Filmtipp

Bell, Book and Candle (1958)

Kurzbeschreibung: In diesem Film dient Hexerei allein der sexuellen Verführung: Eine junge New Yorkerin besitzt übersinnliche Kräfte, mit denen sie kleine Dinge des Alltags manipuliert. Eines Tages verzaubert sie ihren Nachbarn und zwingt ihn damit zu einer Liebesaffäre.

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Im gleichnamigen Broadway-Stück spielten 1950 Rex Harrison und seine damalige Frau Lilli Palmer die Hauptrollen. Das Gros der Repliken auf die Hollywood-Fassung gelangte später zu dem etwas paradoxen Konsens, dass es kein sonderlich gutes, dennoch sehenswertes Stück sei. Und tatsächlich bezieht es seinen Charme vor allem aus der Besetzung. Besonders Kim Novak tat es offenkundig den Kritikern an, wie eine Passage aus dem Spiegel vom Januar 1995 illustriert: „Die schöne Kim Novak möchte James Stewart verführen, doch der Mann bemerkt sie nicht einmal, ignoriert ihre Kurven, übersieht ihr Lächeln; er muß krank sein oder schwer gestört, denn als Zuschauer meint man manchmal, man müsse eine Sonnenbrille aufsetzen, um sich vorm Strahlen dieser Frau zu schützen.“

Worum es geht: James Stewart – dieses inkarnierte Ideal des braven, aufrichtigen Durchschnittsamerikaners – spielt den Verleger Shepherd „Shep“ Henderson. Aus einer Laune heraus verhext ihn die mit übersinnlichen Kräften ausgestattete Gillian „Gil“ Holroyd (Novak), die im New Yorker Greenwich Village einen kleinen Laden für afrikanische Kunstgegenstände betreibt. Unter dem Hexenbann sagt Henderson seine Hochzeit ab und verliebt sich in Holroyd – aus dem anfänglichen Spiel wird Ernst, als auch die Hexe sich in ihr ahnungsloses Opfer verliebt.

„Bell, Book and Candle“ war der erste Film, den Novak nach „Vertigo“ (ebenfalls 1958), dem Zenit ihrer Schauspielkarriere, drehte. Und wieder mit James Stewart, diesmal jedoch mit einer radikalen Genre-Kehrtwende: vom tragischen Mystery-Thriller zur beschwingten romantischen Komödie. Gemeinsam haben beide Filme allerdings, dass der enorme Altersunterschied des Filmpaares – 25 Jahre – kaum auffällt. Zu Novaks Geburt im Jahr 1933 spielte der 1908 zur Welt gekommene Stewart bereits in kleinen Rollen am Broadway und stand kurz vor seinem ersten Vertrag beim Hollywood-Giganten MGM. Dass dieser Umstand anschließend von etlichen Kritikern angemerkt worden ist, muss Stewart so mitgenommen haben, dass „Bell, Book and Candle“ dann auch sein letzter Film war, in dem es um die amouröse Beziehung zu einer Frau geht. Seine folgenden Rollen sollten altersangemessener sein, so Stewarts konsternierte Schlussfolgerung.

Harry Cohn, der berüchtigte Studioboss an der Spitze der Columbia, baute damals die Novak zur Nachfolgerin von Rita Hayworth in der Funktion des unwiderstehlichen Superstars, der alles überstrahlenden Galionsfigur des Studios auf. Hiermit hatte er u.a. den Regisseur Richard Quine betraut. Mit ihm als Hollywood-Film-Mentor drehte Novak 1954 „Pushover“, nach „Bell, Book and Candle“ folgten in kurzen Abständen „Strangers When We Meet“ (1960) und „The Notorious Landlady“ (1962). Die beiden verliebten sich ineinander, aber Novak ließ Quine sitzen – offenbar scheute sie sich vor diesem verbindlichen Schritt –, worunter Quine wohl noch Jahrzehnte lang gelitten hat. Mit dem Wissen um diese Affäre erklärt sich vielleicht auch die häufige Kamerafixierung auf Novaks freiliegenden Rücken, die ebenfalls in „Strangers When We Meet“ auffällt.

Eine Art Nebenrolle hat eine Siamkatze, mit der Hexe Gillian im Bunde steht (und die beim Miauen nie ihre Schnauze bewegt). Ihr mysteriöser Name, Pyewacket, verbreitete sich aufgrund des Films eine Zeitlang in zahlreichen Haushalten als Katzenname.

In einer weiteren Nebenrolle tritt der drei Jahre zuvor mit einem „Oscar“ (1955 für die beste Nebenrolle in „Mister Roberts“) ausgezeichnete Jack Lemmon als Hexer auf, der seine magischen Fähigkeiten mit Vorliebe einsetzt, um Frauen zu verführen oder durch das Abschalten von Ampeln heilloses Verkehrschaos zu stiften. Mit Novak und Quine drehte er später noch einmal: 1962 „The Notorious Landlady“.

In einer Szene befinden sich Hexe Gillian und ihr magisch-manipulierter Liebhaber Shep auf dem Dach des ikonischen New Yorker „Flatiron Building“ an der 5th Avenue, als Shep aus romantischem Übermut kurzerhand seinen Hut über die Brüstung wirft. Anschließend verfolgt die Kamera die Reise des Accessoires entlang des 21-stöckigen, fast 100 Meter hohen Gebäudes.

Ein weiteres Highlight verbirgt sich nicht im Film selbst, sondern in dessen Original-Trailer. Dort legen sich – wohlgemerkt im Jahr 1958 und in den USA – die Textzeilen: „… A very bewitching comedy – On a very enchanting subject… – …sex…“, über einen Ausschnitt, in dem die Kamera gerade über die offensichtlich einem Liebesakt entgegenküssenden Hauptcharaktere hinweg gleitet. Diese Freizügigkeit setzt sich auch in den Filmplakaten fort, auf denen Stewart und Novak sich auf einer Récamiere küssend, aber noch vollständig bekleidet in den Armen liegen, was mit dem Spruch „Getting here is half the fun …“ kommentiert wird.

Text verfasst von: Robert Lorenz