Filmtipp

Too Late the Hero (1970)

Kurzbeschreibung: In geduldigen Sequenzen inszeniert Robert Aldrich ausführlich die Schrecken des Dschungelkampfes: Im Zweiten Weltkrieg rückt ein Trupp britischer Soldaten auf einer Pazifikinsel aus, um im Lager der Japaner einen fingierten Funkspruch abzusetzen – ein Himmelfahrtskommando.

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Eine Handvoll Männer bricht aus dem Gebüsch hervor und stürmt auf ein offenes Feld zu. Dahinter, am anderen Ende, liegt ein britisches Militärcamp. Dort versammeln sich jetzt die Mannschaften, um dem Geschehen beizuwohnen. Denn die Männer, die sich zurückgekämpft haben, sind die Überlebenden einer ausgerückten Kompanie, die wie so viele vor ihr vom Feind aufgerieben worden ist. Jetzt werden sie unter dem Geschrei ihrer Kameraden von Heckenschützen abgeknallt, keiner von ihnen schafft es. Der Feind: Das sind die Japaner; und der Schauplatz liegt im Südpazifik, im Frühjahr 1942. Pearl Harbor, die arglistige Attacke japanischer Flieger auf die US-Militärbasis auf Hawaii am 7. Dezember 1941, ist noch eine frische Wunde und die angloamerikanischen Alliierten versuchen gerade, die japanische Expansion im Pazifikraum zu stoppen.

Henry Fonda, in einer kurzen Gastrolle, spielt den Befehlshaber einer US-Basis, der einem seiner Offiziere schlechte Nachrichten überbringt: Statt den vierwöchigen Heimaturlaub anzutreten, wird Lieutenant Lawson (Cliff Robertson) zu einer britischen Kampfeinheit abkommandiert, weil er japanisch spricht und die Briten einen Funkspruch fingieren wollen. Mit Sonnenbrille und Zigarette kommt Lawson bei den Verbündeten an – eine militärkulturelle Kluft ist unübersehbar. Im Lager der Briten nimmt den amerikanischen Sonnyboy niemand ernst („What an extraordinary fellow!“„Well, he is an American.“). Lawson hat keinerlei Kampferfahrung und bis dahin gehofft, dank seiner privilegierten Stellung um den lebensgefährlichen Kriegseinsatz herumzukommen und den Frieden als kleines Rädchen in der Militäradministration abzuwarten. Nun wird er jedoch Teil eines faktischen Himmelfahrtskommandos, das tief hinter die feindlichen Linien vordringen soll, um eine japanische Funkstation zu infiltrieren.

Das kleine Kommando, dem Lawson angehören soll, ist buntgemischt – als die britischen Soldaten sich bei einem kleinen Spiel zanken, versteht man als Nicht-Brite kaum ein Wort. Ein blutjunger Rekrut stirbt gleich beim ersten Schusswechsel an einem Kopfschuss; Don Knight, ein Schauspieler mit markantem Gesicht und hartem Manchester-Akzent, geht ebenfalls gleich am Anfang drauf; Ronald Fraser spielt einen ekelhaften, verräterischen, unsolidarischen Kerl, der sich am Besitz getöteter Feinde bereichert und später sogar einen verwundeten Kameraden erstickt, damit der ihm keine Probleme mehr bereitet; klasse ist Ian Bannen, der einen verwegenen, durchgeknallt-unberechenbaren Private spielt, der zu Beginn der Todesmission hüpfend und singend loszieht, mit seinem heftigen schottischen Akzent kaum zu verstehen ist. Mit dabei ist auch Michael Caine, der da schon seine „Harry Palmer“-Filme gedreht und als „Alfie“ (1966) die Frauen verführt hatte: Caines Figur ist Tosh Hearne, ein skeptischer Private, der als Sanitäter die ganze Zeit dem Tod seiner Mitkämpfer beiwohnen muss.

Ein weiteres Highlight ist Denholm Elliott – ein vielseitiger Darsteller aus London, dessen Gesicht aber erst durch seine Rolle als trotteliger, jedoch herzensguter Museumsdirektor Marcus Brody in „Indiana Jones and the Last Crusade“ (1989) ewiggültige Weltbekanntheit erlangte –; er spielt Captain Hornsby, den Anführer des Trupps, der seine Leute leichtfertig in den Tod schickt und in den allermeisten Situationen agiert wie ein unsicherer Touristenführer, der seine Gruppe nicht im Griff hat. In anderen Momenten aber erschießt er Japaner, die mit Schusswunden am Boden liegen und eigentlich hätten ins britische Camp gebracht werden müssen („Well, we’re not going in that direction, are we?“), und schleicht sich an einem Wachturm vorbei in eine feindliche Funkstation; seinen angeschossenen Seargent (Percy Herbert) lässt er auf sich alleingestellt zurück, ein unausgepsrochenes Todesurteil: Wenige Minuten später liegt er mit aufgeschlitzter Kehle am selben Ort, die Zigarette in der Hand qualmt noch – das ist die Härte, die Großbritannien einst zur Kolonialmacht werden ließ.

Regisseur Robert Aldrich, von dem auch die Story von „Too Late the Hero“ stammt, lässt sie (fast) alle sterben. Obwohl der Film knapp zweieinhalb Stunden lang ist, lässt sich die Handlung auf ein ganz simples Narrativ reduzieren: Ein Dutzend alliierter Soldaten werden von ihrem Befehlshaber in den von japanischen Truppen besetzten Dschungel geschickt, um einen gefälschten Funkspruch abzusetzen – und werden dabei Mann für Mann dezimiert. Aber vielleicht gerade weil es hier keine abenteuerlichen, subtilen Wendungen gibt, lässt man sich von diesem Kriegsfilm mehr als von anderen packen.

