Filmtipp

The Postman Always Rings Twice (1981)

Kurzbeschreibung: Gier, Leidenschaft und Verzweiflung verdichten sich zu einer mörderischen Stimmung in einem Landstraßencafé, irgendwo zwischen San Diego und Los Angeles. Die nach 1946 zweite Verfilmung des Romans von James M. Cain inszeniert Jessica Lange und Jack Nicholson als laszives, zerstörerisches Paar.

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Sie küssen sich, ihre Gedanken kreisen um die gemeinsame Zukunft, das gemeinsame Kind. Verträumt bemerken sie erst spät den Lkw, auf den sie zusteuern. Frank reißt gerade noch rechtzeitig das Lenkrad herum, sodass sie mit einem kräftigen Schlenker ausweichen und der tödlichen Kollision knapp entgehen – Cora aber wird von den Fliehkräften erfasst und gegen die Tür gedrückt; diese öffnet sich und der hilflose Körper fällt aus dem unkontrollierten Fahrzeug heraus. Eine Szene, die gerade wegen ihrer Lakonie so brutal, so unbarmherzig ist. Vor allem, wenn man die Geschichte kennt, die diesem Schicksalsakt vorausgegangen ist und bis dahin 120 Filmminuten gefüllt hat.

Sie ist eine wilde Aneinanderreihung von Leidenschaft, Sex und Mord. Für die kurze Zeit der Freiheit und des unbezahlbaren Gefühls, Hoffnung auf ein besseres Leben zu schöpfen, hat Cora ihren Mann umbringen lassen und ist vor Gericht dem Schafott entkommen. Dabei spielt der Film im Grunde genommen nur an einem einzigen Ort: einem abgelegenen Straßencafé mit Tankstelle und Servicestation für das früh automobiliserte Amerika, irgendwo in der kalifornischen Dürre zwischen Los Angeles und San Diego in den 1930er Jahren. Frank Chambers (Jack Nicholson) schlägt sich mit kleinen Verbrechen durch die USA der Wirtschaftskrise – und landet bei Nick Papadakis (John Colicos), einem griechischen Immigranten, der sich mit seiner Tatkraft ein Business aufgebaut hat und nun in der selbstherrlichen Attitüde des Selfmademan über sein kleines Reich gebietet. Ein trinkfreudiger Chauvinist, aber kein Choleriker, auch kein Tyrann.

Frank Chambers sitzt an der Bar, hinter der Nick Papadakis arbeitet.

Trotzdem verschwören sich Frank und Nicks Frau Cora (Jessica Lange) gegen den Kleinunternehmer. Wenn Nick in die Stadt fährt, schlafen sie miteinander – eine Beziehung, die sich zu einer solch intensiven Affäre steigert, dass die beiden Liebenden irgendwann beschließen, den Dritten, der ihnen im Weg steht, zu töten. Das erste Mal geht gründlich schief (weil eine Katze in die Elektroleitung tapst und daraufhin das Licht ausgeht) und Nick bleibt mit einer schweren Platzwunde, die ihm seine Frau mit einem Säckchen voller Metallkugeln zugefügt hat, bewusstlos in der Badewanne liegen; er überlebt, im Glauben, bei dem Stromausfall ausgerutscht zu sein. Und was tun Cora und Frank, die haarscharf an Polizeiermittlungen vorbeigeschrammt und nur dank der Hilfe eines listigen Anwalts (Michael Lerner) mit ihrer vermeintlichen Unschuld davongekommen sind? Sie wagen ein zweites Mal einen Mordversuch, die Ultima Ratio ihres geheimen Verhältnisses.

Frank umarmt Cora und küsst sie in den Nacken.

In beiden Szenen spielt die Kameraperspektive eine entscheidende Rolle: Beim ersten Versuch, im Haus, werden Cora und Frank von schräg unten gezeigt – heimlich beobachtet –, wie sie sich zur Mordtat verabreden, ihrer gegenseitigen Liebe versichern und mit der konzentrierten Entschlossenheit der Verschwörer noch ein letztes Mal die einzelnen Schritte durchgehen. Beim zweiten Mal dominieren Closeups von Jack Nicholson: Erst, wie er – der vermeintlich Betrunkene auf der Rückbank im Auto – langsam seinen Kopf aus dem Dunkel des Mantelkragens erhebt, und dann mit verhängnisvollen Augen auf den vor ihm sitzenden Nick blickt; dann eine Nahaufnahme von dem schweren Eisenwerkzeug auf dem Sitzpolster, das Franks Hand ganz vorsichtig ergreift; dann Jessica Langes spannungsgeladenes, zwischen Angst und Euphorie changierendes Gesicht, in stumme Hysterie getaucht – und schließlich das fatale Finale, in dem der besoffen vor sich hinstammelnde Nick zu sehen ist, wie hinter ihm Franks Gesicht auftaucht, der tödliche Schlag versetzt und noch einmal Nicholson gezeigt wird, mit seinen aufgerissenen Augen, die mit einem Male von menschlichem Entsetzen in mörderische Entschiedenheit übergehen, um nach vollbrachter Tat wieder im Schatten der Hutkrempe zu verschwinden. Das hat etwas von einer Mafia-Exekution, wie man sie in den Gangsterkreisen von Al Capone, Lucky Luciano oder Frank Nitti befürchten würde.

The Postman Always Rings Twice“ ist eine englische Redewendung, die genau das vermittelt, was Cora und Frank bekommen: eine zweite Chance – Nick zu ermorden, aber auch im Anschluss an ein gescheitertes ein neues Leben zu beginnen. Hier verbünden sich zwei Menschen, die wenig zu verlieren, jedoch viel zu gewinnen haben. Die zweite Chance: Sie erhielt angeblich auch der Autor des gleichnamigen Romans, der dem Film zugrunde liegt. Der Kalifornier James M. Cain schrieb das Buch in den frühen 1930er Jahren und gab ihm besagten Titel, nachdem er von einer ganzen Legion von Verlegern abgelehnt worden war (weil die Redewendung im Deutschen nicht existierte, erschien 1950 die Übersetzung bei Rowohlt im typischen Fünfzigerjahre-Jargon mit dem Titel „Die Rechnung ohne den Wirt“). Da war das Buch bereits zum ersten Mal verfilmt worden: 1946, mit Lana Turner und John Garfield in den Hauptrollen.

Frank und Cora beim Candle-Light-Dinner.

Bob Rafelsons (Regie) und David Mamets (Drehbuch) Achtziger-Version lebt von ihrer Besetzung: von Jessica Lange und Jack Nicholson, die in lasziven Posen schwelgen, mit ihren Gesichtern mehr als tausend Worte sagen und von körperlicher Begierde zu planmäßiger Gewalt hin und her wechseln. Gleich nachdem sie Nick abgefüllt, erschlagen und in seinem Wagen einen Abhang hinuntergejagt haben, richten sie sich gegenseitig zu, um vor der Polizei als glaubhafte Unfallopfer dazustehen: Sie knallt ihm eine Schnapsflasche an die Stirn, er verpasst ihr einen Fausthieb ins Gesicht. Benommen wie berauscht von ihrer Brutalität, gehen sie zum Sex im Gras über, während in wenigen Metern Entfernung im Autowrack Nicks Leiche blutet.

Nahaufnahme von Frank Chambers im Mechaniker-Overall.

Die beste Szene kommt am Ende der ersten halben Stunde des Films: Frank will mit Cora durchbrennen, aber sie lässt ihn am Bahnhof stehen – weil er sich mit miesen Kerlen im Hinterhof in ein dubioses Kartenspiel um Geld verstrickt; aber auch, weil sie nicht in Angst leben will, von ihrem furiosen, unnachgiebigen Mann mit der gleichen Kraft gesucht zu werden, der Nick seinen Erfolg verdankt. Kurz danach trifft sie Frank hinter Nicks Tankstelle; es regnet, die Tropfen perlen von Franks durchnässter Hutkrempe ab, er trägt seinen Mechaniker-Overall, auf dessen Brust schon die ganze Zeit der Namens-Button „Phil“ genäht ist. Er ist sauer, weil ihr gemeinsamer Ausbruchsversuch misslungen ist; sie hingegen geht zur Wäschespinne, dreht sich zu ihm um – und mit einem Gesichtsausdruck, voller diabolischer Euphorie, bedeutet sie Frank, den Mann zu ermorden, der zwischen ihnen steht. „I’m getting tired of what’s right and wrong.

Text verfasst von: Robert Lorenz