Filmtipp

Yukon – Ein Mann wird zur Bestie (1981)

Kurzbeschreibung: In der verschneiten Wildnis Kanadas eskaliert eine Privatfehde zur Menschenjagd – „Yukon“ inszeniert mit Charles Bronson und Lee Marvin zwei der verwegensten Hollywood-Gesichter in einem strapaziösen Überlebenskampf.

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Das kanadische Yukon, im November 1931: In all ihrer Langeweile und Ziellosigkeit lassen sie Hunde gegeneinander kämpfen – ein blutrünstiges, erschütterndes Schauspiel. Wenige Sekunden, bevor der unterlegene Rüde totgebissen würde, schreitet jemand ein und wird für diese ungebetene Intervention sogleich von dem Besitzer wütend angegangen. Der Hunde-Retter ist Charles Bronson; und mit seiner weltberühmten Charles-Bronson-Stoik wirft er den Hunde-Quäler Ed Lauter – einen von Hollywoods besten Nebendarstellern für die Rolle des zwielichtigen, hinterhältigen Fieslings – zu Boden und drückt ihm seinen Stiefel auf die Brust. Lauter spielt Hazel, einen ortsansässigen Unternehmer, der einige üble Typen unter seinen Fittichen hat; Bronson ist der fremde Trapper Albert Johnson – gerade in die Region gekommen, um sich irgendwo in den Wäldern an einen einsamen Ort, fernab der Zivilisation und ihrer Niedertracht, zurückzuziehen. Aber in diesem Augenblick will er bloß den ekelhaft von Menschen malträtierten Hund retten; dafür wirft er dessen Besitzer einen Hundert-Dollar-Schein herab – eine damals immense Summe. Und als Hazel verblüfft ist über diese kompromisslose Investitionsbereitschaft und auf den höheren Wert des Tieres hinweist, das er vor wenigen Minuten noch hatte töten lassen wollen, wirft ihm Johnson einen weiteren Hunderter herab – die Kamera zeigt dabei Bronson vom Bein aufwärts aus der Perspektive des daniederliegenden Lauter.

Johnson hockt vor seiner Blockhütte unf füttert den Hund.

Noch während Johnson mit dem auf einen Schlitten aufgebahrten, liebevoll zugedeckten, halbtoten Hund davontrottet, schwört Hazel Rache für diese Erniedrigung vor den harten Kerlen des Yukon Territory – unter dem freilich erlogenen Vorwand, man habe ihn bestohlen, weil das Tier weitaus mehr Wert sei. Bei einem Händler deckt sich Bronson mit Proviant und Waffen ein, inklusive eines Jahresvorrats an Munition. Damit bezieht er dann am Waldrand, in einer menschenleeren Gegend, eine Blockhütte. Den grauenvoll verwundeten Hund pflegt er zärtlich gesund; und zu dem leidenden Tier spricht er beinahe mehr Worte als im gesamten Film – ein Ausdruck seiner misanthropischen Haltung, die sich fast immer als gerechtfertigt herausstellen wird.

Menschengruppe in dicker Winterbekleidung vor dem Hintergrund einer verschneiten Berglandschaft.

Natürlich bleibt Johnson das friedfertige Eremitendasein verwehrt – durch die Menschen, von denen er sich doch schnellstmöglich abkehren wollte. Hazel rückt an, mit reichlich bewaffneter Verstärkung. Sie wollen Johnson aus seiner Hütte locken und hinterrücks abknallen. Aber weil Hazel feige und schlau zugleich ist, schickt er zwei seiner Halunken an die Tür des Trappers. Die beiden geben sich als ausgehungerte Reisende aus und appellieren an Johnsons Mitmenschlichkeit. Der, menschlich und gerissen zugleich, lässt sie aber nicht hinein, sondern schließt die Tür, um ihnen etwas Essen zuzubereiten. Als er heraustritt, beginnt das Gefecht: Schüsse fallen und der inzwischen genesene Hund, nun treuer Gefährte seines neuen Besitzers, sprintet zu seinem alten Peiniger, wirft ihn um und verbeißt sich in dessen Gesicht. Johnson hat nun alle Mühe, sich gegen den bewaffneten Überfall zu wehren – und er kann nicht verhindern, dass Hazels Häscher den Hund töten.

Nahaufnahme von Hazel, der von Johnsons Stiefel zu Boden gedrückt wird.

