Filmtipp

The Hustler (1961)

Kurzbeschreibung: Pessimistischer Blick auf begnadete Sportler, die sich in einer düsteren, brüchigen Umgebung mit ihrem Talent durchschlagen. Eine von Paul Newmans großen Rollen, garniert mit fulminanten Billardszenen.

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Das Ausnahmetalent, auf der durstigen Jagd nach Geld und Anerkennung, war eine von Paul Newmans ganz großen Rollen. So groß, dass er sie in Martin Scorseses „The Color of Money (1986) ein Vierteljahrhundert später gleich noch einmal spielte. Eddie Felson trägt seinen Beinamen „Fast“ nicht zufällig: Der junge Billardspieler beherrscht Queue und Kugeln wie nur wenige andere. Einer, der größte, dieser anderen ist Minnesota Fats (Jackie Gleason, ein Ex-Pool‑Spieler und TV-Star, an den die Cartoon-Figur Fred Feuerstein angelehnt sein soll). Ihn, den Champion, will „Fast Eddie“ bezwingen – koste es, was es wolle. Doch werden Felsons härteste Gegner keine Spieler, sondern seine Überheblichkeit und Gier sein.

Paul Newman als Eddie Felson, der mit einer rauchenden Zigarette im Mund sein Queue spitzt.

So, wie uns „The Cincinnati Kid“ (1965) in die Pokerszene versetzt, „Youngblood“ (1986) vom nordamerikanischen Profi-Eishockey erzählt oder „Any Given Sunday“ (1999) die gleichermaßen faszinierenden wie perversen Aspekte des American Football-Business herausstellt, entführt uns „The Hustler“ in das soziale Milieu hauptberuflicher Pool-Billardspieler. Die Verfilmung eines gleichnamigen Romans von 1959 (in der Bundesrepublik damals unter dem Titel „Haie der Großstadt“ gezeigt) ist nur vordergründig ein Sportfilm. Eine aberwitzige Kameraführung zelebriert zwar ausführlich die famosen Spielzüge; aber viel faszinierender ist, wie der Film die ungeschriebenen Gesetze einer beinharten Branche, einer eigenen Kultur, entlarvt und in deren menschlichen Abgründe blickt.

Nahaufnahme von einem Spielzug, das Queue ist auf die weiße Kugel gerichtet.

Um in diesem Geschäft erfolgreich zu sein, muss man Freundschaften und Beziehungen verraten, aber auch stets Herr seiner niederen Instinkte bleiben. „Lay down and die by yourself.“ – Mit diesen Worten schlägt Felson ein Angebot seines väterlichen Kompagnons in den Wind. Im Marathon-Clinch mit seinem Gegenspieler verfällt er nach mehreren gewonnenen Partien in einen vernunftlosen Siegesrausch: „I’ll beat him, mister. I beat him all night and I’ll beat him all day.“ Und die einzige Liebesbeziehung, die sich im Film abspielt, wird vom weiblichen Part als „contract of depravity“ charakterisiert.

Die Spielstätten sind keine glamourösen Säle, sondern verrauchte Kaschemmen, in denen sich proletarische Glücksjäger auf der Suche nach schnellem Geld und Abwechslung vom tristen Alltag tummeln. Hier, in diesem halbseidenen Mikrokosmos ist „Fast“ Eddie Felson ohne jegliches Bildungszertifikat oder Statussymbol ein König, spezialisiert auf eine Tätigkeit, in der ihn fast niemand übertreffen kann. Doch außerhalb des geschützten, öffentlichkeitsscheuen Raumes der Billardhallen, Bars und Poker-Separees ist er ein Nobody, der sich in der Großstadtanonymität verlieren würde. Umso mehr setzt er alles daran, in seinem Metier zu dominieren.

Blick in eine eher düstere Billardhalle.

