Filmtipp

Billy Rose’s Jumbo (1962)

Kurzbeschreibung: Die Tochter eines notorisch überschuldeten Zirkusdirektors kämpft um Geld und Liebe. Mit viel Artistik und Musik lässt die romantische Komödie das melancholische Ambiente klassischer Zirkusromantik wieder aufleben.

Social-Media-Optionen

Amerika, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der „Wonder Circus“ zieht durch das Land, um den Menschen eine unterhaltsame Abwechslung zum beschwerlichen Alltag zu bieten. Sein Besitzer, „Pop“ Wonder (Comedian-Legende Jimmy Durante), ist im Umgang mit Geld jedoch weit weniger talentiert als mit seiner leidenschaftlichen Clownerie in der Manege und sein Unterhaltungsbetrieb deshalb andauernd überschuldet. Seine Tochter Kitty (Doris Day) muss all ihren weiblichen Charme aufbieten, um die Gläubiger zu vertrösten; aber ihr Vater kann nicht anders, als die Eintrittskasse zu plündern und das hart verdiente Geld im illegalen Würfelspiel zu verzocken.

Die Gute-Laune-Attitüde des Zirkusbetriebs verdeckt die Härte des Geschäfts: Stets im Hintergrund lauert der übermächtige Konkurrent John Noble (Dean Jagger), der den ausgezeichnet dressierten Elefanten Jumbo – die große Attraktion des „Wonder Circus“ – unbedingt seinem eigenen Unterhaltungsprogramm einverleiben will. Im Wissen um die chronischen Geldsorgen der Familie Wonder schickt er seinen Sohn Sam (Stephen Boyd), der bei den Wonders inkognito als Artist anheuert und mit der Überzeugungskraft von Dollarscheinen heimlich die „Wonder“-Belegschaft abwirbt. Der „Wonder Circus“ scheint dem Untergang geweiht – wäre da nicht die gleichermaßen kluge und schöne Kitty, die Nobles auf reines Gelddenken gegründetes Kalkül durchkreuzt.

Zwar geriert sich der Film als Musical, aber die gering dosierten Gesangseinlagen machen aus ihm eher eine romantische Komödie. Wie „Pal Joey“ (1957) basiert „Billy Rose’s Jumbo“ auf einem Broadway-Stück, zu dem sich Produzent Billy Rose in den 1930er Jahren während einer Europareise hatte inspirieren lassen (Rose hatte mit der Filmproduktion nichts zu tun, sich aber frühzeitig die Erwähnung seines Namens im Titel etwaiger Filme ausbedungen). Und ebenfalls wie bei „Pal Joey“ (u.a. „The Lady is a Tramp“) gingen aus ihm Hits hervor, so etwa „The Most Beautiful Girl in the World“, die dann auch in der Filmadaption intoniert wurden.

„Billy Rose’s Jumbo“ war allerdings kein kommerzieller Erfolg; Muscial-Verfilmungen erreichten erst später wieder eine einträglichere Konjunktur, sodass der Film seinerzeit eher anachronistisch wirkte. Gerade daraus ergibt sich allerdings aus heutiger Sicht die besondere Note des Films – denn in der Tat wirkt er angenehm aus der Zeit gefallen, fast wie eine Uralt-Hollywood-Produktion, nur eben in Farbe und mit Ton. Zirkusliebhaber und Nostalgiker dürfen sich an herrlichen Bildern von Akrobatikeinlagen und exotischen Tieren erfreuen.

Auch emanzipationsgeschichtlich ist der Film interessant: Denn Doris Day spielt hier keinesfalls eine zerbrechliche Frau, die der ständigen Hilfe starker Männer bedarf. Im Gegenteil, tritt sie auffallend selbstbewusst und eigenständig auf, ist die Heldin, der am Ende alles zu verdanken ist – tephen Boyd, der erbarmungslose Fiesling Messala aus „Ben Hur“ (1959), ist in der Rolle des filigranen Artisten und einfühlsamen Verehrers, der sich im Clownskostüm für keine Albernheit zu schade ist, bloß eine Nebenfigur. So beordert Kitty Wonder ihren glücksspielenden Vater kurzerhand nach Hause, um gegen den anfänglichen Widerstand der Männerrunde mit zwei Würfeln um Geld zu spielen. Im Zirkus führt sie die Geschäfte, teilt Arbeiten zu und entscheidet über neues Personal. Gleichzeitig verzichtet sie aber nicht auf klassisch feminine Kleidung, durchbricht also das Klischee der in allen Belangen demonstrativ von sämtlichen Konventionen abweichenden Frau und tut schlichtweg das, was ihr gefällt.

Text verfasst von: Robert Lorenz