Filmtipp

The Longest Yard (1974)

Kurzbeschreibung: Ein Ex-Profi-Quarterback landet im Knast und soll dort Mithäftlinge für eine Mannschaft rekrutieren, die als Sparringspartner des Wachmannschaftsteams verschlissen werden soll. Das vermeintliche Spiel gerät zur blutigen Schlacht. Untypisch für damalige Filme, sind die Polizisten hier nicht die Guten. Regisseur Robert Aldrich lässt sein Drama in einer sportiven Gewaltorgie gipfeln.

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Burt Reynolds? American Football? Gefängnis? Das hört sich nach einer albernen Actionkomödie an, zumindest nach einer Mischung von fragwürdiger Qualität. Im Gegensatz dazu – und auch zur oftmaligen Einordnung als Actionkomödie – erweist sich „The Longest Yard“ als sarkastische Sozialkritik in irrer Inszenierung. Das ist gleich zu Beginn so, als Reynolds’ Figur ausrastet und buchstäblich mit aller Gewalt gegen ihre Lebensumstände rebelliert. Reynolds spielt Paul „Wrecking“ Crewe, einen ehemaligen Footballspieler, der sich jetzt als Gigolo reicher Frauen über Wasser hält. Nach einem schmutzigen Beziehungsstreit klaut er den Citroen SM seiner Geldgeberin und flüchtet in einer kühnen Raserei vor der Polizei – mit Zigarette, Whiskey-Glas und Oberlippenbart legt Reynolds hier einen wunderbar zynischen Auftritt hin. Weil er den Wagen am Ende einfach im Wasser versenkt und sich anschließend obendrein bei seiner Verhaftung der Staatsgewalt widersetzt, verurteilt ihn das Gericht zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe. Bereits in der ersten Stunde hinter Gittern wird er vom Oberaufseher verprügelt und zieht sich den Zorn des Direktors zu. Sein Plan, nach 18 Monaten Haft mithilfe einer Bewährungsauflage wieder draußen zu sein, steht unter keinem guten Stern.

Seine alte Karriere als American Footballer ist jetzt für ihn Chance und Odium zugleich. Denn Gefängnischef Hazen (Eddie Albert) unterhält eine eigene Footballmannschaft, die sich aus dem Wachpersonal rekrutiert. Weil sein Team wieder Mal die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt hat, konsultiert er den durch allerlei Strapazen gefügig gemachten Ex-Profi. Crewe findet, dass die chronisch erfolglose Truppe des Knastchefs vor Saisonstart ganz einfach durch den Sieg über einen erheblich schlechteren Gegner eine kräftige Motivationsspritze erhalten sollte. Anders jedoch als von Crewe beabsichtigt, holt sich Hazen den Aufbaugegner nicht von außerhalb, sondern verdonnert den Ideengeber und früheren Quarterback zum spontanen Aufbau einer Häftlingsmannschaft – ansonsten droht diesem die Ablehnung seines Bewährungsgesuchs.

Crewe darf seinen Spielern Privilegien in Form von Arbeitsfreistellungen und besseren Mahlzeiten anbieten, prompt tummeln sich die übelsten Typen auf seinem Trainingsplatz (darunter auch der monumentale Richard Kiel, der später in zwei James-Bond-Filmen den „Beißer“ spielte). Diese Outlaw-Truppe verbindet nur eines: Sich an den Wachleuten für all die Schindereien und Erniedrigungen im Gefängnisalltag zu rächen.

