Filmtipp

Ein stahlharter Mann (1975)

Kurzbeschreibung: In seinem Regiedebüt inszeniert Walter Hill mit „Ein stahlharter Mann“ nicht nur die Härte drastischer Faustkämpfe, sondern fängt auch die südstaatlich-verwunsche Aura des alten New Orleans ein.

Social-Media-Optionen

Mit hupendem Getöse rollt ein Frachtzug der „Southern“ an der Kamera vorüber, eine Gitarre beginnt zu spielen und Charles Bronson erscheint im Dunkel einer offenstehenden Waggontür. Er trägt einen Koffer und eine Ballonmütze, verzieht mit seinen zusammengekniffenen Augen – dem berühmten Bronson-Blick – keine Miene und wirkt überhaupt insgesamt wie eine idealtypische Verkörperung des heimatlosen Wanderarbeiters, des Drifter, im Amerika der Great Depression in den 1930er Jahren. Aus der Nicht-Mimik, die Bronson seiner Figur hier verleiht, spricht so vieles mehr, als wenn sich dieses kontinentale Gesicht bewegen würde. Mit einem sanften Sprung geht Bronson von Bord und läuft auf einen verlassenen Industriekomplex zu – alles hier, die Gebäude, die Gleise, die Vegetation, sieht aus, wie es auch in hundert Jahren noch aussehen könnte.

Bronson ist Chaney, ein Mann auf der Suche nach einem Job. Mit Chaney schreiten wir in der Abenddunkelheit in die Katakomben der Industrialisierung, in irgendeinen entlegenen Trakt eines Lagerhauses, aus dem aufgeregte Stimmen ertönen. Im spärlichen Schein der Deckenleuchten haben sich zwei, drei Dutzend Männer versammelt, um ihre Wetteinsätze für den illegalen Boxkampf festzulegen, der dort gleich beginnen wird. Die Kämpfer verprügeln sich mit bloßen Händen, alles ist erlaubt, außer wenn einer am Boden liegt.

Nahaufnahme von James Coburn in der Pose eines windigen Geschäftsmannes.

Inmitten dieser gewaltfreudigen Meute wedelt James Coburn als Wettmanager Speed mit einem Geldscheinbündel, während er mit schnarrender Stimme die Quoten hochzutreiben versucht. Dann knallen sich die beiden muskelbepackten Kämpfer so sehr die Fäuste an ihre Schädel, dass jedes Mal ein dumpfes Geräusch von der brachialen Gewalt kündet. Aber genauso archaisch verhält sich das schreiende Publikum, das sich mit ständigen „Go, get him!“-Rufen an der Schlägerei berauscht – mit einem letzten Hieb auf den Kopf des Unterlegenen endet dann der Kampf und Coburns Speed ist um ein paar Dollar leichter. Als er sich in einer „Oyster Bar“ an den schleimigen Delikatessen von Louisiana gütlich tut, sitzt unversehens Chaney an seinem Tisch – er hat den Kampf beobachtet und will nun, dass Speed ihm einen Fight arrangiert. Wieder zurück in der schummrigen Industriehalle streift Speed seinem neuen Schützling die Jacke vom Leib, während der Newcomer Chaney von seinem Kontrahenten gleich eine Beleidigung wegen seines Alters kassiert. Natürlich sagt Bronsons Chaney dazu kein einziges Wort, sondern legt ein leises Lächeln auf seine Lippen und haut den Mann, der eben noch einen Kraftprotz windelweich geprügelt hat, mit einem einzigen Schlag bewusstlos.

Charles Bronson als Streetfighter in Zweikampfpose in einer hitzigen Arena vor Publikum mit einem von Robert Tessier gespielten Gegner.

Faustkampf vor Publikum in Untergrundatmosphäre.

Auf der anschließenden Zugfahrt nach New Orleans kann man förmlich hören, wie in Speeds Gedanken die großen Summen rattern, die er mit einem wie Chaney machen kann. Er handelt einen Deal aus, an dem auch Poe beteiligt ist: ein Opiumsüchtiger, der sein Medizinstudium abgebrochen hat, aber geschundene Kämpfer verarzten kann. Poe ist optimistisch, denn Chaney hat „reasonably thick skin“ und keine „calcium deposits“ in den Händen. Ihn spielt Strother Martin, der hier aussieht wie eine Südstaaten-Variante von Richard Attenboroughs John Hammond aus Jurassic Park“ (1993), aber natürlich mit seinem unverwechselbaren Südstaatensingsang in der Stimme, der immer nur haarscharf die Grenze hält zwischen gutmütig und diabolisch.

Charles Bronson mit muskulösem Oberkörper im weißen Unterhemd aus der Froschperspektive.