Einer von Hazels Männern ist es, der den buchstäblich wütenden Hund ins Visier nimmt und erlegt; bei diesem hinterhältigen Tötungsakt verzieht sich sein Mund zu einem diabolischen Grinsen. Nur einen Augenblick später wird der Hundemörder von Johnsons Schuss getötet; und man sieht, wie das Projektil einen Teil seines Haupts heraussprengt. Die übrigen Männer ergreifen die Flucht und sind ernsthaft empört über die Reaktion Johnsons und dessen tödlicher Notwehr. Wutschnaubend bestürmt Hazel den örtlichen Vertreter von Recht und Ordnung, Sergeant Edgar Millen (Lee Marvin) von der kanadischen Mounted Police, gegen den vermeintlich gemeingefährlichen Johnson vorzugehen – und ist dieser nicht vielleicht, so wird auch gleich die Dorfbevölkerung aufgewiegelt, der berüchtigte „Mad Trapper“, der Toten das wertvolle Zahngold herausbricht?

Millen – ein erfahrener Frontier-Bewohner, der wie ein ganz normaler Bürger dieser Gegend aussieht, die Bar seinem Büro vorzieht, ständig ein Schnapsglas im Anschlag hat und seine Dienstuniform längst in einem Koffer verstaut hat – sieht sich gezwungen, die Sache aufzuklären. Gerade hat man ihm einen neuen Untergebenen zugeteilt: den gestriegelten Constable Alvin Adams (Andrew Stevens), der mit seiner makellos roten Uniform, adretter Frisur und disziplinierter Haltung in diesem gottverdammten Ort deplatzierter nicht sein könnte.

Nahaufnahme von Constable Stevens in der roten Uniform der kanadischen Bergpolizei mit bedächtigem Blick nach schräg unten.

Als Millen gemeinsam mit seinen Leuten und Hazel mitsamt dessen Männern die Hütte des vermeintlichen Mörders Johnson umstellt, weiß Millen längst, was sich dort in Wirklichkeit zugetragen hat. Doch einer von Hazels Männern bringt die extrem angespannte Situation zur Eskalation, als er einen Schuss abfeuert auf Johnson, der sich durch das Fenster mit Millen unterhält. Johnson schießt zurück und trifft den Schützen am Hals. Die Fensterklappe schließt sich und von da an wird Johnson mit seinen Gegnern und Feinden den Rest des Films über kein Wort mehr wechseln. Als Millen in seine Stellung zurückgeht, tritt er voller Wut die Leiche des soeben Niedergeschossenen, aus dessen Halsschlagader noch rhythmisch das Blut schwappt („You son of a bitch!“).

Drei Schergen von Hazel in Winterkleidung, wobei der mittlere eine doppelläufige Shotgun im Anschlag hat.

Die nun folgende Sequenz ist eine großartig inszenierte, absurde Belagerung: Ein Mann hat sich in seiner Holzhütte verschanzt und hält eine kleine Armee in Schach. Johnson ist bestens vorbereitet: Im Innern der Hütte hat er den Boden ausgehoben, sodass Millens erste Belagerungsstrategie scheitert („Shoot low.“). Außerdem hat er an mehreren Öffnungen Gewehre drapiert, zwischen denen er während der Feuergefechte hin- und herspringt. Eine Szene hat ihn zuvor gezeigt, wie er den beidhändigen Einsatz zweier Flinten übt – eine Einstellung wie später in „The Terminator“ (1984). Und Millen weiß, dass Johnson sie in der Kälte problemlos aushungern kann.

Blick in Millens Büro.

Also lässt er seinen Kompagnon „Sundog“ (Carl Weathers), der mit bürgerlichem Namen George Washington Lincoln Brown heißt – einen Schwarzen, den dessen Mutter einfach mit den Nachnamen berühmter weißer US-Präsidenten ausgestattet hat –, einen Satz Dynamit auf das Dach der Hütte werfen. Das Gebäude zerbirst daraufhin; aber heraus springt Johnson und jagt mit einem infernalischen Dauerfeuer seine Feinde in die Flucht. Diese Szene ist nicht sonderlich plausibel, weil man sich fragt, wie Johnson diese gewaltige Detonation, die von der Hütte nur ein paar Bretter übrig gelassen hat, eigentlich überleben konnte – aber sie bildet den Auftakt für die titelgebende „Death Hunt“.

Blick in das Getümmel einer kleinen Frontierstadt an Kanadas Peripherie.