Gemeinsam mit seinem Partner Charlie (Myron McCormick, der im Jahr nach der Filmpremiere 54-jährig verstarb), einem sichtlich abgekämpften Mann, tingelt Felson durch kleine Bars, um dort den betrunkenen Angeber zu mimen, der mit überheblichen Wetten scheinbar leichte Beute für seine Gegenspieler ist – und dann abkassiert. Doch die beiden trennen unterschiedliche Vorstellungen: Während der alte Charlie sich mit etwas Geld eine eigene Billardhalle aufbauen will, hat Eddie nur ein Ziel vor Augen: Den als unbesiegbar geltenden Champion Minnesota Fats nicht nur herauszufordern, sondern mit einem grandiosen Sieg zu demütigen. Als er dann endlich genug Geld beisammen hat, trifft er den Matador und ein furioses Match beginnt.

Das nervenaufreibende Kräftemessen zwischen Felson und Fats ist ein Aufeinandertreffen zweier professioneller hustler – Spieler, die sich gegenseitig in ihrem Stolz, Wagemut und ihrer Gier provozieren und damit die Geldwetten in die Höhe treiben. Beide sind völlig unterschiedliche Charaktere: Felson ist jung, offenbar mit dem größeren Talent gesegnet, aber hat nur schwerlich sein stürmisches Gemüt im Griff; Fats ist ein Mann von barocker Leibesfülle (heute würde man ihn vermutlich mit John Goodman besetzen), ein Arrivierter der Szene, gekleidet im eleganten Dreiteiler mit Nelke am Revers und dicken Ringen an den ebenso dicken Fingern.

Jackie Gleason als Minnesota Fats beim Spiel; er steht an einer Ecke des Billardtisches und zielt auf die weiße Kugel, im Hintergrund beobachten Zuschauer interessiert den Spielzug.

Eine beeindruckende Rolle spielt der große George C. Scott, der 1971 als erster Schauspieler einen „Oscar“ ablehnte und die „Academy Awards“ als „two-hour meat parade“ bezeichnete. Scott ist Minnesota Fats’ Manager Bert Gordon: ein Unsympath, der präzise menschliche Schwächen ausnutzt, um damit Geld zu verdienen und stets das zu bekommen pflegt, was er haben will – spätestens wenn er seine Schläger losschickt. Gordon ist ein egoistischer Manipulierer, ein eiskalter Geschäftsmann, der Menschen, je nach Zweck, aufbaut oder zugrunde richtet. Und Piper Laurie: Sie spielt die schöne Sarah Packard – eine neurotische Trinkerin, die vergeblich an einem Roman arbeitet und deren einziger Kontakt zu ihrem reichen Vater, von dem sie im Kindesalter verlassen worden ist, in einem monatlichen Scheck besteht, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Eine ganze Reihe von Randfiguren veredeln dieses Drama: etwa Murray Hamilton als dekadenter Millionär und anmaßender Gelegenheits-hustler; oder Ex-Boxer Jake LaMotta, der amerikanische Mittelgewichtschampion 1949–51 und die Vorlage für Robert De Niros brillante Darstellung in „Raging Bull“ (1980), mit seinem Schauspieldebüt: Er spielt einen Barkeeper, nachdem er als Nachtklubbesitzer in Miami gescheitert war.

George C. Scott als Bert Gordon: Er lächelt verschlagen und trägt eine Sonnenbrille; neben ihm steht Piper Laurie als Sarah Packard, im Hintergrund Paul Newman als Eddie Felson.

The Hustler“ ist einer der erfolgreichsten Filme seiner Zeit. Die Academy nominierte ihn 1962 für neun „Oscars“ – u.a. in den prestigeträchtigen Kategorien der besten männlichen und weiblichen Hauptrolle (Newman und Laurie), bester Film, bester Regisseur und gleich zweimal bester Nebendarsteller (neben Gleason auch Scott). In der optischen Monotonie der Graustufen wünscht man sich bisweilen wenigstens für kurze Momente das grüne Tuch, mit dem die Billardtische bespannt sind, oder das Leuchten der charakteristischen Lampen über den Spielflächen – geschweige denn die legendären blauen Augen des Hauptdarstellers Newman. Aber die Figur des Heißsporns „Fast Eddie“ gehört zum Besten, was Hollywood jemals auf die Leinwand gebracht hat: „Let’ shoot a game of straight pool.

Text verfasst von: Robert Lorenz