Filmtipp

On Golden Pond (1981)

Kurzbeschreibung: Manchmal ist das wahre Leben kitschiger als Hollywood: Jane Fonda brachte „On Golden Pond“ auf die Leinwand, um wenigstens vor der Kamera mit ihrem Vater Henry eine Vater-Tochter-Intimität herzustellen. Der alte Fonda bekam für diese Familienkatharsis den Hauptdarsteller-Oscar, der ihm so lange versagt geblieben war – gerade noch rechtzeitig vor seinem Tod kurz nach dem Film.

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Was war das für ein phänomenaler Erfolg, als Ende März 1981 gleich beide Hauptdarsteller von „On Golden Pond“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurden, für einen Film, in dem es überhaupt nur drei, vier richtige Rollen gab. Und man würde noch heute die Academy verfluchen, hätte sie anders entschieden. Katharine Hepburn und – fast noch mehr – Henry Fonda waren einfach zu gut, zu bezaubernd, zu mitreißend, um bei Hollywoods alljährlicher Selbstbeweihräucherung leer auszugehen.

Die Handlung von „On Golden Pond“ ist denkbar simpel, und damals oft für ihren Kitsch verunglimpft worden, den vor allem der heimelnde deutsche Titel in seiner wörtlichen Übersetzung („Am goldenen See“) verheißt. Im Grunde geht es um ein altes Ehepaar, das wie jedes Jahr in seinem Ferienhaus am See einkehrt, um einige Wochen in einer weitgehend unberührten Natur, doch mit dem Komfort der westlichen Zivilisation zu verbringen (gedreht wurde am Squam Lake in New Hampshire, der sich über fast dreißig Quadratkilometer erstreckt). Die beiden Alten lieben sich und sind mit Gedanken an ihre letzten Lebensjahre belastet; Ethel Thayer (Hepburn) kümmert sich um den Haushalt und schickt ihren Mann zum Beerenpflücken in den Wald; Norman (Fonda) versucht, seine innige Liebe zu Ethel hinter ständigem Genörgel zu verstecken, und geht Fischen. Geldsorgen haben sie offenbar keine, aber allmählich entschwinden die Lebensgeister ihren Körpern. Hepburns Ethel zuckt immerzu mit dem Kopf und Fondas Norman hat Herzprobleme und ein löchriges Gedächtnis.

Die Story von „On Golden Pond“, die Ernest Thompson im Alter von 28 Jahren schrieb und die 1978 in New York uraufgeführt wurde, wo sie sich binnen einem Jahr den Weg an den Broadway bahnte, ist nur ein Vehikel für die Performances von Hepburn und Fonda. Sie machen aus dem ansonsten vielleicht allzu seichten Drama ein großartiges Werk. Vielleicht nur wenige andere hätten diese Rollen so spielen können: zwei Giganten Hollywoods, vor der Kamera groß geworden in den 1930er und 1940er Jahren, die schon 1980 eine gefühlte Ewigkeit zurücklagen; und zwei tatsächlich tattrige Menschen, die ebenso tattrige Charaktere spielen: Fonda war gebrechlich, vom Krebs gezeichnet und überlebte den Film bloß um ein knappes Jahr; Hepburn indes, obwohl zwei Jahre jünger, erreichte mit 96 Jahren bei ihrem Tod im Jahr 2003 ein geradezu biblisches Alter – viele Filme drehte sie nach „On Golden Pond“ freilich nicht mehr. Und dann dieser Besetzungscoup: Als Chelsea, das einzige Kind der Thayers, inzwischen eine erwachsene Frau, herannaht, erkennt man Jane Fonda, die „echte“ Tochter Henry Fondas (für diesen Nebenpart oscarnominiert). Als wolle sie ihre kurz darauf veröffentlichen Fitness-Videos bewerben, zeigt sich Jane Fonda in ihren wenigen Szenen meist mit sonnengebräuntem Teint im Badeanzug und in athletischen Posen.

