Ich glaub’, mich tritt ein Pferd (1978)
Social-Media-Optionen
Drei mäßig erfahrene Drehbuchautoren setzen sich in den späten 1970er Jahren zusammen und schreiben sämtliche Campus-Anekdoten auf, die sie selbst erlebt oder von denen sie jemals gehört haben. Heraus kommt ein völlig überdrehtes Arrangement studentischer Archetypen, die so (oder zumindest so ähnlich) auch in der Wirklichkeit zahlloser Universitätsgenerationen anzutreffen sind – im Nostalgierausch geringfügig verklärt, selbstverständlich. Die Story des Films ist freilich nur nebensächlich, im Wesentlichen geht es um ein Verbindungshaus auf einem US-amerikanischen Collegecampus im Jahr 1962, in dem wahnwitzige Partys toben und alles passiert, außer Lesen, Lernen und Diskutieren. Die Angehörigen der Delta-Verbindung des „Faber-College“ (Leitspruch: „Knowledge is Good“) konzentrieren ihre Kräfte umso energischer auf Saufen, Raufen, Tanzen und Sex.
Zu Höchstform laufen sie nicht im Kursraum auf, sondern wenn es darum geht, ausreichend Essen und Getränke für die nächste Feier aufzutreiben oder die Frauen anderer auszuspannen – und sei es die des Dekans (Verna Bloom). Durch die Semesterprüfungen mogeln sie sich mit gestohlenen Matrizen der Testbögen, ihren Nachwuchs rekrutieren sie aus den übriggebliebenen Outsidern, die es in die elitären Nachbarverbindungen nicht geschafft haben. Als der Dekan (John Vernon) sie der Uni verweist, mobilisieren sie ihr chaotisches Improvisationsgeschick, um zurückzuschlagen.
„Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ lebt von einem herrlich primitiven Anarchismus, bei dem selbst mühelos vorhersehbare Aktionen und Gags einen dennoch zum Lachen bringen: So ist natürlich völlig klar, dass die geborgte, nagelneue Limousine des älteren Bruders den angekündigten „Roadtrip“ keineswegs unbeschadet überstehen wird, wie dies Kommilitone „Flounder“ (Stephen Furst) von seinen Verbindungsbrüdern flehentlich erbittet. Und trotzdem ist die anschließende Demontage beim fluchtartigen Ausparken, bei dem eine größtmögliche Anzahl anderer Autos beschädigt werden, irgendwie witzig. Überhaupt können die Zuschauer stets vom maximalen Zerstörungsgrad ausgehen, spätestens in der fulminanten, natürlich völlig übertriebenen Schlussszene, in der die wohlgeordnete Campus-Parade in der Innenstadt, na ja, ‚sabotiert‘ wird.
„Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“: Das ist eine unbeschwerte Aura, die auch vielen späteren Achtzigerjahre-Komödien innewohnt, ein Film, in dem ständig zerbrechliche Gegenstände an Wänden zerschellen, BHs gelüftet Hartalkoholika auf Ex konsumiert werden. Ein Pferd erleidet einen Herzinfarkt, Donald Sutherland entblößt seinen Hintern und John Belushi (1949–82) improvisiert die dreiste Plünderung einer Mensatheke. Sutherland war vom Produktionsstudio Universal engagiert worden, damit der Cast nicht ausschließlich aus Unbekannten bestand und man einen prominenten Namen auf die Filmplakate drucken konnte; er spielt einen Dozenten, der mit seinen Studierenden Pot raucht.
Kennen wir heute High-School- und College-Komödien zuhauf, so ist „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ doch das Original; ein Film, in dem hochklassige Bildungsstätten nicht allein als Orte disziplinierter Wissensaneignung, sondern als Freiräume experimenteller Eskapaden des Jugendalters präsentiert werden. Mehr oder minder subtil gibt sich „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ als linksliberale Breitseite gegen das neokonservative Establishment: So soll der gnadenlos autoritäre Universitätsdirektor an Präsident Richard Nixon (1969–74) angelehnt sein, als größte anzunehmende Lebenskatastrophe gilt unter den Deltas der Einzug zum Militärdienst und die schleimigen Kommilitonen von der Nachbarverbindung erinnern an Nixon-Mitarbeiter.
„Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ war finanziell extrem erfolgreich. Bei drei Millionen Dollar Budget spielte das Werk weltweit abenteuerliche 140 Millionen Dollar ein, mit „Delta House“ (1979) folgte obendrein ein dreizehn Episoden umfassender TV-Ableger. Aber auch für die Beteiligten hatte der Film biografische Bedeutung. Regisseur Landis machte er nach dessen Debütarbeiten „Schlock – Das Bananenmonster“ (1973) und „The Kentucky Fried Movie“ (1977) berühmt, für viele Cast-Mitglieder war er Ausgangspunkt oder Beschleuniger junger Schauspielkarrieren. Unter den Feierbiestern befinden sich allerhand inzwischen aus Fernsehserien bekannte Gesichter, darunter Peter Riegert (u.a. „The Good Wife“), Bruce McGill (u.a. als Jack Dalton in „MacGyver“) und Tim Matheson (u.a. „The West Wing“). „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ war außerdem das Leinwanddebüt von Karen Allen, die wenig später an der Seite von Harrison Ford in dem Indiana-Jones-Auftakt „Raiders of the Lost Ark“ (1981) spielte; und von Kevin Bacon, dessen Auftritt hier allerdings derart marginal ist, dass ihn die Platzanweiser bei der Filmpremiere nicht als Mitwirkenden erkannten und ihm einen Sitz bei der Filmcrew verwehrten.
Neben Dan Aykroyd und Chevy Chase gehörte John Belushi (1949–82) zur Urbesetzung der mittlerweile legendären Fernsehshow „Saturday Night Live“ (1975–) und war zwar in den USA bereits ein prominenter Comedian, doch erst mit „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ begann seine zwar kurze, aber beachtliche Filmkarriere. Diese währte nur drei Jahre, ehe Belushi 1982 an einer Überdosis von Heroin und Kokain verstarb; und doch trug sie ihm mit Hits wie „1941“ (1979) und dem ersten „Blues Brothers“-Film (1980) den Status eines unvergesslichen Comedy-Stars ein. Schon damals, 1977, quartierte Regisseur John Landis den berüchtigten Partyhengst Belushi und dessen Frau in einem weit vom Set entfernten Haus ein, damit der kapriziöse Comedian unbehelligt von Drogen und Alkohol fit für die Dreharbeiten blieb. Belushis Charakter Bluto, den er in „Ich glaub’, mich tritt ein Pferd“ gab, avancierte 1979 überdies zur Ikone einer Welle von Toga-Partys. „Toga! Toga! Toga!“
TextRobert Lorenz
: