Che! (1969)
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Die Produzenten von Biopics stehen zunächst immer vor der zweifachen Herausforderung, nicht nur gute, sondern auch physiognomisch passende Darsteller für die Rollen zu finden. In „Che!“ ist das auf ebenso verblüffende wie beeindruckende Weise gelungen: Omar Sharif (1932–2015) und Jack Palance (1919–2006) geben eine überzeugende Imitation ihrer realen Rollenvorlagen Ernesto Guevara und Fidel Castro ab – das alleine macht „Che!“ bereits zu einem sehenswerten Film.
Zwangsläufig stellt ein knapp 100 Minuten langes Stück die Lebensgeschichte seines Protagonisten verkürzt und oberflächlich dar. Aber die Zuschauer können hier durchaus eine Vorstellung gewinnen von der Radikalisierung, die der junge argentinische Arzt Guevara in der Rebellentruppe des Guerillaführers Castro vollzog. Vom asthmageplagten Sanitäter entwickelt er sich während des Feldzugs (1956–58) zum engstirnigen Ideologen und maschinenpistolenbewehrten Kämpfer „Ché“. Gezeigt werden die gewaltsamen Streifzüge durch den kubanischen Dschungel, die Übernahme der Staatsgewalt in der Hauptstadt Havanna nach dem Sieg über den Diktator Batista (1959) bis hin zu Guevaras Tod in Gefangenschaft der bolivianischen Armee 1967.
Augenscheinlich sollen die kontroversen Charakteristika dieser historischen Figur offengelegt werden: So sieht man am Anfang den unbewaffneten Arzt, der die tödlichen Kampfhandlungen lieber seinen Mitstreitern überlässt. Aber dann beteiligt sich Guevara an den Gefechten, seine Metamorphose vom Heiler zum Partisan symbolisiert der furchtlose Wurf eines Molotowcocktails auf eine Hütte, mit der er seine Feinde in Brand setzt. Anschließend sieht man den weltanschaulichen Dogmatiker vor seinen Kameraden dozieren, unbarmherzig schießt er vermeintlichen Verrätern in den Kopf; später, an der Macht angelangt, ordnet er ungerührt Massenexekutionen an und will am liebsten an der Seite der sowjetischen Genossen unter dem Banner des Antikapitalismus einen Atomkrieg mit den USA riskieren. Nachdem sich die beiden bärtigen Revolutionsführer Castro und Guevara entfremdet haben und letzterer sich als Minister als unfähig erweist, im bürokratischen Regierungsalltag zu bestehen, zieht er mit einer Truppe erneut los – diesmal in einen selbst proklamierten Freiheitskampf nach Bolivien, um die dortige Bevölkerung zum Sturz ihrer Regierung zu bewegen. Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, das für Ché und seine Gefährten in einem Debakel endet.
Auch wenn der Film bei zeitgenössischen Kritikern nicht so gut wegkam: „Der fettäugige Omar Sharif trägt Bart und Barett des marxistischen Märtyrers – grausamer konnte das Yankee-Kino sich an Che nicht rächen (Regie: Richard Fleischer). Billiger ist auch die südamerikanische Revolutionsbewegung noch nicht verkauft worden.“
(Der Spiegel, 30.06.1969) „Che!“ ist eine Geheimalternative zum großen Konkurrenzwerk von Regisseur Steven Soderbergh und seinem Hauptdarsteller Benicio del Toro aus dem Jahr 2008 („Che“).
Bescheidene revolutionäre Anwandlungen zeigte Omar Sharif zuletzt selbst: In der selbstbewussten Überzeugung, der berühmteste Araber der Welt zu sein, ging er 2011 während des Aufstands gegen den ägyptischen Autokraten Husni Mubarak auf die Straße und solidarisierte sich vor laufenden Kameras mit den Demonstranten; als einer der ersten öffentlichkeitswirksamen Persönlichkeiten seines Landes forderte er die amtierende Regierung zum Rücktritt auf.
TextRobert Lorenz
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