Die Ära der „Bad Cop“-Kritik

Ă„hnlich wie in den New-Hollywood-Werken „Cool Hand Luke“ (1967), Einer flog ĂĽber das Kuckucksnest“ (1975) oder „Papillon“ (1973) verkehren sich in „The Longest Yard“ die moralischen Fronten: Im Angesicht von brutalen und korrupten GesetzeshĂĽtern finden sich die verurteilten Verbrecher in der Rolle von Opfern wieder. Und ebenfalls wie im Paul-Newman-Klassiker von 1967 geht die schlimmste Missachtung der Menschlichkeit vom obersten Glied der Hierarchie aus, demjenigen also, der offiziell fĂĽr die penible Einhaltung der Regularien bĂĽrgen soll. Eine weitere Parallele besteht in der Herausbildung eines Korpsgeists, durch den die strukturell Unterlegenen in energischen Kollektivhandlungen ihre Bereitschaft demonstrieren, Widerstand gegen die willkĂĽrlichen Schikanen zu leisten. Während man heutzutage eher unberĂĽhrt hinnimmt, dass es Kriminelle sind, die sich in einem Film als Sympathieträger anbieten, und als eigentliche Verbrecher die Gesetzesvertreter erscheinen, war das in den frĂĽhen 1970er Jahren noch ein weitaus originellerer Ansatz.

Im Umfeld von Hauptdarsteller Burt Reynolds, der bis zu einer Verletzung tatsächlich in seiner College-Zeit eine Profi-Football-Karriere angestrebt hatte, finden sich im Cast der beiden Mannschaften diverse Ex-Spieler aus der NFL, der besten Footballliga des Planeten. Der damals schon fast siebzigjährige Eddie Albert (1906–2005), ein Dinosaurier des Fernsehzeitalters, spielt den Gefängnisboss Hazen, der mit seinem Hang zu sadistischen Erpressungen und rücksichtsloser Gewaltanwendung selbst in einer Ansammlung von Fieslingen noch als besonders hinterlistig hervorsticht. Wer seinen Willen nicht befolgt, dessen Haftbedingungen verschlechtern sich in Windeseile; so wird auch Crewe erst mal zur Knochenarbeit in die Sümpfe abkommandiert. Und natürlich hat Hazens Wort nur solange Bestand, wie es dem Direktor von eigenem Nutzen ist. Ihm unterstellt ist der nicht minder unsympathische Captain Wilhelm Knauer, Coach und Quarterback im Team der Wachmannschaft; ein Chefaufseher, der grundlos knüppelt und schlägt, wo er nur kann. Ihn spielt Ed Lauter (1938–2013), der zur Gruppe jener Schauspieler gehört, deren Gesichter wegen ihrer unermesslich vielen Film- und TV-Rollen allbekannt sind, aber deren Namen niemand parat hat. Lauter verleiht seinem Charakter eine genial bösartige Autorität und hält dabei trotzdem noch genug Platz frei für spätere Ambivalenzen. Regisseur Robert Aldrich (1918–83), Schöpfer des „Dreckigen Dutzend“ (1967), drehte mit seinen Darstellern Burt Reynolds, Eddie Albert und James Hampton ein Jahr später den lässigen LA-Krimi „Hustle“ (1975, dt.: „Straßen der Nacht“). Wie in „The Longest Yard“ dreht sich auch der spätere Film um stagnierende Lebensentwürfe und grundlose Gewalt. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind mindestens vage, eine entschiedene Trennung von Verlierern und Gewinnern findet nicht statt.

Brutale Blut-, Schweiß- und Tränen-Orgie

Nach einer fulminanten Anfangssequenz, in der sich Reynolds in einem Sportwagen eine ungemein rasante Verfolgungsjagd mit der Polizei liefert, um dann angetrunken in einer Bar aufgegriffen zu werden, entsteht nach seiner Ankunft im Gefängnis und den ersten Torturen eine leicht anstrengende Länge; hier schleppt sich die Handlung durch eine langwierige Rekrutier- und Trainingsphase des Footballteams, um dann jedoch ruckartig in eine fulminante Darstellung der Partie überzugehen. Was folgt, sind archaische Kampfszenen, skurrile Musikeinlagen und wilde Splitscreens, die allesamt für den kurzen Schwächeanfall des Films restlos entschädigen. An dieser Stelle kulminiert der Film in einem grotesken „Endspiel der totalen Gewalt“, wie es 1975 die Zeit treffend beschrieb – und neben „Any Given Sunday“ (1999) sicherlich in einer der besten Filmdarstellungen eines Footballmatches.

Text verfasst von: Robert Lorenz