Filmtipp

A Star Is Born (1976)

Kurzbeschreibung: Ein Film über Liebe, Ambitionen und die gefühlskalte Gleichgültigkeit der Unterhaltungsindustrie. Kris Kristofferson war damals gerade zum Country-Star aufgestiegen und spielt hier als versoffener Sänger zu einem Großteil sich selbst. Und die virtuose Stimme Barbra Streisand spielt die Sängerin, die zum großen Star wird. Eine großartige Reise in das kommerzielle Musikmilieu, eine mitreißende und berührende Geschichte.

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Die Menschenmasse jubelt ihm zu, zehntausende schreien seinen Namen, halten sein auf Papier gebanntes Konterfei hoch, singen seinen Song. Doch er hat sich ihnen abgewandt, seine Aufmerksamkeit gilt einer Frau, die mehr verlegen als schüchtern am Bühnenrand steht und sich fragt, ob das gut ist, was er da macht. Er: Das ist der Rockstar John Norman Howard, gespielt vom Country-Star Kris Kristofferson. Und sie: Das ist die noch unbekannte Sängerin, der zu gebärende Star des Filmtitels, gespielt von der bekannten, nein: legendären Sängerin Barbra Streisand. Und damit sind auch schon die beiden wichtigsten Elemente dieses Films genannt. Denn Streisand und Kristofferson bieten für „A Star Is Born“ alles auf, was in ihnen steckt. Und dabei merkt man, dass sie eben beides können: schauspielern und singen.

„A Star Is Born“ ist auch deshalb so gut, weil er gleich mehrere Ebenen berührt. Zunächst ist da eine nahezu klassische Liebesgeschichte zweier Menschen, die zusammenfinden und versuchen, es miteinander auszuhalten, die romantische Augenblicke, aber auch dramatische Momente erleben – eben das ganz banale Auf und Ab einer Beziehung, die nicht immer so bleibt, wie sie begonnen hat. Dann ist da natürlich die kraftvolle Kritik an der Musikindustrie, die sich um die kreative Selbstentfaltung der Künstler nur so lange schert, wie ihr das Geld einbringt. Das kommerzielle Diktat ist auch in „A Star Is Born“ immer wieder Thema, etwa wenn sich Esther fast schon poetisch darüber beklagt, wie sehr sie sich nach Marketingkalkülen zu verhalten habe: „They hire me and they want to change everything about me. I’m too short for the costumes, I’m too tall for the men … I’m too loud for the songs, too quiet for the jokes. I don’t know what they want.“

Und schließlich ist der Film ein Musikfilm. Gleich die Anfangssequenz zeigt Kris Kristofferson in seiner Rolle des John Norman Howard, wie er in einer pulsierenden Halle voller Menschen ein Konzert spielt, sich zum Song „Go to hell“ eine Totenkopfmaske überzieht und trotz trunkenen Zustands seine Show abliefert. Oder wenn Howard sich von Esther in seiner Luxusvilla auf dem Klavier begleiten lässt und aus seiner Verliebtheit heraus ein romantisches Lied improvisiert. All das wird übertroffen, als Esther Hoffman das erste Mal – überrumpelt von ihrem Geliebten Howard, der seine eigene Vorstellung abbricht und für sie die Bühne freigibt – erstmals vor großem Publikum singen soll, und dann ihre anfängliche Unsicherheit in eine stimmgewaltige Gesangsexplosion verwandelt. Das ist dann der titelgebende Moment: „A star is born“.

Der ganze Film ist nicht zuletzt eine ziemlich beeindruckende Demonstration des Doppeltalents von Streisand und Kristofferson, die hier beide unmissverständlich zeigen, dass sie sowohl singen als auch schauspielern können. Streisand tritt den gesamten Film über mit einer grauenvollen Dauerwelle auf und lässt oft ihren verschmitzt-trotzigen Charme aufblitzen, den sie schon in so vielen Filmen als selbstbewusste, ambitionierte Frau bewiesen hat. Ihre Esther Hoffman verdient sich zu Beginn des Films ihr weniges Geld in einem Gesangstrio an der Seite zweier schwarzer Frauen – zu dritt nennen sie sich, in Anlehnung an die berühmte amerikanische Kekssorte, die „Oreos“. Sie treten in Nachtklubs auf oder besingen Katzenfutter für eine Werbung.

Kristoffersons Figur ist dagegen ein Mann, der nahezu alles erreicht hat, für den sich fünfstellige Menschenmassen in Bewegung setzen, um zu seinen Gitarrenklängen und Gesängen abzufeiern, die seine Platten kaufen und ihm viel Geld eingebracht haben. Doch dieser Mann hat seinen Zenit längst überschritten und befindet sich auf einem fatalen Selbstzerstörungstrip. Vor seinen Auftritten torkelt er aus der Limousine oder dem Helikopter, lässt sich von seinem Manager (Gary Busey) schnell mit Kokain aufputschen und nimmt einen ordentlichen Schluck aus der Whiskyflasche, ehe er die Bühne betritt. Meistens vergisst er dann bereits im zweiten Song den Text, beschimpft das Publikum oder rast mit einem Motorrad durch die Aufbauten und vollführt ein Burn-Out. Während sein Manager ihn anschließend bekniet, vor dem nächsten Gig doch einmal auszuschlafen, ruft er seinem Fahrer zu: „Bobby, let’s go boogie.“ Immer wieder wird er sich auch später, an der Seite seiner Esther, in diesen egozentrischen Fatalismus flüchten, bei dem er sinnlos auf seinem Motorrad im Kreis fährt oder sich mit der Bierdose hinter das Steuer seines Ferrari klemmt und davon braust.

Zum Frühstück ein Bier

Howard ist das Opfer seines eigenen Erfolgs. Trotz aller Drogen und Alkoholika weiß er das auch. Gefragt, ob er nicht als Esthers Tour-Produzent fungieren wolle, antwortet er mit zynischer Selbstironie: „I can’t even keep a bank account, man.“ Diese tragische Figur erhält durch ihren Schauspieler eine besondere Bedeutung. Denn in Howard steckt auch eine Menge Kristofferson. Beide sind erfolgreiche Musiker, beide sind aber auch Alkoholiker. Wie der fiktive so trank sich auch der echte Musiker vor seinem Auftritt Mut an; der eine wie der andere bestieg betrunken Motorräder und setzte sich mit viel Alkohol ans Steuer seines Sportwagens, immer wieder begaben sie sich mutwillig in Todesgefahr. Provokationen vergelten sie mit Fausthieben und an manchen Tagen bestand beider Frühstück aus ein paar Bier. Immerhin: Der anfangs chronisch erfolglose Country-Sänger machte seinen desolaten Lifestyle mit den beiden Stücken „Sunday Morning Coming Down“ und „Help Me Make It Trough The Night“ zu Geld. In „A Star Is Born“ verarbeitet Kristofferson also ein gutes Stück seines eigenen Scheiterns, kurze Zeit später hatte er seine Trunksucht überwunden.

Der Film, der den Aufstieg von Esther Hoffman vom kleinen Kneipen-Act zum Publikumsmagneten und zur allseits gefeierten Stimme erzählt, ist auch die Geschichte vom Abstieg eines anderen Stars, eben von John Norman Howard. An ihm zeigt sich die kurze Halbwertszeit von Freundschaften und Bündnissen im professionellen Musikbusiness. Sicher, mit seinen Starallüren und seinem unberechenbaren Verhalten hat er die Geduld seiner Manager und Mitarbeiter arg strapaziert. Ärger und Enttäuschung kann man ihnen also nicht verdenken. Aber als Howard ihre Unterstützung am meisten braucht, als er versucht, sich neu zu orientieren, einen neuen Anlauf zu nehmen und es Esther Hoffman gleichzutun, da sind sie nicht mehr da, sind längst weiter gezogen und investieren ihre kostbare Zeit in andere, vielversprechende Projekte. Mit dem abgewrackten Howard, dessen Chancen auf dem umkämpften Plattenmarkt niemand abzusehen weiß, würden sie sich ein Risiko aufbürden, das zu tragen sie nicht mehr bereit sind.

„A Star Is Born“ ist ein Siebziger-Update des gleichnamigen Originalfilms aus dem Jahr 1937 und dessen Remake von 1954. Wie in den beiden anderen Versionen, in denen sich der Schauspieler Norman Maine am Ende im Pazifik ertränkt, zerbricht auch John Norman Howard an seinem Statusverlust: Während Esther noch schläft, gibt er ihr einen Abschiedskuss und schwingt sich im Morgengrauen in seinen Ferrari 165 GTB/4 „Daytona“ Spyder, mit dem er sich zu Tode fährt, um Esther vor seinem nahenden Untergang zu bewahren. Er hört dabei einen Esther-Hoffman-Song.

Diese unglaublich dramatische, berührende Szene, in der Kristofferson zu Streisands melancholischem Gesang und zum furiosen Sound des 349-PS-Roadster durch die kahle Einöde einer Wüste rast, verdichtet sich zu einer audiovisuellen Komposition, die Gänsehautgefühl aufkommen lässt. Die Kamera ist zunächst an der Fahrzeugfront montiert, wechselt dann die Perspektive zu Howards Schulter und von dort zur Motorhaube und auf die Windschutzscheibe, hinter der Kristoffersons Howard immer wirklichkeitsentrückter in die Leere starrt, ehe die Kamera auf die puristische Mittelkonsole blendet, wo Howards Hand mit einem energischen Ruck den Ferrari-typisch unverkleideten Schaltknüppel in den fünften Gang reißt, woraufhin der Motor aufheult und das rote Geschoss ein letztes Mal an der am Fahrbahnrand postierten Kamera vorbeirauscht. Veredelt wird dieses ergreifende Filmfinale durch einen Auftritt der verwitweten Esther Hoffman, die noch einmal den Song aufführt, den sie einst unter den verliebten Blicken von Howard aufgenommen hat.

Text verfasst von: Robert Lorenz