Havana (1990)
Social-Media-Optionen
Jack Weil (Robert Redford) ist einer dieser abgebrühten Typen. Nonchalant zückt er ein Geldbündel, um die Polizisten zu bestechen, die ihn wegen einer Waffe befragen; mit dem Grinsen des Spielers, der um seine Überlegenheit weiß, nimmt er beim Poker in der Kabine den Schiffskapitän aus, mit dem er gerade nach Havanna reist. In der kubanischen Hauptstadt will das Kartenass Weil ein Pokerspiel der ganz großen Art organisieren, will betuchte Männer an den Tisch locken, denen der Verlust hoher Summen gleichgültig ist und mit deren kleiner Abenteuerfreude er seine Taschen füllen will.
Auf der Schiffspassage trifft er Roberta (Lena Olin), eine schöne, geheimnisvolle Frau, die ihm Geld anbietet, damit sie vor der Ankunft im Hafen ihre an Bord verstauten Fahrzeuge tauschen – offenbar eine Schmugglerin. Das Mysterium um die Frau wird größer, nachdem sie sich als Gattin des charmanten Revolutionärs Arturo Duran (der Puerto Ricaner Raul Julia, der ein Jahr später den Familienvater der makabren „Addams Family“ spielt) entpuppt hat – und das Rebellenpaar plötzlich inhaftiert wird. Jacks Zuneigung zu der verführerischen Castro-Anhängerin ist inzwischen groß genug, dass er trotz seines Desinteresses an den politischen Geschehnissen beschließt, ihr zu helfen. Die Idee des lukrativen Showdowns am Kartentisch hat er freilich nicht aufgegeben.
Das Revolutionsthema des Films lädt naturgemäß zu pathetischer Inszenierung ein – und Regisseur Sydney Pollack (1934–2008), der mit seinem Hauptdarsteller Redford schon seit den Sechzigern Filme gemacht hat (u.a. 1966 „Dieses Mädchen ist für alle, 1972 „Jeremiah Johnson“), nimmt diese Einladung gerne an: Als während der Neujahrsfeierlichkeiten die Nachricht von Batistas Flucht ins Exil vermeldet wird und Havannas Bevölkerung mit „Fidel“-Bannern und „Cuba libre!“-Rufen auf die Straßen stürmt, erklingen elegische Orchestertöne und Roulettetische gehen als Symbole überwundener Dekadenz in Flammen auf. Pollack, der mit Redford insgesamt sieben Filme drehte, unterläuft dabei aber trotzdem keine überzeichnete Stimmungsfarce.
„Havana“ präsentiert gleich eine ganze Reihe vermeintlich typischer Figuren jener Zeit: Da ist der schwerreiche Casino-Besitzer Meyer Lansky (Mark Rydell), der seine finanzielle Macht weit über der politischen Macht wähnt und sich beschwert, dass seine Forderungen an die Regierung nicht befolgt würden, obwohl er diese doch mit Geld versorgt habe; inmitten des nächtlichen Trubels bieten Frauen erotische Dienste an; in den Gefängnistrakten schleichen karrierefixierte Folterknechte umher, deren Loyalität zum Regime allein auf ihrer Aufstiegserwartung gründet; da sind einflussreiche Bürokraten, die in der Ausweglosigkeit eines kollabierenden Systems für ein komfortables Exil alles zu tun bereit sind; und selbstverständlich die idealistischen Märtyrer, die jederzeit den Tod dem Verrat an der Idee vorziehen würden.
Natürlich, und auch nicht zufällig, erinnert all das an die Hollywood-Ikone „Casablanca“ aus dem Jahr 1942: an das brisante politische Umfeld, an korrupte Behörden und gewissenlose Beamte, an das Regimegegnerpaar Victor Laszlo und Ilsa Lund, an den unglücklich verliebten Einzelgänger Rick Blaine – nur ein Sam-Pendant am Klavier fehlt dann doch. Dabei gerät „Havana“ weder zu einem gleichrangigen Filmklassiker noch zu einer billigen Kopie; wenngleich Redford und Olin nicht an die Aura von Bogart und Bergman heranreichen – aber wer könnte das schon?
TextRobert Lorenz
: