere Kriminelle Menschen aus dem Weg räumt, so wie später Jean Renos weitaus berühmterer Cleaner in Luc Bessons „Léon (1994). Die Auftraggeber, ein Verbrechersyndikat, manifestieren sich lediglich in anonymen Personalpronomen – etwa wenn Bishop mit „ihnen“ sprechen soll. Bishops Spezialität besteht darin, die Auftragsmorde wie natürliche Tode aussehen zu lassen: Ein Mann fliegt in seinem Appartement in die Luft – der Gasherd; ein anderer liegt Tod am Steuer seines Wagens – das Herz.

Die Story zu „The Mechanic“ stammt von Lewis John Carlino, der seine Karriere als Schreiber von Bühnenstücken begonnen und sich in den späten Sechzigern als Drehbuchautor etabliert hatte. Offenbar sollte das Faszinosum dieses Films darin bestehen, in die Psyche eines Profikillers zu blicken, dessen Ethik und Gewissen zu erkunden. Carlino bzw. Winner lassen offen, woher die Dämonen kommen, die Bishop plagen. Ihr Film ist so etwas wie die Action-Variante des oft schwermütigen New-Hollywood-Kinos, dessen Mustern er weitgehend folgt: Der Protagonist ist innerlich zerrüttet und wird auch zum Ende hin kein Seelenheil gefunden haben. Wie gesagt, beginnt der Film mit einer langen, buchstäblich sprachlosen Sequenz, lässt sein Publikum im Unklaren über die Motive seiner Figuren sowie die angedeuteten Doppelspiele und endet dann ebenso fulminant wie lapidar.

Knapp vierzig Jahre später, 2011, folgte ein Remake gleichen Namens mit Jason Statham in der Hauptrolle. Im Vergleich zu heutigen Filmen nehmen sich die Action-Szenen des originalen „The Mechanic“ geradezu minimalistisch aus. Eine naturgemäß rasante Verfolgungsjagd auf Motorrädern führt durch die Gärten und Einfahrten gutbetuchter Kalifornier, eine Jacht und eine Handvoll Fahrzeuge werden in infernalischen Explosionswolken vernichtet – aber all das ist doch nach gegenwärtigen Standards sehr zurückhaltend inszeniert, wodurch „The Mechanic“ aus heutiger Sicht eine nüchterne, beinahe realistische Aura gewinnt.

explodierendes Fahrzeug auf einer engen Straße an einer Felswand

Bronson und Winner hatten damals als Actor-Director-Duo gerade zusammengefunden, hatten kurz zuvor „Chato’s Land“ gedreht, der im selben Jahr wie „The Mechanic“ herauskam. Sie machten weiter, drehten 1973 „The Stone Killer“ und 1974 kam ihr Megaerfolg „Death Wish“ in die Kinos, der wegen seines scheinbaren Selbstjustiz-Plädoyers seinerzeit scharf und kontrovers diskutiert wurde – und zehn Jahre später drehten sie die Fortsetzungen „Death Wish II“ (1982) und „Death Wish 3“ (1985). Winner, gebürtiger Londoner, der in England allein während der 1960er Jahre ein gutes Dutzend Filme gedreht hatte, war zu Beginn der Siebziger, mit Mitte dreißig, in die USA gekommen und hatte gerade Burt Lancaster in dem knallharten Western „Lawman“ (1971) inszeniert. Schon in „Lawman“ und „Chato’s Land“ hatte Winner eine außergewöhnliche Fähigkeit bewiesen, eine Art Gewaltfokus zu schaffen: Durch die Perspektiven und das Tempo bieten Winner-Filme einen intensiven, hochkonzentrierten Blick auf das menschliche Töten, auf die brutale Konsequenz von Gewalt, aber auch die Allgegenwart ebenjener Gewalt und Brutalität in den ihrem Selbstverständnis nach zivilisierten Gesellschaften. Die Philosophie von „The Mechanic“ ist dann auch eine denkbar misanthropische Zivilisationskritik: „Murder“, sagt Bishop, „is only killing without a licence. And everybody kills. Governments, the military, the police.“ Und: Wer mordet, wird aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwann selbst ermordet werden.

