Filmtipp

Der Dialog (1974)

Kurzbeschreibung: Ein Abhörspezialist muss entscheiden, ob er seine Professionalität ethischen Erwägungen opfert. Francis Ford Coppola drehte diesen Film mit dem Geld, das ihm „Der Pate“ eingebracht hatte. Die manchmal skurrile Introspektion des Spionagemilieus ist aus heutiger Sicht ein Menetekel des Zeitalters digitaler Überwachung.

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Er ist der Beste von ihnen. Der Beste eines Mikrokosmos, in dem sich die Nerds eines eigentümlichen Berufszweigs tummeln: Abhörspezialisten. Auf Messen posieren die Abhörer mit merkwürdigen Eigenkreationen und prahlerischen Erzählungen, mit denen sie um einen möglichst hohen Rang in der Branchenhierarchie kämpfen – und sogar Frauen imponieren wollen. Wer sie engagiert, will heikle Informationen bekommen, zumeist geht es kriminell zu. Sie selbst reflektieren die moralische Dimension ihrer Profession nicht, sondern sehen in ihren Aufträgen lediglich Herausforderungen, mit deren technisch möglichst superber Bewältigung sie sich profilieren wollen. Die Motive ihrer Auftraggeber und die Tragweite ihrer Spionage hinterfragen sie bei all dieser Konzentration auf die Technik nicht.

Der Beste ist übrigens Harry Caul (Gene Hackman). Zusammen mit seinem zunehmend frustrierten Mitarbeiter Stan (John Cazale, der im selben Jahr in „Der Pate 2“ Michael Corleones illoyalen Bruder Fredo spielteInfo-Bubble: zum Anklicken für zusätzliches Filmwissen

Die Filme, in denen John Cazale (1935–78) mitspielte, gehören allesamt zu den großen Werken der Filmgeschichte – dennoch waren es bis zu seinem frühen Tod nur fünf: Neben den ersten beiden Teilen von „Der Pate“ und „Der Dialog“ waren dies „Hundstage“ (1975), über einen Bankraub, der in ein Desaster mündet; und das knallharte Vietnamkriegsdrama „Die durch die Hölle gehen“ (1978).

) hat er gerade ein Paar ausgehorcht, das sich offenbar von Cauls Auftraggeber (Robert Duvall, damals ebenfalls im „Der Pate 2“-Cast) lebensgefährlich bedroht fühlt. Die Konversation, die Caul abgehört hat, fand auf einem belebten Platz statt, weshalb er sich diesmal besonders intensiv mit den Aufnahmen beschäftigen muss. Beim endlosen Filtern der Tonbänder – Coppola zeigt diese Prozedur in quälenden Details – setzt sich der Spezialist allerdings auch mit deren Inhalt auseinander, nicht mehr nur der akustischen Qualität. Technokrat Caul gerät daraufhin erstmals in Gewissensnöte, will den Auftrag begraben und das Material vernichten. Doch der maliziös dreinblickende Adlatus (der junge Harrison Ford) des ominösen „Direktors“, dem Caul die Aufnahme eigentlich aushändigen soll, setzt ihn unter Druck. Caul wird nun selbst zum Abhörobjekt – eine völlig neue Erfahrung für den Paranoiker.

Regisseur Francis Ford Coppola, damals erst Mitte dreißig, hatte gerade mit dem Auftakt der „Der Pate“-Trilogie einen Welterfolg gelandet – und dadurch genügend Geld gesammelt, um endlich sein bereits 1966 geschriebenes Drehbuch zu „Der Dialog“ umzusetzen. Für „Der Dialog“ engagierte er aus der „Godfather“-Besetzung Cazale und Duvall, später drehte er dann mit Ford und Duvall „Apocalypse Now“ (1979).

„Der Dialog“ kam im Jahr nach der „Watergate“-Affäre in die Kinos, hatte damit aber nichts zu tun; die Zeit beschrieb ihn damals als „eine psychologische Fallstudie über die moralische Indifferenz moderner Technokratie“. Heute gewinnt der Film vor dem Hintergrund der NSA-Affäre eine völlig neue Aktualität. Zu Beginn des Films kann man dabei zusehen, wie eine Menschenmenge auf einem öffentlichen Platz völlig unbemerkt minutiös abgehört wird. Jeder Satz der lärmenden Kakophonie lässt sich später mit Filterapparaturen akkurat rekonstruieren und zu einem vollständigen Dialog zusammenführen (hier übrigens noch ganz ohne Computer). Kurz: Niemand kann dem Überwachungsradius der Profispitzel entrinnen, jegliche Privatsphäre ist potenziell aufgehoben, man erfährt nicht einmal davon, Opfer einer Ausspähaktion geworden zu sein. Gleichzeitig zeigt der Film auch das Schicksal der Abhörer, die im Falle von Harry Caul als paranoide Einzelgänger vereinsamen, sich niemandem anvertrauen und deshalb zu sozialen Beziehungen unfähig sind – so verliert Caul seinen Kollegen und seine Freundin. Am Ende bleibt ihm nur sein Saxofon.

Text verfasst von: Robert Lorenz