On Golden Pond“ ist eine wunderbare Botschaft für die Altersgesellschaft, produziert lange bevor diese Vorstellung uns überhaupt beschäftigt hat. Eine lebenslange Liebe, eine Beziehung, die vermutlich hunderte Krisen überstanden hat, um dann in einer Situation wie am Golden Pond, am Waldrand und Seeufer im tiefsten Neuengland, anzukommen, in der sich die beiden Partner nicht verlieren wollen, aber unabwendbar mit ebendieser Gefahr konfrontiert sind.

Das idyllische Areal und die akademische Familie wirken wie eine Bilderbuchmetapher für das intellektuelle Ostküstenamerika, das sozialliberale Bildungsbürgertum, das schon immer – auch als Klischee – den Kontrast zu dem berüchtigten anderen Klischee, den Rednecks und Hillbillys, gebildet hat. Das klapprige Ehepaar Thayer hat hier seinen Fluchtpunkt, der längst eine Konstante in ihrem Leben ist, kultiviert zur Familientradition. Das kleine Gebäude, mehr Hütte als Haus, ist bis unter das Dach gefüllt mit Erinnerungen. Norman Thayer, ein emeritierter Collegeprofessor, hat es seiner Familie nie leicht gemacht. Und mehrfach wird die Tochter während des Films mit Vorwürfen wegen ihrer Kindheitstraumata hervortreten, bis sie sich eine Ohrfeige ihrer Mutter einfängt. Man spürt dann förmlich, dass Chelsea etliche Therapiestunden absolviert hat, während ihr Vater griesgrämig im Hintergrund auf die nächste Gelegenheit für einen seiner zynischen Kommentare lauert. Gleich bei ihrer Ankunft fragt er sie nach Hersteller und Modell ihres Mietwagens; aber sie weiß keine Antwort zu geben und fühlt sich wie in einer Schulprüfung vor einem ernst dreinblickenden Lehrertribunal statt im wohligen Schoß ihrer Familie. Ganz beflissen wird sie sich dann beim nächsten Mal einprägen, mit welchem Fahrzeug sie ankommt – aber da interessiert es den zwischenzeitlich geläuterten Vater nicht mehr.

Die Ursache ihres angespannten Tochter-Vater-Verhältnisses, eines aus Chelseas Sicht lebenslang unausgesprochenen Konflikts, ist so banal wie traurig: Norman hätte sich viel lieber einen Sohn denn eine Tochter gewünscht. Und so revanchiert sich Chelsea stillschweigend, indem sie dem alten Nörgler einfach den pubertierenden Sohn ihres neuen Freundes vor die Nase setzt – für einen ganzen Monat, den Norman und Ethel nun auf Billy Ray (Doug McKeon), den Sohn von Bill Ray (Dabney Coleman), einem Zahnarzt, aufpassen sollen, während sich Bill und Chelsea in Europa vergnügen. Billys erste Handlung besteht darin, den Thayers seine Abreise anzukündigen. Aber schnell bringt ihn Norman mit den Pferdestärken seines Motorboots und der Faszination für das Angeln nach großen Fischen unter seine Fittiche – und beide lernen voneinander: Gelassenheit und Nachsicht der eine, Disziplin und Geduld der andere.

Auch vor der Kamera fand ein Generationentreffen statt: Jane Fonda, die noch im klassischen Hollywood ihre Karriere mit Mainstream-Produktionen wie den Romantischen Komödien Tall Story“ (1960) oder Any Wednesday“ (1966) begonnen hatte, dann aber in den Siebzigern mit kritischen Werken im Geiste New Hollywoods zum Superstar avanciert war (inklusive zwei Hauptdarstellerinnen-Oscars: 1971 für Klute und 1978 für Coming Home). Die Hepburn, eine dreifache Oscapreisträgerin und inzwischen Ikone des „alten“ Hollywood, eine vornehme Ostküstendame in ihren frühen Siebzigern, sah sich offenbar zur Mentorin der dreißig Jahre jüngeren, Anfang vierzigjährigen Kollegin berufen. Denn gleich am Anfang ihrer Zusammenarbeit machte sie ziemlich deutlich, dass sie von Fonda nichts anderes erwarte, als den Stunt – eine Rolle rückwärts vom Bootssteg aus – selbst zu performen (obwohl Fonda da bereits ein Double bereitstehen hatte).