In „The Mechanic“ lösen Winner und Carlino die Unbezwingbarkeit des hartgesottenen Einzelkämpfers zugunsten einer tragischen Ambivalenz auf. Bronsons Killer ist zwar ein akkurater Techniker des Todes; aber auch ein Psycho-Wrack, eine gebrochene Figur. Die exzellente Physis und Technikbeherrschung, die er beim Sport oder Kampftraining, als Pilot oder Motorradfahrer zeigt, kontrastiert scharf mit seinen Panikattacken, die ihn einmal sogar ins Krankenhaus bringen, seinem Medikamentenkonsum und seinem Bedürfnis nach gekauften Frauen, die ihm durch fiktive Sex-Szenarien einen Thrill verschaffen. Bishop ist gezeichnet von der Einsamkeit des extremen Spezialisten, der im Schatten der Gesellschaft arbeitet, zu dessen Geschäftsprinzip gehört, nicht gesehen, nicht bemerkt zu werden – die ultimative Diskretion, ähnlich wie bei Gene Hackmans paranoidem Abhörexperten Harry Caul in The Conversation“ (1974). Die beiden Filmfiguren Caul und Bishop eint ihre zwschneidige Flexibilität und Ungebundenheit: Sie können tun und lassen, was sie wollen (jedenfalls aus familiärer Perspektive); doch sollte ihnen etwas zustoßen, gäbe es niemanden, der sich dafür emotional interessieren oder überhaupt nur Kenntnis davon erlangen würde.

Über Bishops Privatleben erfahren wir nur in einer Szene etwas. Er klopft an die Tür eines Appartements – verbergen sich dahinter seine Auftraggeber oder Mittelsmänner, ist es ein Hinterhalt? Es öffnet Jill Ireland, im wahren Leben Bronsons Ehefrau und im Abspann wie Laurie Bird in Two-Lane Blacktop“ (1971) lediglich als „The Girl“ aufgezählt. Sie ist erleichtert, Bishop zu sehen, aber macht ihm gleichzeitig Vorwürfe, so lange fort gewesen zu sein. Sie liest ihm einen Brief vor, indem sie den vagen Zustand ihrer Beziehung bedauert; doch als er sie in die Arme nimmt, bekennt sie erleichtert ihre Liebe und lässt sich ins Bett tragen. Was wie eine nicht ganz untypische Szene mit dem Stereotyp des rätselhaften Mannes mit dem außergewöhnlichen, zumal gefährlichen Beruf und der schmachtenden Frau, die zwischen Liebe und Verdruss changiert, aussieht, entpuppt sich als professionelles Rollenspiel einer Prostituierten – für den originellen, aufwendigen Brief solle er doch bitte dieses Mal einen Hunderter mehr dalassen.

Jill Ireland als namenlose Prostituierte in ihrem Appartement, mit dem Rücken zur Kamera steht Arthur Bishop (gespielt von Charles Bronson)

Bishop funktioniert während seiner Aufträge wie eine gut geölte Maschine, aber in der Zwischenzeit droht ihm der Kollaps. Vielleicht auch deshalb nimmt er einen gelehrigen Schüler unter seine Fittiche: ausgerechnet den Sohn des Mannes, den er zuletzt in einem widerlichen Verrat umgebracht hat. Dieser Mann war „Big Harry“ McKenna (Keenan Wynn), er hatte Bishop um Hilfe gebeten – und ohne viel über diese Figur zu wissen, ist einem als Zuschauer sofort klar, welche Furcht und Besorgnis dabei in dessen Stimme mitschwingen. Bishop sichert ihm seine Hilfe zu, fährt nach Hause, erhält dort von einem Boten eine Schatulle mit Unterlagen für einen neuen Auftrag: Wie bei seinem vorherigen Opfer sind es Schwarz-Weiß-Fotografien – sie zeigen McKenna. Aber nichts von Gewissensbissen, Bestürzung ob dieses Dilemmas, nicht der geringste Zweifel: Bishop legt eine Kassette ein und klebt zu klassischer Musik sorgfältig die Bilder an seine Pinnwand, beginnt wieder mit seiner Mordplanung.

Den jungen McKenna (Jan-Michael Vincent) lernt er auf der Beerdigung des alten kennen. Beide sind unter der kalifornischen Sonne gut gelaunt, ganz offenbar unberührt von „Big Harrys“ Tod. Die zur Beerdigung eingespielten Orgelklänge gehen nahtlos über in heitere Partymusik – in McKennas mondänem Anwesen hat eine ausschweifende Hedonisteninvasion feierwütiger Spätteens und Frühtwens eingesetzt. Sie zelebrieren das reiche Erbe ihres Kumpels Steve.