Und für diese strapaziöse Verfolgungsjagd durch Schnee und Eis bietet der Film mit Lee Marvin und Charles Bronson gleich zwei der raubeinigsten Gesichter Hollywoods auf. Die Jagd führt durch die verschneite, eiskalte Bergregion Yukons, durch die sich Johnson nach Alaska retten will. Und bei diesem völlig wahnwitzigen Unterfangen nötigt er seinem Verfolger Millen so viel Respekt ab, dass der schließlich sagt: „He deserves me. Not them“, als sich in ihrem Schlepptau gierige Kopfgeldjäger tummeln, weil die Regierung eine Belohnung auf Johnsons Tod ausgesetzt hat.

Nahaufnahme von Millen in Schneekleidung.

Der Film ist keiner, den man wegen seiner Handlung oder den ausgefeilten Charakteren guckt. Sondern er fängt eine Stimmung, ein (soziales wie meterologisches) Klima ein. Wir sehen die karge Gegend, die kleine Stadt aus Holzgebäuden und Zelten, die überhaupt nicht nach den 1930er Jahren, sondern allenfalls nach der Mitte des 19. Jahrhunderts aussieht. Die misstrauischen Gesichter der ständig wachsamen, gewaltbereiten Menschen. Dann die Belagerung von Johnsons Blockhütte oder die Verfolgung durch die eiskalte Berglandschaft: die Mimik der Jäger und des Gejagten.

Death Hunt“ lehnt sich sogar an ein historisches Ereignis an: die Jagd der Mounties auf Albert Johnson, den „Mad Trapper of Rat River“, der schließlich im Februar 1932 umzingelt und getötet wurde. Der Film weicht davon allerdings ab, denn Charles Bronson ist sein Held und unschuldig Verfolgter (wodurch der deutsche Subtitel „Ein Mann wird zur Bestie“ noch absurder klingt). Hinzu kam auch die Wendung, dass der Film-Johnson nicht einfach nur ein hartgesottener Grenzlandbewohner ist, sondern ein Weltkriegsveteran mit besonderer Ausbildung, ein Überlebens- und Tötungsspezialist, der seine anfangs ahnungslosen Verfolger mit all seinen Fähigkeiten überrascht und überfordert – wie im Jahr darauf John Rambo in „First Blood“ (1982): ein vermeintlicher Vagabund, der sich als kampferprobter Vietnam-Veteran und tödlicher Green Beret entpuppt.

Nahaufnahme von Sundog in Winterbekleidung unterwegs mit seinem Pferd.

Charles Bronson, der in seinen Rollen wie vielleicht kein Zweiter innere Ruhe mit präziser Gewaltanwendung verbindet, ist eine Idealbesetzung für den gejagten Trapper. James Devis’ Kamera spielt ständig mit Bronsons markanter Augenpartie – etwa als Bronson hinter seiner schmalen Schießscharte hockt und sich diese Konstellation in seinen beiden Augen fortsetzt, die ebenfalls bloß Schlitze sind. Und wenn Bronson eingehüllt in seiner dicken Fellmontur durch die verschneiten Berge stapft, wirkt das, als sei diese unwirtliche Gegend sein natürliches Habitat.

Nahaufnahme von Johnsons Augenpartie hinter einer Schießscharte.

Auch Lee Marvin passt natürlich ganz wunderbar auf die Rolle des wortkargen Routiniers, den die Umstände einer sich wandelnden Gegenwart mindestens genauso plagen wie seine ärgsten Feinde. Neben den Frontier-Egoisten und auf billige Sensationen lauernden Reportern gehört dazu vor allem der Flieger Captain Tucker (Scott Hylands), der auf einem zugefrorenen See am Hang der Berge landet, wo Millens Trupp gerade dem Flüchtigen dicht auf den Fersen ist: Mit der fahrlässigen Arroganz des Technik-Avantgardisten spielt er sich gegenüber dem ergrauten Millen als Repräsentant einer neuen Ära auf: „The future has arrived“, verkündet er. Und Millen entgegnet mit der rauen Lee-Marvin-Stimme: „Well, if you’re part of the future … I don’t want to see it.“ Allein für diese rotzige Dialogzeile musste man Lee Marvin engagieren.

Millen signalisiert inmitten der Schneelandschaft mit seinen Armen in Richtung einer mit Schlitten herannahenden Gruppe.

Dass jedoch die Beherrschbarkeit der Technik durch Menschenhand schon immer ihre Grenzen gekannt hat, ruft der Film sogleich ins Bewusstsein, als Tuckers Maschine durch einige Schüsse Feuer fängt, außer Kontrolle gerät und unter dem Entsetzensschrei ihres übermütigen Piloten an einem Bergmassiv zerschellt. Die nordamerikanische Wildnis ist eben nur für Menschen geschaffen, die von Lee Marvin und Charles Bronson gespielt werden.

Text verfasst von: Robert Lorenz