Britisches Serienjahr 2014
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„The Crimson Field“ lenkt den Blick auf die Geschehnisse hinter den Fronten des Ersten Weltkriegs. Gezeigt wird der Alltag in einem britischen Lazarett im Rücken der Westfront dieses Waffengangs, dessen gigantische Materialschlachten ein neues Ausmaß von Krieg bedeuteten. In dem Feldhospital, das mit dem Frontgeschehen durch einen unablässigen Strom von Verwundeten verbunden ist, muss das Personal, wie in jedem anderen Betrieb auch, zwischenmenschliche und moralische Konflikte austragen, sich trotz mangelnder Vorbereitung ständig wachsenden Herausforderungen stellen und wird mit den furchtbaren Resultaten eines industrialisierten Kriegs konfrontiert. An den unterschiedlichen Behandlungsfällen lassen sich zudem Vielfalt und Tragik persönlicher Einzelschicksale ermessen, die sonst oft untergehen in den kollektiven Verlustberichten jener Zeit.
Auch „37 Days“ gehört zum televisionären BBC-Beitrag zum das Gedenkjahr 2014. Einhundert Jahre nach dem fatalen Kriegsbeginn 1914 schildert diese dreiteilige Miniserie, wie innerhalb weniger Wochen den Politikern und Diplomaten die Kontrolle über ein eigentlich regionales Ereignis entglitt, eine Verkettung politischer Führungsfehler die komplizierten Mechanismen eines verworrenen Bündnissystems auslöste und schließlich zum Kriegsausbruch führte. Dazu werden abwechselnd die Geschehnisse in den europäischen Regierungszentralen rekonstruiert, werden die Staatenlenker bei der Verrichtung ihres politischen Handwerks gezeigt.
„The Passing Bells“ wiederum begibt sich im Unterschied zu The Crimson Field“ und „37 Days“ unmittelbar in die Schützengräben der West- und auf die Schlachtfelder der Ostfront. Abwechselnd begleitet diese international produzierte Miniserie einen deutschen und einen britischen Soldaten auf deren Weg in den Krieg. Während die Daheimgebliebenen um das Überleben ihrer Söhne, Brüder und Ehemänner bangen, müssen die beiden Männer sich gemeinsam mit ihren Kameraden im Kugel- und Granathagel der brutalen Gefechte behaupten. Eindringlich schildern die Episoden das entbehrungsreiche Leben in jener Zeit und geben einen Eindruck von den unermesslichen Traumata, die dieser Konflikt hervorgerufen hat; wenngleich manche Szenen etwas weniger Pathos vertragen hätten.
„Fleming“ befasst sich mit dem Werdegang des späteren James-Bond-Erfinders Ian Fleming. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eröffnet dem Briten die Chance, dem militärischen Geheimdienst sein Talent für originelle Ideen und Konzepte zur Verfügung zu stellen. Während der Schriftsteller davon träumt, selbst als Agent hinter den feindlichen Linien Heldentaten zu vollbringen, ersinnt er an seinem Londoner Dienstschreibtisch mithilfe seines Einfallsreichtums und viel Fantasie kühne Pläne, die deutsche Kriegsmaschinerie zu sabotieren. Die Serie zeigt viele von Flemings Erlebnissen – und unerfüllten Wünschen –, die später in die Bond-Romane eingeflossen sind und die Vorlage bilden für einen der berühmtesten Charaktere der Filmgeschichte.
Mit sympathischer Glaubwürdigkeit porträtiert Sheridan Smith in dieser Miniserie die 2015 verstorbene Entertainerin Cilla Black. „Cilla“ schildert den Werdegang der 1943 geborenen Frau, die sich als Tochter des britischen Kleinbürgertums in den Swinging Sixties zur gefeierten Sängerin aufschwang. „Cilla“ zeigt, wie einer ambitionierten Frau mit Hartnäckigkeit, autodidaktisch geschulter Stimme und der Hilfe von „Beatles“-Manager Brian Epstein ein fulminanter Aufstieg zur Starentertainerin gelingt – und das alles mit dem stimmungsvollen Flair des Englands der 1960er Jahre.
Mit „The Game“ taucht man ab in die klandestine Welt des Geheimdiensts der frühen 1970er Jahre. Mitten im Kalten Krieg stoßen Agenten des britischen MI 5 auf eine rätselhafte Operation des sowjetischen KGB, die das Gleichgewicht der Kräfte im globalen Wettstreit zweier Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme ultimativ bedroht. Eine eilig einberufene Taskforce ermittelt nun hektisch in den Straßen Londons, um die ominösen Pläne des KGB zu vereiteln.
„The Driver“ erzählt die Geschichte eines Taxifahrers in Manchester, der seinem deprimierenden Alltag zu entfliehen versucht, indem er sich neben seinem offiziellen Job in den Dienst eines Unterweltbosses stellt – und fortan Bestandteil einer kriminellen Logistik ist. Der anfängliche Thrill des Außergewöhnlichen und die dicken Bargeldbündel täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass sich dieser Schritt für den englischen Mittelschichtmann mit seinem Anspruch an ein rechtschaffenes Leben schnell als schrecklicher Fehler mit dramatischen Konsequenzen erweist.
Um Potenziale und Grenzen von Social Media und der damit verbundenen Transparenzkultur geht es in „Babylon“, das in Großbritannien viel Aufmerksamkeit erregt hat, weil sich Kultregisseur Danny Boyle hinter das Projekt geklemmt hatte. Die eigentlichen Köpfe hinter „Babylon“ sind allerdings die Drehbuchautoren Jesse Armstrong und Sam Bain, die mit satirischen Erfolgsformaten wie „The Thick of it“ oder „Peep Show“ auf der Insel längst als „Kings of Comedy“ firmieren. In „Babylon“ engagiert der Londoner Polizeichef für viel Geld eine amerikanische Social-Media-Expertin, die das ramponierte Image der Traditionsinstitution aufbessern soll. Während sie sich mit visionären Plänen für eine völlig neue Art der Behörden-Kommunikation gegenüber einer notorisch kritischen Öffentlichkeit trägt, muss sie kleine und große Skandale in den Griff bekommen. Die sieben Episoden der Miniserie sind wunderbar zynisch, mit vielen wortwitzigen Dialogen und originellen Kameraperspektiven garniert.
TextRobert Lorenz
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