The Day of the Dolphin (1973)
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„The Day of the Dolphin“ ist quasi das „Flipper“ des New Hollywood-Kinos. Und dessen Blütezeit war ja auch nicht zuletzt eingeläutet worden von Mike Nichols, dem Regisseur, der 1967 „The Graduate“ gedreht hatte. Und wie der berühmte Film über den College-Absolventen Benjamin Braddock (unvergesslich gespielt von Dustin Hoffman), der sich auf eine Affäre mit einer älteren Frau einlässt und mit dem von seinen Eltern vorgezeichneten Karriereweg hadert, ist auch „The Day of the Dolphin“ eine (allerdings legere) Roman-Adaption. Seine Essenz mag man als simpel, von naiver Moral geleitet sehen – oder als einfache Wahrheit: Eine idyllische Szenerie wird überschattet von den Machenschaften anonymer Mächte, in deren Hände unschuldige Meeresgeschöpfe zu tödlichen Werkzeugen eines Komplotts geraten.
George C. Scott spielt den Delfinforscher Dr. Jake Terrell. In der Anfangsszene des Films hält er einen Vortrag über moderne Delfinforschung; eine Frage aus dem Auditorium versetzt ihn in entsetztes Staunen: ob denn Delfine auf Englisch bis fünf zählen könnten, das habe die Fragestellerin im Fernsehen aufgeschnappt. Nein, antwortet Terrell, nur TV-Tricks seien das. Und obwohl man im Grunde weiß, dass Terrell hinter seinen lakonischen Antworten irgendeinen genialen Coup verbirgt, rechnet man doch nicht mit dem, was er kurz darauf dem Chef der Stiftung, die ihn finanziert – und damit auch den Filmzuschauern –, enthüllt: Sein Delfin kann sogar bis zehn zählen.
In höchstwahrscheinlich mühevoller, jedenfalls langwieriger Arbeit hat Terrell mit einem kleinen Team auf einer entlegenen Insel – man erreicht sie nur mit einem Wasserflugzeug oder über eine turbulente Fahrt mit dem Schnellboot – einem Delfin so weit die englische Sprache gelehrt, dass dieser mit Menschen kommunizieren und auf einfache Fragen kurze Antworten geben kann. Ein zweiter Delfin ist immerhin so akkurat dressiert, dass er dem anderen gehorcht und ebenfalls auf menschliche Befehle reagiert.
Terrell entspricht in vielerlei Hinsicht dem Klischee des genialen Wissenschaftlers: Mit unglaublicher Energie widmet er jede freie Minute seinen Forschungsarbeiten, seinem Experiment. Als seine Frau (Trish Van Devere, damals gerade frisch mit Scott verheiratet) von einem der Tiere versehentlich gebissen wird, erkundigt er sich zwar nach ihrer Gesundheit – aber sie weiß, dass er in diesem Moment doch lieber zum Delfinbecken will, um dem Grund des Vorfalls nachzuspüren und bei seinen Delfinen zu sein. Jedwede Ablenkung von dem visionären Projekt, Delfinen das Sprechen beizubringen, empfindet Terrell als unangemessene Störung – erst recht die Kommunikation mit der Stiftung, die seine Arbeiten finanziert. Vor deren Präsidenten (Fritz Weaver) muss Terrell seine hohen Ausgaben rechtfertigen und auf seine Bitte hin Öffentlichkeitsarbeit leisten.
Und Terrell ist nicht nur ambitioniert und hartnäckig, sondern kann auch unerbittlich sein. Als sein Delfin das Sprechen verweigert und durch den Kontakt mit seinem Artgenossen in seine natürliche Kommunikationsform zurückfällt, trennt Terrell die beiden Tiere, indem er sie in zwei separaten Becken unterbringt. Als der Experimental-Delfin daraufhin eine furiose Protestaktion startet und in schnellen Zügen durch das Becken kreist, um bei jeder Umrundung mit seiner Schwanzflosse gegen das Metalltor zu schlagen, das ihn vom anderen Delfin trennt, legt sich Terrell schlafen – die ganze Nacht über erträgt er die Laute ergreifender Hilflosigkeit, wenn die Flosse jedes Mal wieder an die Stahltür knallt. Natürlich ist Terrell am nächsten Morgen erleichtert, als der Delfin ihn mit englischen Worten weckt – aber er hat sich als harter Hund gezeigt, dem der Fortgang seiner Forschung nun einmal wichtiger ist als das soziale Befinden des Tieres.
Auch hat sich Terrell keinerlei Gedanken gemacht über den Umgang der Außenwelt mit den Ergebnissen seiner Forschungsarbeit. Wie den Atomforschern in Los Alamos im Zweiten Weltkrieg entgleitet dem Wissenschaftler schließlich die Kontrolle über das Resultat seiner Experimente. Als sich plötzlich dubiose Geldgeber der Stiftung aus dem Hintergrund hervorwagen (einige von ihnen wollen die abgerichteten, für menschliche Kommandos empfänglichen Tiere für ein Attentat auf hoher See einsetzen), offenbart sich Terrells Machtlosigkeit und damit die Missbrauchsanfälligkeit von Forschung. In einer vielerorts verdorbenen Gesellschaft hat die Humanität eben nicht überall die Reife erreicht, die man ihr nach Jahrtausenden zutrauen könnte und die nötig ist, um mit solch wunderbaren Erkenntnissen und Segnungen umzugehen, wie sie Terrell in einem ungemein energischen Akt der Natur entlockt hat.
Am Ende geraten die hochspezialisierten Delfine in die Hände tumber Bombenleger und Machtgenießer, die das phänomenale Werk der Forscher im Versuch vergeuden, ein politisches Attentat auf den US-Präsidenten zu verüben. Sie nutzen die Sprachfähigkeit der Delfine, um ihnen eine Mission zu erklären, in der sie Haftminen an den Rumpf einer Jacht anbringen sollen. Durch ihre zutrauliche Reinheit sind sie unfähig, im Gesagten eine Lüge zu erkennen. Damals kursierten Meldungen und Dokumentationen über die neuen „Soldaten der Meere“: Schwertwale, Robben oder Delfine, die in der amerikanischen Navy zu militärischen Zwecken ausgebildet würden. Für die Zeitgenossen in der Bundesrepublik dürfte das eine unbehagliche Vorstellung gewesen sein, kannte man doch Delfine als hilfsbereite Menschenfreunde aus der heiteren TV-Serie „Flipper“, die das ZDF 1966 erstmals ausgetrahlt hatte.
Terrell ist schließlich gezwungen, sein Projekt einzustellen, die Ergebnisse zu vernichten und sich von den Delfinen für immer zu verabschieden. Während die Mitglieder seines Teams am Strand die Dokumentation ihrer bahnbrechenden Experimente in einer schäbigen Blechtonne verbrennen, jagt Terrell die Delfine, die ihn als Vater empfinden, davon, damit sie mit ihrer unschuldigen Gutgläubigkeit nicht in die Hände der nächsten Verführer fallen.
TextRobert Lorenz
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