Um nicht kleinbeizugeben, sah sich Fonda nun genötigt, mehrere Wochen lang den Sprung zu trainieren, der zwar im Zentrum ihrer Schlüsselszene stand, den aber unbemerkt und insofern völlig problemlos auch eine andere hätte vollführen können. Und als Fonda – die Tränenexpertin, von der es hieß: „She can cry on demand and in the quantity you want. She can cry a drop or a bucket on cue, depending“[1] – einmal im entscheidenden Moment vor der Kamera die Tränen ausblieben, da war es Hepburn, die sich heimlich ins Gebüsch vor Fonda schlich und diese mit entschlossener Gestik und Mimik zum Weinen anspornte. Mit Druck und Trost, einer Mischung aus Fürsorge und Konkurrenz, trieb die Hauptdarstellerin Hepburn die Nebendarstellerin Fonda zu Höchstleistungen an. Am Ende, nach den Oscarverleihungen, die ihr die bis heute unerreichte Zahl von vier Trophäen eingebracht hatten, triumphierte Hepburn, die ihr Leben noch etwas heftiger als andere der Schauspielkarriere verschrieben hatte, vermutlich nicht ohne Erleichterung im Telefongespräch mit Fonda, der zweifachen Ocsarpreisträgerin: „You’ll never catch me now!“[2]

Das vielleicht Faszinierendste an „On Golden Pond“ ist aber die Parabel auf die Beziehung zwischen Jane und Henry Fonda – der berührend verzweifelte Annäherungsversuch der liebesbedürftigen, unsicheren Tochter an den distanzierten Vater. So hatte die Tochter die Filmrechte gekauft, um die vielleicht letzte Gelegenheit zu nutzen, an der Seite ihres Vaters zu spielen und sich wenigstens auf dieser künstlerischen, professionellen Ebene – am Set – näherzukommen. In ihren Memoiren schrieb Jane Fonda von ihrer Hoffnung, dass ihr Vater womöglich hinter der Maske eines fiktiven Charakters seine Gefühle offenbaren würde. Vor Aufregung, intime Worte aufzusagen, die sie im echten Leben nie auszusprechen gewagt hat – und doch immer aussprechen wollte –, hat sie sich vor der Szene mit ihrem Vater angeblich erst einmal übergeben. Doch wie so oft reichte das wahre Leben nicht an das fiktive im Film heran. Partout ließ sich der alte Fonda keine glaubwürdige Emotion im Angesicht seiner Tochter entlocken, die nicht seiner absoluten Professionalität vor der Kamera zu entspringen schien und seine Schauspielerei korrumpiert hätte.

Jane Fonda konnte sich trotzdem freuen. Denn mit ihrem Filmprojekt krönte ihr Vater eine vollkommene Karriere. Zwar hatte Henry Fonda im Jahr zuvor den berüchtigten Ehren-Oscar erhalten; doch für alle fühlte es sich damals wohl so an, als wolle Hollywood etwas beschämt einem seiner großartigsten Geschöpfe noch die verdiente Ehre erweisen, ehe es zu spät wäre; schließlich war Fonda da bereits Mitte siebzig und wirkte nicht mehr allzu rüstig. Und obwohl Fonda ein Inbegriff des US-amerikanischen Kinos des 20. Jahrhunderts war, eine Legende und Ikone, war er – im Unterschied zu seiner mit Nominierungen und Preisen überhäuften Filmpartnerin Hepburn – zuvor als Schauspieler lediglich einmal nominiert gewesen: 1941 für The Grapes of Wrath“ (1940) für die beste Hauptrolle. Nun wurde 1982 beim Oscar-Zeremoniell sein Name verlesen, während er bereits sterbenskrank zu Hause geblieben war und Jane Fonda die Statuette stellvertretend entgegennahm. Das war dann doch ein bisschen wie in „On Golden Pond“.

[1] Fred Zinnemann zitiert nach Nolletti Jr., Arthur: Conversation with Fred Zinnemann (1993), in: Miller, Gabriel (Hg.): Fred Zinnemann. Interviews, Jackson 2005, S. 109–134, hier S. 115

[2] Katharine Hepburn zitiert nach Jane Fonda: My Life So Far, London 2006, S. 439.

Text verfasst von: Robert Lorenz