Mit wenigen Mitteln kreiert Aldrich eine dichte Atmosphäre: Das Gekreische, Geraschel und Gezwitscher der exotischen Wildtiere ist eine permanente Geräuschkulisse, die den Trupp wie auch die Zuschauer begleitet. Ohne jegliche Hektik, als habe man ihm unbegrenztes Aufnahmematerial zugesichert, zeigt Aldrich, wie sich die Soldaten vorsichtig durchs Dickicht bewegen, wie sie hinter Baumstämmen hervorlugen oder sich hinter Blätterwerk verstecken. Diese ausführliche Langsamkeit, die man heute aus fast keinem Film mehr kennt, vermittelt die Strapazen des pazifischen Dschungelkriegs vermutlich weitaus besser, als würde es ständige Schusswechsel, Explosionen und Eilmärsche geben. Indem Aldrich seine Szenen mit einer quälenden Genauigkeit zeigt, ist man als Zuschauer quasi gezwungen, sich in die bedrückende Situation der Soldaten hineinzuversetzen.

Großartige Szenen kommen dabei heraus: Als zu Beginn der Mission (und des Films) die Kompanie ausrückt, in Richtung der feindlichen Linien, vorbei an den Leichen ihrer Kameraden, hätte dieser Vorgang in fast jedem anderen Film kaum mehr als ein paar Sekunden beansprucht – die Männer wären ein paar Meter mit ihrem schweren Gepäck losgezogen, die Kamera hätte auf verschwitzte, aber noch frische Gesichter geblickt und ein Schnitt hätte zur nächsten Szene irgendwo im Urwald geführt. In „Too Late the Hero“ marschieren die Soldaten in mehreren Gruppen versetzt los, im Hintergrund zählt ein Offizier die Zeit herunter, bis die jeweils nächste Gruppe losgeschickt wird.

Diese Echtzeit-Einstellung verleiht der Szene eine ganz ungewohnte Intensität und schärft das Bewusstsein für die Gedanken, die in den Köpfen dieser Männer, potenziell Todgeweihter, kreisen, für die Angst, die sie verbergen. Oder später im Film, als die verbliebenen Kommando-Truppler durch den Busch hetzen, um das britische Camp zu erreichen, verfolgt von japanischen Soldaten: Während sie sich für eine kurze Verschnaufpause niedergelassen haben, ertönt plötzlich eine schrille Rückkopplung aus unsichtbaren Lautsprechern und ein Japaner fordert sie auf Englisch zur Kapitulation auf. Als der Trupp unbeirrt weiterzieht, folgen die Japaner, klettern die Stämme hoch, um in den Baumwipfeln die verkabelten Lautsprecher zu montieren – und kurze Zeit später gibt es wieder eine Rückkopplung, erneut gefolgt von eindringlichen Appellen des japanischen Befehlshabers. Trotz der unendlichen Weite des tropischen Urwalds entsteht dadurch eine klaustrophobische Enge.

Diese Prozedur wiederholt Aldrich mehrmals; während der japanische Kommandant in sein Mikrofon spricht, kurbelt neben ihm einer seiner Soldaten, um Strom für das Gerät zu erzeugen; der japanische Offizier lässt die Wehklagen seiner britischen Gefangenen übertragen; dann täuscht er vor, zwei von ihnen zu exekutieren, während Hearne und Lawson im Unterholz liegen und mit ihren nächsten Schritten hadern. Anders als in vielen Kriegsfilmen wird der japanische Kommandant (Ken Takakura) allerdings nicht als menschenverachtendes Monstrum gezeigt; stattdessen ist er ambivalent: Zwei Gefangene lässt er aus seiner Flasche trinken, einen anderen jedoch massakrieren, weil der den Leichnam eines japanischen Offiziers gefleddert und mit seiner Machete einen Ringfinger mit wertvollem Sigelring abgetrennt hat.

Als Lawson, der zu Beginn des Films am Strand mit braungebranntem Oberkörper und einer Bierflasche in der Hand aufwacht und dem Frontgeschehen so fern wie nur möglich bleiben will, sich plötzlich zur patriotischen Pflichterfüllung berufen fühlt, redet ihm Private Tosh Hearne mit dem legitimen Egoismus des zwangsrekrutierten Bürgers jegliches Heldentum aus („Getting ourselves killed is not going to make any difference to anybody except us.“) – Caines Hearne hält einen verbitterten, nicht unweisen Monolog; aber Robertsons Lawson erzwingt den Gehorsam mit seinem Revolver. Es ist die klassische Konstellation, die zu Kriegsfilmen dazugehört wie das Mündungsfeuer oder die Schreie von Verwundeten: Die einfachen Soldaten verfluchen den gottverdammten Ort, an den sie das Schicksal und ihre gewissenlosen Vorgesetzten verschlagen hat; aber sie kämpfen weiter, weil sie überleben wollen. Auch Hearne und Lawson gelangen nach ihrem Streit zu keiner höheren Erkenntnis oder Moral, sondern verständigen sich auf eine nüchterne Überlebensstrategie: Nachdem sie dann den japanischen Kommandeur aus dem Hinterhalt erschossen haben, stehen nun sie vor dem Feld, auf dem sie erst wenige Tage zuvor beobachtet haben, wie die japanischen Scharfschützen ihre Kameraden erledigten. Wie Hasen auf der Treibjagd wetzen sie los, kreuzen immer wieder, um die im Gebüsch lauernden Japaner zu irritieren. Ein beeindruckes Schauspiel, auch noch zum Schluss dieses langwierigen, aber lohnenswerten Films.

Text verfasst von: Robert Lorenz