The Driver (2014)
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Vince McKee (David Morrissey) hat in seinem Leben viele Fehler gemacht. Einer davon berührt die Beziehung zu seinem Sohn Tim (Lewis Rainer), oder genauer: die einseitig erloschene Beziehung. Von Tim zeugen nur noch ein paar Kartons in der Gartenhütte und das verlassene, seitdem unberührte Zimmer im Haus. Denn Tim hat seine Familie verlassen, ist geflüchtet und ist nun in einem Gebäude irgendwo außerhalb von Manchesters Stadtgrenzen. Dort lebt er in einer Gemeinschaft von Menschen, die mit ihren Angehörigen radikal gebrochen und sich abgesetzt haben – eine Art Sekte, in der jemand wie Vince nur noch als der „birth father“ firmiert. Einmal wird Vince, getrieben von tiefer Verzweiflung, dorthin fahren und nach seinem verlorenen Sohn suchen. Doch das ist in den drei Episoden von „The Driver“ nur ein Nebenschauplatz, die eigentliche Handlung ist eine andere.
Denn Tim ist nur ein Element in dem Komplex zahlloser Probleme, mit denen sich der Familienvater belastet sieht. Auch ohne den Bruch mit dem Sohn wäre der Taxifahrer Vince unglücklich. Die Beziehung zu seiner Frau Ros(alind) (Claudie Blakley) ist leblos, unterkühlt, gelegentlich begegnen sich die seit Langem Verheirateten im gemeinsamen Haus, ein Austausch über Probleme oder gemeinsames Lachen – all das ist nach einer schieren Ewigkeit der Ehe verschwunden. Ros hat zudem den größeren beruflichen Erfolg: Im Wohnzimmer empfängt sie kleine Gruppen zu Marketing-Gesprächen; ihre Freizeit verbringt sie auf dem Laufband, um für ihre Marathons zu trainieren. Und Tochter Katie (Sacha Parkinson) ist im anstrengenden Teenageralter, in dem sie Beziehungsprobleme hat und sich von ihren Eltern schlecht behandelt fühlt.
Das ist das familiäre Klima, das Vince bedrückt. Jeden Tag aufs Neue spürt er, der sich leidlich mit einem harten Job über Wasser hält, dass Frau und Tochter ihn nicht respektieren. Und dann ist da ja noch immer die Sache mit dem Sohn, an dessen Flucht er in den Augen seiner Frau auch noch die Schuld trägt. In diesem psychologischen Klima wiegen die Fährnisse des Taxifahreralltags natürlich umso schwerer. Ein Kunde kotzt ihm auf die Rückbank, zwei junge Frauen, die er solidarisch nicht im Regen stehen lässt, klauen ihm am Ende der Fahrt die Einnahmen und für einen älteren Mann muss er dessen Urinbeutel ausleeren. Vince ist depressiv, doch die Ärztin will ihm keine Medikamente verschreiben, weil ihm in dem betreffenden Index noch ein Punkt fehlt – auch das also eine weitere Frustration, auch mit diesem Ansinnen gescheitert zu sein.
Dann verändert ein Anruf sein Leben. Am anderen Ende der Leitung ist sein alter Kumpel Colin (Ian Hart). Der ist gerade aus dem Knast entlassen worden und steht vor einem Pub, an dem er sich von Vince abholen lässt. Die beiden fahren in das Haus der McKees, trinken Bier, reden. Ros will den Ex-Sträfling aber nicht in ihrem Haus haben, Vince versteckt ihn für eine Nacht im Gartenhaus, aber am Ende muss Colin doch gehen. Obwohl der ein typisch englischer Unterschicht-Rüpel ist, hat er ein Gespür für die Probleme und Bedürfnisse des unglücklichen Taxifahrers.
