Filmtipp

Der Mackintosh-Mann (1973)

Kurzbeschreibung: Anders als die meisten von John Hustons Filmen verschwand „Der Mackintosh-Mann“ in der kinohistorischen Versenkung – zu Unrecht.

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Eine konventionelle Story mit Starbesetzung, denkt man sich: Der schon damals unsterblich große Paul Newman ist, zumindest vordergründig, ein professioneller Edelsteindieb, der nach einem Fauxpas gefasst und interniert wird. Szenen, die das Überleben in der rauen Knastgesellschaft, Ausbruchsversuche, vielleicht auch eine Flucht zeigen, hat man da bereits vor Augen. Aber dann schlägt der Film einen Haken – das britische Gefängnis, in dem sämtliche Häftlinge very british in akkurater Kleidung herumlaufen müssen, ist bloß kurze Episode eines unberechenbaren Films, der mit Vorliebe überraschende Kehrtwenden vollzieht.

Froschperspektivischer Blick in einen großen Gefängnistrakt.

Dahinter steckt, neben dem Drehbuchautor und späteren Regisseur Walter Hill, kein Geringerer als John Huston (wie Newman damals ebenfalls bereits unsterblich groß). Und wie „Der Mackintosh-Mann“ schlug auch Huston gerne Volten – lebte erst in den USA, dann in Irland, schließlich in Mexiko; schrieb erfolgreiche Drehbücher, wurde aber als Regisseur berühmt; drehte Noirs (1941 The Maltese Falcon, 1950 The Asphalt Jungle), Abenteuerfilme (1951 The African Queen, 1975 The Man Who Would Be King), aber auch New-Hollywood’sche Dramen (1972 Fat City). Huston, ein Gigant unter den Hollywood-Regisseuren, Schöpfer auf ewige Zeiten als Klassiker festgeschriebener Werke (neben den bereits genannten vor allem Key Largo von 1948 und The Misfits“ von 1961), die vor allem Humphrey Bogart ebenfalls unsterblich machten.

Im Hintergrund Harry Andrews und Paul Newman, im Vordergrund Dominique Sanda in einem Büro.

Paul Newman und Dominique Sanda beim Baden.

Aber als Huston den „Der Mackintosh-Mann“ drehen wollte, da war Bogart schon seit 15 Jahren tot; Newman war da sein neuer Favorite vor der Kamera – ohnehin hatten Huston und Newman gerade zusammen den Western The Life and Times of Judge Roy Bean“ (1972) gedreht. „Der Mackintosh-Mann“ hat es dann freilich nicht zum unvergesslichen Klassiker geschafft; Huston selbst bekannte, den Film vor allem seiner Gage wegen gemacht zu haben und dass er erheblich besser hätte sein können, wäre ihm und seiner Crew das Ende nicht erst kurz vor Drehschluss eingefallen. Dass der Film dann an den Kinokassen floppte, dürfte erheblich dazu beigetragen haben, rasch in der filmgeschichtlichen Versenkung zu verschwinden. Oft wird das Werk wegen seiner komplexen, als widersprüchlich oder unrealistisch empfundenen Handlung sogar gescholten. Daher hier ein Gegenplädoyer: „Der Mackintosh-Mann“ ist ein sehenswerter Film.

Blick auf einen mediterranen Ort.

James Mason als Wheeler beim gemeinsamen Drink mit Mrs. Smith, gespielt von Dominique Sanda, auf Wheelers Jacht.

Und so beginnt er: Joseph Rearden (Newman) wird beim Diamantendiebstahl geschnappt, weil der von ihm krankenhausreif geprügelte Briefträger ihn identifiziert (Peter Vaughan, der später in Game of Thrones den blinden Nestor der verschworenen Night’s Watch, Maestor Amon, spielt). Ausgerechnet an Rearden statuiert der Richter dann ein Exempel und verurteilt ihn zum drakonischen Strafmaß von zwanzig Jahren Gefängnis. Hat man sich als Zuschauer gerade noch auf ein rasantes Heist-Abenteuer eingestellt, wird man hier bereits zum ersten Mal korrigiert.

Eine Gruppe größtenteils älterer Dorfbewohner blicken auf etwas außerhalb des Bildausschnitts.

Paul Newman entspannt als Rearden im Bademantel.

Im britischen „Bau“ geht es vordergründig kultiviert zu: Die Häftlinge tragen Hemd und Schlips, so auch Rearden. Nach einem guten Jahr hat er die Haftroutinen verinnerlicht, arbeitet in der Wäscherei, wo er sich bisweilen mit einem Kompagnon in der Großwaschmaschine Eier kocht (eine Reminiszenz an Newmans große Rolle des Cool Hand Luke, der mehrere Dutzend Eier vertilgt?). Eines Tages bietet ihm ein außergewöhnlich distinguierter Mithäftling – Mr. Soames-Trevelyan (Nigel Patrick in seinem letzten Film) – im Namen einer Geheimorganisation eine Fluchtmöglichkeit an. Selbstredend verlangen die Hintermänner einen großzügigen Anteil an Reardens verbliebener Beute. Rearden nimmt an und wird während eines fingierten Tumults zusammen mit dem Geheimnisverräter Slade (Ian Bannen, der 1995 in „Braveheart den vom Lepra-Zerfall entstellten Vater des schottischen Edelmannes Robert the Bruce spielte) über die Gefängnismauern in die Freiheit geschleust.

Nahaufnahme von Harry Andrews als Geheimdienstler Mackintosh mit Zigarette in einem Büro.

Blick von der Zuschauertribüne in den britischen Parlamentssaal.

Für Rearden beginnt nun die Zeit in einem zweiten Gefängnis. Denn die ominöse Organisation, die ihn „befreit“ hat, zwingt ihn zum Aufenthalt in einer abgelegenen Villa. Hier wird Rearden in einen dunklen Komplott verwickelt, der bis in die höchsten Reihen der britischen Politik reicht – das Kriminalitätspotenzial der vermeintlich redlichen Elite.

Nahaufnahme von Paul Newman beim Blick aus einem vergitterten Fenster.

Rearden im Zweikampf in einem Wohnzimmer mit zeitgenössischem Flair.

Der „Der Mackintosh-Mann“ lebt turbulent, und so muss auch sein Darsteller durch die vielen Szenerien hetzen: Paul Newman überwindet eine fünf Meter hohe Gefängnismauer, wird von arglistigen Tritten und einem bissigen Hund malträtiert, hetzt durch die irische Hochebene, flüchtet vor der maltesischen Polizei und liefert sich in einem maroden Pritschenwagen eine rasante Verfolgungsjagd, von deren Inszenierung sich damalige „Bond“-Filme einiges hätten abschauen können. Wir sehen originelle Bösewichte wie die fiese Gerda (Jenny Runacre) und als korrupten Politiker einen grandiosen James Mason, der seine Szenen mit einer herrlich arroganten Gravität dominiert. All das gipfelt in einem überraschenden Finale, das keine Gewinner kennt.

Nahaufnahme von Paul Newman und Dominique Sanda als Reardon und Smith beim Blick aus einem geöffneten Fahrzeugfenster.

Text verfasst von: Robert Lorenz