Filmtipp

Coma (1978)

Kurzbeschreibung: Mit dystopischem Unterton inszenierte „Jurassic Park“-Autor Michael Crichton am Ende der (ohnehin dystopisch gestimmten) Siebziger mit „Coma“ eine beklemmende Krankenhausfantasie.

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Eine abgrundtiefe Dystopie, das gekonnte Spiel mit menschlichen Urängsten, eine Kritik am Gesundheitssystem: Das alles ist „Coma“, gedreht von Jurassic Park“-Autor Michael Crichton, nach einer Vorlage des gleichnamigen Romans von Robin Cook aus dem Jahr 1977. Chrichton eröffnet seinen Film mit einem dieser Beziehungsstreits über Nichtigkeiten des Alltags, die den Streitenden im Nachhinein peinlich sind. Eine Frau und ein Mann, beide aufstrebende Nachwuchsärzte mit erdrückender Arbeitsbelastung, angestellt im selben Großstadt-Hospital – gespielt von Geneviève Bujold und Michael Douglas (noch ganz am Beginn seiner Filmstar-Karriere) – sind vom jeweils anderen einfach nur genervt.

Geneviève Bujold als Doktor Wheeler, im Beisein mit mehreren Kolleg:innen, bei der Visite am Krankenbett eines Patienten.
Blick in einen Krankenhausraum voller Arbeitsplätze mit Computern auf dem technischen Stand der 1970er Jahre, eine Ärztin unterhält sich mit einem Kollegen.

Obwohl typische Konflikte einer Arbeitswelt, in der die überkommenen Rollenmuster gesprengt worden sind, beschrieben werden, ist „Coma“ kein Film über die Work-Life-Balance gleichberechtigter Beziehungspartner:innen; „Coma“ spielt sich fast vollständig in den Kunstlicht-gefluteten Krankenhaustrakten des Boston Memorial ab und konfrontiert seine Zuschauer mit den düsteren Seiten des großstädtischen Klinikbetriebs – allerdings in einer beträchtlich düstereren Art, als dies The Hospital ein paar Jahre zuvor getan hatte. Susan Wheeler (Bujold) bemerkt eine Serie von Patiententoden – obwohl es sich um Routineoperationen handelte, fielen die Betroffenen ins Koma und verstarben kurz darauf. Als auch eine enge Freundin (gespielt vom späteren „Bond-Girl“ Lois Chiles) verstirbt, stellt Wheeler eigene Recherchen an. Sie findet heraus, dass sich die Komafälle in ihrer Klinik zwar statistisch normal verhalten, aber auffällig häufig im „O. R. 8“ auftreten.

Die Entdeckung reißt sie aus ihrer stoischen Routine und von den abweisenden Statements ihrer Vorgesetzten fühlt sie sich nur noch darin bestärkt, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Richard Widmark spielt den Meisterchirurgen und Chefarzt Harris, dessen Bürowand mit Diplomen und Zertifikaten tapeziert ist und der nur noch selten am Operationstisch steht, stattdessen mit Senatoren konferiert, um sich um die „politics“ des Krankenhauswesens zu kümmern. Das Schöne an Widmark: Weil er mit seiner Miene blitzschnell zwischen väterlich und diabolisch umschalten kann, weiß man zunächst nicht, ob er für Wheeler ein Verbündeter oder eine Bedrohung ist (in kleinen Nebenrollen sind Ed Harris mit seinem Leinwanddebüt als Pathologe und Tom „Magnum“ Selleck als verletzter Sportler zu sehen).

Richard Widmark als Chefarzt mit stoischer Miene an seinem Schreibtisch, Wheeler sitzt ihm mit dem Rücken zur Kamera gegenüber.
Klaustrophobische Szene: Blick von oben in der Ecke eines großen Gebäudes; am mehrere Etagen unterhalb liegenden Boden blickt Wheeler herauf.

Chrichton lädt Wheelers unnachgiebige Schnüffelei mit reichlich suspense auf und lässt die Krankenhaustrakte zu einem ungemein bedrohlichen Ort werden. Noch gesteigert wird dies durch das ominöse Jefferson Institute, auf das Wheeler stößt: einen dumpfen, abgelegenen Betonkomplex, in den die Komapatienten gebracht werden und der von außen nahezu menschenleer wirkt. Dort aber spielt sich der sinistere Kern des Films ab, den Chrichton mit Bildern inszeniert, die noch heute unbehaglich stimmen, damals umso schockierender gewirkt haben dürften.

Blau ausgeleuchtete Szene in einem Kliniksaal, in dem sich eine Gruppe Ärzt:innen um einen an dünnen Seilen herabhängenden Patienten versammelt haben.

Coma“ berührt eine empfindliche Stelle der modernen Gesellschaft: den Umgang mit hirntoten Komapatienten, die nur mutmaßlich verloren sind, aber das Effizienzsteigerungsgebot eines überlasteten Krankenhausbetriebs und die ethischen Grenzen der Medizin strapazieren. Was „Coma“ zeigt, könnte durchaus real sein, könnte sich jederzeit als beklemmende Begleiterscheinung eines kommerzialisierten Gesundheitswesens in die Gesellschaft einschleichen. „Coma“ verdeutlicht aber auch die Folgen eines medizinischen Eingriffs, bei dem sich die Patienten vollkommen ihren Ärzten ausliefern – Mechanismen und Routinen, die sie nicht kennen, Fachwissen, das sie nicht beurteilen können, blindes Vertrauen also. Unheimlich ist aber auch die Geschwindigkeit, mit der ein skeptisches Individuum wie Dr. Wheeler urplötzlich in seinem Umfeld isoliert wird, Freund und Feind ebenso wenig zu unterscheiden sind wie Realität und Imagination. Kurz: „Coma“ ist zwar schon Jahrzehnte alt, aber seine Aktualität und Brisanz hat er nicht verloren.

Text verfasst von: Robert Lorenz