Someone to Watch Over Me (1987)
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Der „Alien“– und „Blade Runner“-Regisseur Ridley Scott zeige „bloß die eleganten Möbel der reichen Geliebten und die Tristesse im Haus des Polizisten“, mokierte sich 1993 der Spiegel. Dem sei hier widersprochen. Vielmehr dürfen sich New-York-Liebhaber – und alle anderen Genießer wunderbar atmosphärischer Bilder und Perspektiven – auf grandiose Nacht- und Dämmerungsaufnahmen der Ostküstenmetropole freuen. Bereits das Intro ist besonders sehenswert; in nächtlicher Dunkelheit fliegt hier die Kamera stumm an den Wolkenkratzern entlang, hell erleuchtete Straßen unterbrechen in schräger Perspektive die Skyline – ein Brite inszeniert perfekt die Stadt der Freiheitsstatue.
In Scotts brillanten Bildern spielt sich eine zwar nicht ganz alltägliche, letztlich aber Thriller-typische Geschichte ab: Mike Keegan (Tom Berenger) ist einer von New Yorks zahllosen Cops und zu Beginn des Films frischgebackener Detective. Nach seiner Party erhält er den Auftrag, die einzige Zeugin eines Mordes (Mimi Rogers) zu bewachen, bis sie den Täter identifizieren kann. Diese Frau, Claire Gregory, hat viel Geld und lebt in einem phänomenalen Appartement, in dem sich die zu ihrer Bewachung abgestellten Polizisten anfangs verirren. Sie verkehrt in der urbanen High Society, der Sek- und Häppchenkultur schwerreicher Yuppies.
Der Film zeigt Keegan zu Beginn als glücklichen Familienvater, bescheiden und beflügelt durch die Beförderung, die eine kleine Sensation für eine solche Polizeikarriere ist. Schnell werden die ständigen Nachtschichten und der persönliche Kontakt mit Claire Gregory zu einer harten Belastungsprobe für Keegans Familienleben. Denn erst jetzt, in ständiger Gegenwart der reichen und schönen Frau, wird er sich der Defizite seines eigenen Lebensstandards bewusst. Im Vergleich zum Luxusappartement der kultivierten Frau nimmt sich seine Lebenswirklichkeit im Stadtteil Queens geradezu proletarisch aus. Obendrein erweist sich auch der mordverdächtige Gangster Joey Venza (Andreas Katsulas) als extrem gefährliche Bedrohung auch für den Beschützer. Keegan muss sich nun zwischen zwei unvereinbaren Alternativen entscheiden und darf darüber in seinem Job keinerlei Nachlässigkeit zeigen.
Keine Frage: Die Story ist nicht die Stärke des Films, die liegt stattdessen im audiovisuellen Erlebnis, das Ridley-Scott-Filme zumeist auszeichnet, aber auch in den Darstellern. Tom Berenger war erst ein Jahr zuvor in Oliver Stones Anti-Kriegsepos „Platoon“ (1986) als skrupelloser Sergeant Barnes („Oscar“-Nominierung für die beste Nebenrolle) aufgetreten. Hier, in Scotts Thriller, ist nun derselbe Berenger zu sehen, nur eben ganz anders: Die martialischen Narben sind aus dem Gesicht verschwunden, die khakifarbene Kriegsmontur dem beigen Spätachtziger-Trenchcoat gewichen und der fixierende Blick gehört nicht mehr zum entmenschlichten Dschungelkämpfer Barnes, sondern zum fürsorglichen Familienvater Keegan. Berenger verleiht seinem Charakter die glaubwürdige Gelassenheit, mit der ein Großstadtcop durch die Straßen zieht, und trotz der er doch nie zur Ruhe kommt, weil er mit ständiger Gefahr rechnen muss. Berenger war seinerzeit schon zum bekannten Leinwandgesicht aufgestiegen.
Für die damals noch eher unbekannte Mimi Rogers hingegen war „Someone to watch over me“ ein Karrierebeschleuniger, ihr Durchbruch – wenngleich sie es nie in die Riege der Filmstars mit unsterblichem Ruhm geschafft, aber sich immerhin in der Kultparodie „Austin Powers: International Man of Mystery“ (1997) verewigt hat. Fleißige Seriengucker werden auf frühe Versionen von inzwischen altbekannten Charakteren stoßen: So begegnet einem der Marketingmanager „Duck“ Phillips aus „Mad Men“ (gespielt von Mark Moses, der sich hier noch sichtlich am Ende seiner Zwanziger befindet); Berengers Filmgattin Lorraine Bracco, ein Ex-Gaultier-Model, therapierte viele Jahre später mit ihrem Brooklyn-Akzent als Psychiaterin Dr. Jennifer Melfi in den „Sopranos“ (1999–2007) den gebeutelten Mafiaboss Tony. Und der unheimliche Bösewicht des Films, Andreas Katsulas (1946–2006) als kaltblütiger Killer Joey Venza, flimmerte von 1994 bis 1998 in über 100 Episoden „Babylon 5“ als G’Kar über die TV-Bildschirme.
„Someone to Watch Over Me“ hat durch die für Ridley-Scott-Filme typischen Kamerafahrten und den speziellen Einsatz von Rauch und Neonlicht manchmal etwas von der dumpfen Großstadtanonymität in „Blade Runner“ (1982), dann wieder, im smoghaltigen Tageslicht, erscheint New York fast so melancholisch wie im „Stadtneurotiker“ (1977). Die Mordszene zu Beginn findet in einem Gebäude statt, das in der Dunkelheit, im Schimmer der wenigen Lampen, einer Kathedrale gleicht. Und das Appartement wiederum ist so verzweigt, das es sich mit seiner labyrinthischen Struktur für spannungsvolle Perspektiven und einen Showdown geradezu aufdrängt – ein optisch enorm ästhetischer, ansprechender Film.
TextRobert Lorenz
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