Hustle (1975)
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Bei all den superben Serien, nicht zuletzt im Krimi-Genre, die uns zurzeit verwöhnen, ist die Frage nicht unberechtigt, weshalb man sich bei seiner Suche nach Unterhaltung ausgerechnet in die 1970er Jahre begeben sollte. Noch skeptischer dürfte indes der Umstand stimmen, dass in „Hustle“ Burt Reynolds die Hauptrolle spielt – jener Typ also, der mit schwarzem Schnäuzer und Cowboyhut ein fester Bestandteil der Filmkultur der 1980er Jahre war und heute zumeist mit albernen, zuweilen peinlichen Rollen im Gedächtnis herumgeistert. Kann man diesen Reynolds ernstnehmen? Man kann. „Hustle“ macht all die seichten Filme vergessen und zeigt im Verbund mit den „Streets of San Francisco“ (1972–77) und „Hawaii Five-O“ (1968–1980) die unerreichbare Atmosphäre von Polizeidarstellungen der 1970er Jahre. Aber vor allem: Es gibt hier kein übertriebenes Pathos, keine Familienfilmelemente und auch keinen angestrengt bemühten Tiefgang.
Traum vom Dolce Vita
Phil Gaines (Burt Reynolds) bewohnt ein Appartement in bester Lage und hat eine attraktive Freundin (Catherine Deneuve), doch als Lieutenant im Morddezernat bezieht er nur ein spärliches Gehalt. Irgendwann will er mit seiner französischen Partnerin den Großstadtmoloch von L.A. hinter sich lassen und nach Italien auswandern. Derweil verdient Nicole Britton ihr Geld als Callgirl, während sich Gaines mit dem Abschaum der Gesellschaft herumschlägt. Als er gerade wieder vom Dolce Vita in Europa tagträumt, kommt ein neuer Fall auf: Am Strand ist die Leiche einer Stripperin und Prostituierten angespült worden, alles deutet auf Selbstmord hin. Lediglich der Vater der Verstorbenen, ein traumatisierter Korea-Veteran, ist überzeugt, dass seine vermeintlich unbescholtene Tochter Opfer eines Mordes wurde. Marty Hollinger (Ben Johnson) will seinem Leben keinen weiteren sinnlosen Verlust zumuten, nachdem er bereits seine Jugend an den Krieg verloren hat. Sein Zorn ist verständlich, und doch stellt er für Gaines und dessen Partner, Sergeant Louis Belgrave (Paul Winfield), eine weitere, aus ihrer Sicht ebenso sinnlose, Belastung dar.
Aber der Vater erweist sich als hartnäckig, unter seinem Druck müssen sich Gaines und Belgrave in der eigentlich abgehakten Sache vertiefen. Doch je mehr sie herausfinden, desto größer wird selbst für die abgeklärten Cops der Abgrund, der sich unter dem verstorbenen Mädchen auftut („Christ. How far can a kid fall?“). Mit den Streifzügen seiner Hauptfiguren durch das Gangster- und Rotlichtmilieu von Los Angeles porträtiert Regisseur Robert Aldrich (1918–83) die Schattenseiten einer Großstadt.
Im roten Mustang gegen den Moloch
In Sachen Coolness und Härte spielen Gaines und Belgrave in einer Liga mit James Crockett und Ricardo Tubbs aus „Miami Vice“. Sie schlagen Verdächtige, trinken im Dienst Whiskey und jagen ungeachtet der Ölpreiskrise das Verbrechen in einem roten Ford Mustang Cabrio (mit weißem Verdeck). Überhaupt ist die Handlung von „Hustle“ angesichts des famosen Darstellerensembles eher zweitrangig: Zuerst natürlich der verschmitzte Produktionscoup, als Filmpaar die beiden Siebziger-Sexsymbole Burt Reynolds und Catherine Deneuve zu kombinieren (drei Jahre zuvor hatte Reynolds als erster Mann nackt auf dem Cosmopolitan-Titel posiert).
Aus Reynolds’ Sicht steht „Hustle“ am Anfang seiner zentralen Karrierephase, in der er zum ultimativen Superstar des 1980er-Jahre-Kinos avancierte und mit unverschämten Millionengagen sein Konto füllte, ehe er zum Ende der 1980er Jahre seinen Zenit überschritten hatte. Außerdem spielt in „Hustle“ noch der Reynolds aus der Zeit vor seichten Nonsens-Werken à la „The Cannonball Run/Auf dem Highway ist die Hölle los“ (1981), „Paternity/Ich brauche einen Erben“ (1981) oder „Stroker Ace/Der rasende Gockel“ (1983).
Für Deneuve hingegen zählt „Hustle“ zu den wenigen Hollywood-Auftritten, welche die Französin in jener Zeit überhaupt absolvierte; zu sehen war sie in den USA damals hauptsächlich in Chanel‑Spots, die zeigen, wie verblüffend realistisch „Mad Men“ anscheinend die Arbeits- und Denkweise amerikanischer Marketing-Agenturen wiedergibt. Auch als Prostituierte strahlt Deneuve ausnehmende Eleganz aus, wenn sie am Telefonhörer die obszöne Fantasie ihrer Kunden inspiriert oder mit einem Cocktail am Geländer einer Luxusyacht lehnt.
Und obwohl Reynolds bei geöffnetem Hemd sein Brusthaar in die Kamera hält, ehe er sich hinter das Lenkrad seines Muscle Car klemmt und durch die Stadt brettert, an der Bar schönen Frauen Blicke zuwirft oder fiesen Typen mit Faust und Knarre beikommt, verleiht er seinem Filmcharakter mehr als nur die Oberfläche eines hartgesottenen Bullen. Eine der stärksten Szenen spielt in einer Bar, einer Kaschemme: Dort sitzen Gaines und Nicole an der Theke und reflektieren ihre Beziehung, ihr „Arrangement“, wie sie es nennen. Obwohl sie Liebe füreinander empfinden, droht ihre Beziehung zu zerbrechen – an Gaines, der sich an der bildlichen Vorstellung der kommerziellen Sexdienste seiner Partnerin stört, wissend, dass er ihr keine finanzielle Alternative bieten kann.
Der Darsteller von Gaines’ Partner Belgrave, Paul Winfield (1939–2004), dürfte v.a. Trekkies bekannt sein: In dem zweiten „Star Trek“-Kinostreifen „The Wrath of Khan“ (1982) hat er zu Beginn des Films einen kurzen Auftritt als Sternenflottenkapitän Clark Terrell, der eine unfreiwillige Begegnung mit dem Ceti-Aal hat. Horror-Fans dürfen sich indes über eine Szene mit jenem Robert Englund freuen, der sich neun Jahre später die Metallkrallenhandschuhe von Freddy Krueger überstreifte und hier einen Kurzauftritt hat. Daneben sieht man Ernest Borgnine (1917–2012), der in so unzähligen Filmen mitgespielt hat – und dies für seine Unvergesslichkeit gar nicht brauchte, weil er ein so unvergessliches Gesicht hat. Hier spielt er Santoro, der dreckige Witze mit einem noch dreckigeren Lachen beschließt.
Kurzum: „Hustle“ ist ein durchweg gelungener, ein energischer Film. Nur die deutsche Titelversion „Straßen der Nacht“ ist mal wieder irreführend, spielt sich die Handlung doch überwiegend bei Tageslicht oder in geschlossenen Räumen ab.
TextRobert Lorenz
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