Der aber will mit seinen Altersgenossen nichts zu tun haben, verzichtet darauf, in materieller Sorglosigkeit zu schwelgen und sucht stattdessen die Nähe zu Bishop. Es gibt eine Sequenz, die sowohl bei Bishop als auch dem jungen McKenna eine eiskalte Gefühllosigkeit offenbart. Darin schneidet sich McKennas Freundin (Linda Ridgeway) – jedenfalls hofft sie, dies zu sein – bei Kerzenschein in ihrem idyllischen Malibu-Strandhaus die Pulsadern auf. Mit diesem ultimativen Gewaltakt gegen sich selbst, quasi der höchsten Form der Autoaggression, will sie McKenna zu einer Rettungstat und damit letztlich zu einem Symapthie- oder gar Liebesbekenntnis provozieren. Doch McKenna lehnt sich in dem dunklen Raum entspannt zurück, gießt sich einen Drink ein, nagt an einem Sandwich und denkt keine Sekunde daran, ihr zu Hilfe zu eilen. Stattdessen fragt er Bishop, der dem makabren Schauspiel in regungsloser Gemütlichkeit beiwohnt, wie viel Zeit Lousie wohl noch verbleibe. Wie ein konzentrierter Mathematiker erfragt Bishop Größe und Gewicht der Frau, um dann deren verbleibende Lebenszeit auszurechnen. Und so rät McKenna seiner sterbenden Freundin, doch so schnell wie möglich Hilfe aufzusuchen, während er selbst untätig bleibt.

Nahaufnahme von Louise (gespielt von Linda Ridgeway) während ihres Selbstmordversuchs

Diese Szene, die exakt vier Minuten dauert, sich aufgrund der Kameraperspektiven und Schnitte aber deutlich länger anfühlt, zeigt mit das elendige Dahinsiechen der Frau, begleitet vom sanften Rauschen der Wellen des Pazifiks; allmählich wird ihr – genau wie Bishop es prognostiziert hat – kalt und ihre schlimmste Befürchtung bewahrheitet sich: dass sich McKenna einen Dreck um sie schert. Am Ende hastet Louise mit ihren letzten Kräften los (McKenna: „If you kick it, you can probably make the sheriff’s station in Malibu in 15 minutes.) – und Bishop wie auch McKenna eint in diesem Moment die Fähigkeit zu völliger Teilnahmslosigkeit, lediglich unterschieden durch zwei Motive: Während Bishop meint, sich nicht um andere kümmern zu müssen und sich jeder seine Privatmoral zusammenzimmern könne, „your own rule book“, ist McKenna ein bloßer Sadist, dem der Tod keines Menschen nahegeht und der mit einem perversen Zoologenblick dem Sterben zusieht.

Bishop und McKenna sind zwei offensichtlich in ihrer Kindheit und Jugend völlig verkorkste Soziopathen, die mit ihrer Expertise im Umgang mit Waffen und ihren Kampftechniken inmitten einer durch Gesetze und Verordnungen hochgradig regulierten Gesellschaft zur tödlichen Gefahr für deren Mitglieder werden. Straßen und Privatgrundstücke sind für sie lediglich Einsatzgebiete, die sie, wenn nötig, rücksichtslos für die Ausübung ihrer Jobs nutzen, vor Regulierungsinstanzen wie Polizei oder Justiz fürchten sie sich nicht. In einer Szene rasen sie auf Motorrädern durch eine Gartenparty des piekfeinen Establishments von L.A.; obwohl den Snobs dabei nichts geschieht, hätten sie ebenso gut alle draufgehen können – weder Bishop noch seinen Komplizen oder die (meist ebenfalls kriminellen) Auftragsziele hätte das interessiert.

Keenan Wynn als Harry McKenna kurz vor dem tödlichen Herzinfarkt im Angesicht einer schallgedämpften Pistole

The Mechanic“ ist ein wahres Feuerwerk an Bronson-Lakonie und Bronson-Posen: mal lässig mit ausladender Sonnenbrille im Kleinflugzeug, mal sportlich mit Stirnband und Samuaraischwert, dann in Lederjacke und mit Shotgun. Und jede Situation hat ihre eigene Bronson-Mimik, die sich freilich jeweils nur in Nuancen von anderen Bronson-Gesichtsausdrücken unterscheidet: der erfolgreiche Jäger, der seinem Opfer beim Untergang zusieht; der überlegene Mentor, der seinen Vorsprung an Wissen und Erfahrung genießt; oder der Gejagte in lebensbedrohlicher Lage und mit konzentriertem Blick.

Manche Kritiker haben bedauert, dass aus „The Mechanic“ so viel mehr hätte werden können. Das mag sein. Aber freilich liegt gerade in den unausgedeuteten Charakterzügen, den – absichtlich oder achtlos – vorenthaltenen Informationen auch ein gewisser Charme. Und das Finale des Films entschädigt sowieso für alle Nachlässigkeiten.

Text verfasst von: Robert Lorenz