Filmtipp

Fedora (1978)

Kurzbeschreibung: Der rätselhafte Tod einer weltberühmten Filmdiva treibt den Produzenten Barry Detweiler um, nachdem er noch kurz zuvor die ominösen Lebensumstände der Schauspielerin kennengelernt hat – die künstlerische Rache des Altmeisters Billy Wilder an New Hollywood.

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„And so the fabulous face, that lit up the screens of the world for over 40 years is no more. […] The enigma of the polish born actress has never ceased to fascinate the public. Her age was variously reported to be anywhere between 60 and 70 but somehow her radiant beauty never seemed to fade.“ Mit diesen Worten verkündet eine Nachrichtensprecherin den Tod der weltberühmten (und fiktiven) Filmdiva Fedora, die – willentlich oder unbeabsichtigt – in einem Pariser Vorort unter einen Zug geraten ist. Zu ihrer aufgebahrten Leiche („They’ve done a good job on her – considering the messy way her life had ended.“) pilgern tausende von Menschen. Unter ihnen befindet sich ein Mann, der die Tote noch kurz zuvor getroffen hat und sich nach seiner Mitschuld am tragischen Ende des Stars befragt. Der anschließende Rückblick beginnt mit seiner Reise auf die pittoreske Mittelmeerinsel Korfu, auf der er die Verstorbene in deren abgelegenem Luxusdomizil aufgesucht hat, um sie für einen Film zu gewinnen. Bereits da hat ihn die Frage umgetrieben, weshalb sich der scheinbar nicht alternde Superstar vor der Außenwelt abschottet und trotz zahlloser Anfragen nicht bereit ist, das hermetische Exil zu verlassen. Erst nach Fedoras tragischem Tod stößt Detweiler auf ein düsteres Geheimnis.

Die Meinung über „Fedora“ ist gespalten und drückt sich wohl am anschaulichsten im Spiegel aus: Während ihm dort in der Ausgabe 7/1983 als einem „der besten Filme von US-Regisseur Billy Wilder gehuldigt wird, war er nur wenige Jahre zuvor, in der Ausgabe 28/1978, noch als „achtbar-rührendes Stück Vergeblichkeit“ demontiert worden, als Film, der Wilder „mißlungen ist“. Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: Der Film ist durchaus sehenswert. Denn neben einer unkonventionellen Erzählung besticht „Fedora“ nicht zuletzt mit einem illustren Ensemble: Der sichtlich gealterte, vom Alkohol gezeichnete William Holden (1918–81) spielt Barry Detweiler, einen bloß noch drittklassigen Filmproduzenten, der vorgibt, für ein spektakuläres Projekt die großen Hollywood-Studios im Rücken zu haben, aber in Wirklichkeit mit Mühe und Not gerade noch seine Reisekosten aufbringen konnte. Die exilierte, stets unerträglich fahrige Diva wird dargestellt von der Schweizerin Marthe Keller, v.a. bekannt aus dem „Marathon Man“ (1976), in dem sie an der Seite von Dustin Hoffman zwei Jahre zuvor mitgewirkt hatte. An ihrer Seite: Die dubiose Gräfin Sobryanski (die berufsmäßig verlebte Hildegard Knef – nach ihrem Tod 2002 zur letzten Diva Deutschlands erklärt –, die hier problemlos ein Double des maliziösen Imperators Palpatine in „Star Wars“ abgeben könnte), die von Fedora gerne mal als „Bitch“ beschimpft wird, unablässig in schwarz gekleidet und an einen Rollstuhl gefesselt ist; und der persönliche Schönheitschirurg Dr. Vando (José Ferrer), der sich von seinen Kollegen zu Unrecht als Quacksalber missachtet sieht und deshalb nach Sonnenuntergang die eine oder andere Cognac-Flasche leert; besonders unheimlich kommt die allgegenwärtige Sekundantin Miss Balfour daher (Frances Sternhagen, die später u.a. in den TV-Serienhits „Cheers“ als Esther Clavin, „Sex and the City“ als – selbstverständlich – anstrengende Schwiegermutter Bunny MacDougal und „ER/Emergency Room“ als Millicent Carter mitspielte). In weiteren Nebenrollen zu sehen sind Mario Adorf (ein Jahr vor der ) als gleichermaßen windiger wie hilfsbereiter Hotelier auf Korfu und der damalige Fassbinder-Favorit Gottfried John als wortkarge Kombination von Chauffeur und Schläger – Highlights aber sind zweifelsohne die Cameos von Henry Fonda (1905–82) und Michael York als sie selbst.

In „Fedora“ sieht man den William Holden, den der Alkohol und eine turbulente Schauspielkarriere übriggelassen haben. Als der Film herauskam, hatte Holden mit seinen sechzig Jahren nicht einmal das Rentenalter erreicht; und doch möchte man ihm bei seinem Anblick keine Erwerbstätigkeit mehr zumuten. Seine große Zeit vor der Kamera lag da schon lange zurück, in den 1950er und 1960er Jahren, als er etwa in „Stalag 17“ (1953) oder dem legendären Monumentalwerk „The Bridge on the River Kwai“ (1957) ebenso vital wie viril über die Leinwand flimmerte. Viele Jahre blieben ihm nach seinem Aufritt in „Fedora“ nicht mehr, 1981 schlug er sich betrunken an seinem Nachttisch in den „Shorecliff Towers“ im kalifornischen Santa Monica den Kopf auf und verblutete.

„Fedora“ ist aber auch ein Spätwerk des Komödiengotts Billy Wilder (1906–2002), genauer: sein vorletzter Film als Regisseur. Es ist außerdem seine zweite Auseinandersetzung mit Hollywood und dessen menschlichen Abgründen. Bereits 1950, also mehr als ein Vierteljahrhundert zuvor, hatte er – ebenfalls mit Holden in der Hauptrolle – Sunset Boulevard (1950) gedreht, worin es desgleichen um eine Hollywood-Ikone in unglückseliger Abgeschiedenheit ging. Und beide Filme werden von ihrem Ende her erzählt, sie beginnen jeweils mit dem unnatürlichen Tod einer zentralen Figur. Bei der anschließenden Aufklärung der Umstände – in beiden Werken entlang des von Holden gemimten Charakters berichtet – wird dann ordentlich, mit wechselhafter Tiefsinnigkeit, auf die Filmbranche eingedroschen. Ging es in „Sunset Boulevard“ v.a. um die drastische Vergänglichkeit des Starruhms und den Generationswechsel der Schauspielgarde, der sich mit der Verdrängung des Stummfilms vollzog, liegt in „Fedora“ der Fokus auf paranoidem Schönheitswahn und dem Verdruss über eine neue Generation von Filmemachern. So lässt der Altmeister Wilder seinen Protagonisten Detweiler über die „jungen Bärte Hollywoods“ herziehen, denen inzwischen eine Handkamera reiche („It’s a whole different business now. The kids with beards have taken over. They don’t need scripts, just give’em a hand-held camera with a zoom lens.“). Gemeint sind damit natürlich die Begründer des „New Hollywood“, inzwischen ihrerseits zu Legenden gereifte Köpfe wie Stanley Kubrick (1928–99) oder Francis Ford Coppola, denen alte Meister wie Wilder in der Gunst der großen Studios zum Opfer fielen.

Text verfasst von: Robert Lorenz