Die Todesfalle (1968)
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Bryan Forbes’ Thriller ist ein Ästhetik-Film. Und er ist ein Michael-Caine-Film. Selten haben die Sechziger so gut ausgesehen, nie wieder machte der britische Leinwandgigant Caine eine so coole Figur wie hier. So wie „Die Todesfalle“ hätten die „Bonds“ jener Zeit aussehen müssen: Kamera und Musik bewirken eine unendlich tolle Atmosphäre, die allein bereits den Film sehenswert macht. Das beginnt schon mit dem Intro, in dem Shirley Bassey mit ihrer unvergleichlichen Stimme die Lautsprecher erzittern lässt, ehe uns die Kamera in die idyllische Fauna von Manacor auf Mallorca versetzt.
Dort lässt sich der Brite Henry Clarke (Caine) in einer Entzugsanstalt von schönen Frauen massieren, um anschließend ein Sonnenbad zu nehmen; freilich ist Clarke kein Alkoholiker, sondern horcht dort ein potenzielles Opfer aus. Denn Clarke ist von Beruf Dieb, einer, der die Reichen und Schönen bestiehlt. In der Klinik bekommt er überraschenden Besuch: Eine –nbsp;natürlich geheimnisvollenbsp;– Frau, Fé Moreau (Giovanna Ralli), und deren Gatte Richard (Eric Portman in seinem letzten Film) wollen Clarke überzeugen, mit ihnen gemeinsam einen ganz großen Coup durchzuführen.
Es liegt in der Natur des notorischen Womanizer und Juwelenräubers Clarke, dieses Angebot nicht auszuschlagen. Zusammen mit den Moreaus macht er sich an die Planung der Raubaktion –nbsp;die verlangt allerdings, solch immense Sicherheitsvorkehrungen auszutricksen, dass sie selbst für Clarke ein ambitioniertes Unterfangen ist. Um für den großen Schlag zu trainieren, wollen sie zunächst einen Safe in einem ähnlich großen Anwesen knacken. Bis es zum finalen Akt kommt, praktizieren Clarke und Fé im Schatten der balearischen Steineichen ein Dolce Vita par excellence. Im offenen Jaguar „E-Type“ brettern sie durch die mallorquinische Landschaft, planschen im Mittelmeer und verbringen schweißgebadete Liebesnächte. Und natürlich ist Richard Moreau mit der Affäre seiner Frau nicht ganz einverstanden – nbsp;jedenfalls nicht in diesem Ausmaßnbsp;–, zumal ihn eine düstere Vergangenheit plagt.
Viel zum Ambiente von „Die Todesfalle“ trägt Gerry Turpins Kameraführung mit ihren experimentellen Perspektivwechseln bei. Stets befindet sich die Linse an ungewöhnlichen Punkten, filmt die Charaktere aus der Distanz, zeigt halb verdeckte Gesichter, liegt am Boden, lugt unter dem Schreibtisch hervor oder verbirgt sich im Geäst. Die Zuschauer werden zu Spitzeln, zu Voyeuren. Die eindrucksvollste Szene des Films zeigt in abwechselnden Bildern den Tresorraub und das parallel stattfindende Konzert der Villa-Eigentümer, die von Clarke und den Moreaus bestohlen werden. Forbes lässt uns hin und her springen: Während dieser Sequenz, die allein ganze 23 Minuten dauert und in der fast kein Wort gesprochen wird, muss Clarke die Wachhunde überwinden, steile Wände erklimmen und die Alarmanlage deaktivieren (die Filmkulisse, der Palacio denbsp;Marrivent auf Mallorca, ist mittlerweile die Sommerresidenz des spanischen Königs); währenddessen spielt irgendwo in der Stadt das Orchester (dirigiert vom Filmkomponisten John Barry, der auch die Filmmusik schrieb), dessen Auftritt den knappen Zeitrahmen für den Diebstahl vorgibt (die brillanten Gitarrensoli während des Konzerts spielt die katalanische Virtuosin Renata Tarragó).
Ehe die reiche Gesellschaft in ihrer weißen Limousine heimkehrt, muss sich das Trio aus dem Staub gemacht haben. Mit der Seelenruhe des ultimativen Profis bereitet sich Caines Clark vor, strafft sein Seil, legt sich das Diebes-Geschirr um und streift sich die filigranen Handschuhe über. Aber wie gesagt, das ist nur der Testlauf.
Henry Clark, ein charmanter Mittdreißiger, ein unwiderstehlicher Frauenheld, ist jemand, der anderes im Leben tun könnte, als Leute zu bestehlen. Aber Clarke ist besessen vom Juwelenraub, ständig auf der Suche nach dem thrill extremer Gefahr, dem innerlichen Triumphgefühl, ein als absolut sicher geltendes System zu überlisten. Dann die Moreaus, die ihre Ehe nicht infrage stellen, obwohl sie sich gegenseitig betrügen: progressiv oder zerstörerisch? Und Richard Moreau, dessen sympathischer Auftritt jederzeit von seiner geheimnisvollen Vergangenheit überschattet werden kann. Aber das alles ist zweitrangig, denn „Die Todesfalle“ ist kein narratives, sondern ein audio-visuelles Erlebnis.
TextRobert Lorenz
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