Chaney hat einen simplen Plan: Mit der Hilfe des wieseligen Speed will er in New Orleans schnell viel Geld verdienen, um sich dann wieder aus der Streetfighter-Szene zurückzuziehen („Better than working at the bus station changing tyres for two bucks a day.“). Als ihn Lucy (Jill Ireland, die damals mit Bronson verheiratet war), mit der er sich gelegentlich trifft, nach seinem Job fragt, hat Chaney die entwaffnend präzise Antwort parat: „I knock people down“.

Nahaufnahme von Charles Bronson in Drifter-Outfit.

Ein stahlharter Mann“ ist allerdings kaum das, was der deutsche Titel von „Hard Times“ und die ursprüngliche Absicht, ihn „Streetfighter“ zu taufen, vermuten lassen. Zwar könnte man den Film darauf reduzieren, dass Charles Bronson in einem Güterzug vorbeikommt, harte Männer für viel Geld zu Brei schlägt und wieder abreist. Und natürlich beeindrucken die (relativ wenigen) Fights, die sich Bronson liefert – vor allem wenn er gegen den Champion der Stadt antritt, den kahlköpfigen Muskelberg Jim Henry, den Robert Tessier ziemlich genial spielt und der immer grinst, wenn er einen Schlag auf den Kopf einsteckt. Mit ihm liefert sich Bronson, unter den gierigen Blicken des über drei Etagen eines Fabrikgebäudes verteilten Publikums, einen epischen, fünf Minuten andauernden Faustkampf, gegen den die Kämpfe in Fight Club“ (1999) wie Schulhofraufereien aussehen.

Zusammenkunft im Grünen mit Louisiana-Flair.

Aber was „Ein stahlharter Mann“ so besonders macht, ist die Kombination dieser eigentümlichen Great Depression-Story mit einem latenten Great Depression-Feeling. Und wie alle guten New-Orleans-Filme (etwa Angel Heart“ 1987, Pretty Baby“ 1978 oder auch This Property Is Condemned“ 1966) macht auch „Ein stahlharter Mann“ die Aura der Stadt greifbar, den Schleier der Melancholie, der sich über die maroden Gebäude mit ihren schmutzigen Appartements gelegt hat. Ganze Straßenzüge wirken mit der abblätternden Farbe des einstmals weißen Anstrichs wie Relikte einer versunkenen Epoche. Da sind die zeitlosen Gangster und Glücksspieler, die auf der Jagd nach schnellem Geld sind; oder die einsame Schönheit, deren Mann im Gefängnis sitzt und die deshalb nach halbwegs passablen Alternativen Ausschau hält; oder einfach nur die Leute, die auf der Straße in den Tag hinein muszieren oder auf der Stelle tanzen.

Blick in eine weiß verkachelte Austernbar.

Ruppige Gewalt in einer Faustkampfszene.

In der Szenerie des finalen Fights verdichtet sich dann die beklemmende Aura, die von den späten 1920er und frühen 1930er Jahren in den USA ausgeht: eine dreckige Industriehalle, in der ein paar Szenen zuvor Arbeiter Austern geschält haben, wovon noch große Haufen leerer Schalen zeugen; und im Hintergrund stehen die dunklen Liefer-Lkws mit ihren „Oysters“-Schildern. Hier muss sich Chaney einem letzten Duell stellen, bei dem er gegen den mächtigsten Kämpfer antritt, den der Obergangster Gandil (Michael McGuire) auftreiben konnte, um sein verlorenes Geld zurückzugewinnen (den eigens aus Chicago geholten Faustkämpfer spielt Nick Dimitri, dessen eindringliche Augenpartie hier besonders furchteinflößend wirkt). Das Publikum dieses puristischen Showdown besteht allein aus Speed, Poe und einem Haufen Ganoven, die am Ende trotz ihres neuerlichen Scheiterns immerhin die Fairness wahren und dem bescheidenen Sieger das versprochene Geld auszahlen.

Eisenbahngleise mit industriellem Hintergrund, links im Bild geht ein Drifter.

Nachtaufnahme von Charles Bronson und Jill Ireland bei einem Spaziergang.

Das Ende von „Ein stahlharter Mann“ ist so lapidar wie sein Anfang und verzichtet auf jegliche Konvention: Weder gibt es ein romantisches Happy End mit Lucy noch setzt sich die erfolgreiche Allianz zwischen dem Boxer und seinem Manager fort. Chaneys Herz ist allerdings so groß wie die Härte seiner Schläge und er beschenkt zum Abschied den unverbesserlichen Zocker Speed, der ihm so viel Ärger eingebrockt hat und ihm bei ihrer letzten Begegnung noch eine Whiskey-Flasche auf dem Kopf zertrümmern wollte, sowie den gutmütigen Poe mit einem Bündel Geldscheinen – und sogar die im Appartement zurückgelassene Katze will Chaney versorgt wissen. Dann verschwindet er im Dunkel der Nacht.

Im Vordergrund James Coburn in selbstbewusster Pose als Speed, im Hintergrund Strother Martin als Arzt und Charles Bronson als Faustkämpfer in skeptischer Warteposition.

Text verfasst von: Robert Lorenz