Filmtipp

Under Fire (1983)

Kurzbeschreibung: Bilder können Politik beeinflussen. Und Bilder können manipuliert werden. In „Under Fire“ wird es gleich ganz fundamental: Hier beeinflussen Bilder einen Bürgerkrieg. Nick Nolte bewegt sich als Fotoreporter durch ein lebensgefährliches Krisengebiet.

Social-Media-Optionen

„Under Fire“ war seinerzeit der große Film von Nick Nolte. Der spielt darin einen Fotoreporter, einen visuellen Chronisten der Kriege und Revolutionen, der sich einredet, als Journalist stets neutral bleiben zu dürfen. Im Bürgerkrieg von Nicaragua, zwischen den Fronten der regimetreuen Armee und den revolutionären Sandinisten, wird Russell Price vom Beobachter zum Betroffenen. Roger Spottiswoodes Film wirft einen kritischen Blick auf die Macht der Medien und die Ethik des Journalismus.

Im Konflikt mit der Ethik des Journalismus

Price ist überall dort, wo Menschen leiden, wo Krieg und Terror, Revolten und Revolutionen toben. Deshalb trifft er auch immer wieder Oates, einen amerikanischen Söldner, der sein Geld als ideologieloser Mietsoldat verdient und in dieser Profession längst sein Gewissen ebenso abgelegt hat wie sein politisches Wertegerüst. Ed Harris spielt diesen kontroversen Charakter, einen Kriegsmaschinisten im Dienst der Regierung, den die politischen Hintergründe seiner Arbeit nicht interessieren und der längst aufgehört hat, nach Schuld oder Unschuld seiner Opfer zu fragen. Töten ist sein Lebensunterhalt und längst reine Routine: In einer Szene versteckt er sich unter den blutigen Leichen seiner Mitkämpfer, um anschließend einen Rebellen aus dem Hinterhalt zu erschießen; später exekutiert er in einem Hinterhof mutmaßliche Widerstandskämpfer. Gerade weil er sich nicht bestimmten Interessen verpflichtet, kann er in einer wechselhaften Welt eher als andere überleben.

In diesem moralisch prekären Umfeld steht Russell Price schließlich vor der Entscheidung, seine journalistische Ethik politischer Sympathie unterzuordnen. So, wie Wissenschaftler schon durch die vermeintlich neutrale Beobachtung ihr Untersuchungsobjekt beeinflussen können, kann Price allein durch seine schiere Präsenz nicht ohne Wirkung auf die Menschen bleiben, die er fotografieren will. Und natürlich fällt ihm nicht immer leicht, in der Beobachterrolle zu verbleiben. Freunde und Bekannte sind durch die Geschehnisse bedroht; im Fall akuter Gefahr müsste er entscheiden, ob er ihnen zur Hilfe eilt oder auf Distanz bleibt. In einer Szene hätte er den Tod eines Mannes verhindern können, weil er das Versteck dessen Feindes kannte.

Nick Nolte bringt mit seiner Statur und seinem Erscheinungsbild viel schweißgebadete Heroik in seine Figur: Etliche Kameras um das verschwitzte Hemd gehängt, zerzaustes Haar und die abgewetzte Nikon-Kamera stets im Anschlag, sieht er wie die martialische Version eines Touristen aus. Gezeigt wird ein Mann, der sich immer wieder in lebensgefährliche Situationen vorwagt, nur um die eine große Aufnahme zu machen. Price hastet durch den Kugelhagel, um den Schusswechsel zu fotografieren; in schrottigen Fahrzeugen rast er durch die umkämpften Ortschaften, um eindringliche Aufnahmen, von Opfern und Tätern, zu erheischen. Je erschütternder, desto erfolgversprechender.

Noch gefährlicher wird es, als Alex Grazier aus New York anreist, um irgendwo im entlegenen Dschungel den charismatischen Rebellenführer zu interviewen. Grazier wird von Gene Hackman gespielt, der solche Figuren in seiner langen Filmkarriere schon immer gut darstellen konnte. Hackmans Grazier ist nicht unsympathisch, aber er verschließt sich stärker als sein Landsmann und Freund Price dem ständigen Konflikt, dem die Reporter ausgesetzt sind: Partei zu ergreifen oder strikte Neutralität zu wahren. Grazier jedenfalls will in dem Bürgerkriegsland lediglich Stoff für eine spektakuläre Story auftreiben, die er seinen Herausgebern in New York liefern kann.

Der Bürgerkrieg unter dem dekadenten Machthaber

Die Handlung ist eingebettet in reale Ereignisse: Nicaragua wurde damals von einer Dynastie regiert. Anastasio Somoza amtierte von 1967 bis 1979 als Präsident und übte auch den Oberbefehl über die Armee aus. Während seines politischen Aufstiegs hatten das Land erst sein Vater (1933–56), dann sein Bruder (1956–63) regiert. Nach einer gesetzlich vorgeschrieben Zwangspause setzte Somoza im Jahr 1967 die Herrschaftsdynastie fort. In den frühen 1970er Jahren kam mit den Sandinistas, vom kommunistischen Kuba unterstützt, eine schlagkräftige Gegenbewegung auf, die in den folgenden Jahren Somozas Regime langsam, aber beständig unterminierte. Nachdem Somoza als strammer Antikommunist lange Zeit die Unterstützung der USA genossen hatte, brach Präsident Carter Ende der 1970er Jahre mit dem strauchelnden Staatschef. Somoza sah sich daraufhin zum Rücktritt gezwungen und verließ das Land, um nicht den Sandinisten in die Hände zu fallen. Erst ging er nach Miami, im Herbst 1980 wurde er im paraguayischen Exil ermordet.