Bald schon nimmt er ihn mit und macht ihn mit einem Mann bekannt, den alle nur „The Horse“ nennen. Der wohnt auf einem abgeriegelten Grundstück, umgibt sich mit ungemein geschmacklosem Mobiliar, bezeichnet sich als Student der Philosophie – nur weil er aus einem Buch der schlauen Sprüche rezitieren kann – und beschäftigt eine Schar übler Typen, die außerhalb dieses Hauses nie wieder so höflich sind, wie sie darin den Kaffee servieren. „The Horse“ sucht einen Fahrer – für was, verrät er natürlich nicht. Aber freilich besteht für Vince kein Zweifel, dass die Geschäftspraktiken dieses Mannes der Unterwelt von Manchester hochgradig illegal sind. Trotzdem nimmt er an.
Fortan muss Vince, wann immer sein separates Handy klingelt, den behäbigen Honda-SUV des Taxiunternehmens gegen einen flotten 3er BMW tauschen und „The Horse“ und dessen Handlanger durch die Gegend kutschieren. Sein neuer zweiter Chef ist kriminell – „Na und?“, denkt sich Vince und genießt den Thrill, in einer rabiaten Verfolgungsjagd die Polizei abzuhängen, mysteriöse Koffer und Taschen zu transportieren. Dafür hat er jetzt das Geld – „The Horse“ bezahlt großzügig –, um seiner trotzigen Tochter die geforderten Fahrstunden zu bezahlen und dadurch ihre Sympathie und ihren Respekt zu gewinnen.
Aber natürlich hält diese Phase nur kurze Zeit an. Schnell erweisen sich die häufigen Anrufe des mutmaßlichen Gangsters für Vince als arge Belastung seiner Work-Life-Balance und seines eigentlichen, offiziellen Jobs. Und im Gegensatz zu seinem Freund Colin ist Vince kein skrupelloser Verbrecher, der zusieht, wie „The Horse“ über Leben und Tod anderer Menschen richtet.
„Only sometimes you have to drive a bit faster.“ Mit diesem Satz stimmt „The Horse“ seinen neuen Fahrer auf die künftige Arbeit ein. Die stellt aber keineswegs einen Großteil der Szenen dar, „The Driver“ ist keine Action-Serie. Vielmehr geht es hier um den tristen Alltag einer Durchschnittsfamilie, deren Mitglieder sich in unterschiedlichem Ausmaß auseinander gelebt haben – eine Alltagsgeschichte der britischen Gesellschaft. Einer ihrer Angehörigen erliegt dann spontan der Versuchung, sich aus dem Alltagstrott zu befreien – und leidet nur kurze Zeit später unter dieser Entscheidung für den illegalen Eskapismus.
Was die Serie außerordentlich stark macht, sind ihre gebrochenen Figuren und v.a. deren Darstellerinnen und Darsteller. David Morrissey spielt diesen Mann, der ständige Erniedrigungen erträgt und unter dem Verlust seines Sohnes leidet, sich zugleich aber in den Dienst eines Verbrechers stellt, sehr glaubwürdig und mitleiderregend. Er ist hier ganz anders als der vor Selbstbewusstsein und Tatendrang strotzende Spielhallenbetreiber, den er vor über zehn Jahren in „Blackpool“ (2014) verkörpert hat. Stark ist aber auch Ian Hart als Kleingangster Colin Vine, der notorische Unglücksrabe, der auf der Suche nach Geld und Anerkennung immer wieder im Drogen- und Gewaltmilieu landet, sich dabei aber stets viel von einem Kleinbürger bewahrt hat. Überzeugend ist auch der Ire Colm Meaney als „The Horse“, der kraft seiner Statur und seines beleibten Gesichts vor allem mit seiner Augenpartie spielt und diese dubiose Figur des Chefgangsters greifbar macht
Colm Meaney war u.a. zwischen 1987 und 1999 in den beiden Serien „Star Trek: The Next Generation“ und „Star Trek: Deep Space Nine“ in der Rolle des Chief O’Brien zu sehen.
. Schade also, dass „The Driver“ nach drei Folgen bereits zu Ende ist.
TextRobert Lorenz
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