Kurz vor dem Untergang der tyrannischen Somoza-Dynastie setzt der Film an. Während sich der Präsident an seine Macht klammert und auf eine ausstehende Waffenlieferung aus den USA wartet, hat sich das Volk längst mit der Revolutionsarmee der Sandinisten zu einer Anti-Somoza-Allianz verbündet. Heilsbringer ist der (fiktive) Rafael, ein landeseigener Wiedergänger des legendären Che Guevara. Er führt die Sandinisten im Kampf gegen die Nationalgarde, die letzte Bastion des fragilen Somoza-Regimes. Diesen Rafael, den charismatischen Anführer, von dem eigentlich niemand genau weiß, ob er noch lebt oder tot oder vielleicht nicht sogar eine Erfindung der Propaganda ist, will Price fotografieren – ungeachtet seines Idealismus einer aufklärerischen Presse hat er dabei natürlich das nächste Times-Cover vor Augen.

Anastasio Somoza (René Enríquez) indes wird als dekadenter Machthaber porträtiert: Er ist ein beleibter Mann, der sich im Krieg gegen die Revolutionäre auf der Siegesstraße wähnt und, während in den Städten blutige Kämpfe toben und die Armee die Kontrolle zu verlieren beginnt, lieber schöne Fotos an der Seite seiner Konkubine, der „Miss Panama“ (Jenny Gago), macht.

Im Bürgerkriegsgetümmel treiben sich etliche Halbweltgestalten herum. So etwa Marcel Jazy: Jean-Louis Trintignant spielt – kühl und latent diabolisch – diesen ziemlich zwielichtigen Regierungsberater, der eine luxuriöse Stadtvilla bewohnt, in der er auf die Konkubine des Staatschefs („Miss Panama“) aufpassen soll – die ist inmitten der Gefechte ausschließlich besorgt um den Pool, der kein Wasser mehr hat. Doch die Tätigkeit dieses Mannes mit der Moral eines Wiesels geht weit darüber hinaus, wie Russell Price noch feststellen wird. Trintignant, der damals zu den weltbekannten Gesichtern Frankreichs gehörte und durch seine Rolle an der Seite der Bardot in „… und ewig lockt das Weib“ (1956) berühmt geworden war: Wegen seiner hohen Stirn und markanten Mundpartie passt er hervorragend in diese Rolle; denn er hat die Aura eines ultimativ Verschlagenen – weshalb er ja ohnehin gerne für solche Rollen eingesetzt worden ist.

Ein Blick auf die merkwürdigen Seiten des Kriegsjournalismus

Die Szenerie des Films, die optische Stimmung in den umkämpften Straßen der vom Bürgerkrieg verheerten Städte, dürfte uns heute nur allzu vertraut sein – gleicht sie doch den zahllosen Reportagen aus Krisengebieten, die uns regelmäßig ereilen. Aus diesem Toben im Idyll entsteht eine surreale Atmosphäre. Zwar liegt herrliches Wetter über den Straßen, die von Gebäuden in der Kolonialarchitektur gesäumt sind; aber die sind fürchterliche Todesfallen, in denen Heckenschützen lauern, Straßenbarrikaden errichtet sind oder plötzlich Bomben und Granaten detonieren. Die Fassaden sind zerschossen, die Mauern mit politischen Parolen beschmiert, hier und da liegt ein Torso. Das ist das natürliche Habitat des Kriegsfotografen, der sich mit weißen Flaggen und selbst geschriebenen Postern, die ihn als neutralen Journalisten ausweisen sollen, zwischen den Linien der beiden Kriegsparteien bewegt.

Der Film vermittelt ein kontroverses Bild von Leuten wie Price, der hier als ambivalente Figur gezeichnet wird: Einerseits ist er Idealist, der die Welt über schreckliche Ereignisse, grausame Verbrechen in entlegenen Teilen des Globus informieren will; andererseits ist er ein professioneller Medienmacher, der mit seinen Bildern die Auflagen und Einschaltquoten großer Medienkonzerne steigern soll, einen teilnahmslosen Voyeurismus ferner Zuschauer und Leser bedient und sich selbst einredet, als Journalist von jeglicher Verantwortung für die Ereignisse in seinem unmittelbaren Umfeld entbunden zu sein.

Überhaupt weist der Film immer wieder auf merkwürdige Seiten der massenmedialen Kriegsberichterstattung hin: Wie Touristen auf einer Aussichtsplattform sitzen in einer Szene die Journalisten auf der Terrasse eines über der Stadt thronenden Anwesens. Von dort beobachten sie die Kämpfe in den Straßen und wie zweckentfremdete Transport- und Freizeitflugzeuge bedrohlich über dem Ort kreisen und Bomben auf die Stadt herabwerfen.

Das Neutralitätsgebot lässt sich im Film allerdings nicht immer durchhalten: Etwas erinnert Prices Fotojournalismus in Krisengebieten dann an die Kernphysiker, für die sich spätestens mit dem Bau der Atombombe und die damit verbundene Möglichkeit zur sofortigen Auslöschung der menschlichen Spezies durch sich selbst die Frage gestellt hat, welche Verantwortung sie für die Ergebnisse ihrer Arbeit zu übernehmen haben. So, wie sie nach dem Bau der Atombombe die Kontrolle über ihre wissenschaftliche Errungenschaft an die Politik und das Militär verloren haben, so hat auch Price bald keine Kontrolle mehr, was mit seinen Bildern geschieht.

Text verfasst von: Robert Lorenz