Filmtipp

Major Dundee (1965)

Kurzbeschreibung: Der Raid eines Nordstaaten-Offiziers mit seiner Kavallerie auf der Jagd nach einem Apachenanführer erzählt vom Machtmissbrauch eines unbarmherzigen Karrieristen und ist Sam Peckinpahs erste große Liebeserklärung an Mexiko.

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Sam Peckinpah tobte und wollte seinen Namen von der Leinwand löschen. Die Columbia erlaubte ihm nicht, Zusatzszenen zu drehen, und hatte seinen Final Cut angeblich grauenvoll verstümmelt. Dass er überhaupt noch mit dem Werk zu tun hatte, verdankte er seinem Hauptdarsteller, Charlton Heston, der auf seine Gage (angeblich 200–300.000 Dollar) verzichtete, damit Peckinpah im Gegenzug nicht gefeuert wurde – obwohl sich die beiden während des Drehs ständig stritten. Peckinpah, der sich im Verlauf seiner stürmischen Karriere immer wieder mit Studio-Verantwortlichen anlegte und als einer der schwierigsten Regisseure aller Zeiten gilt, fühlte sich bereits bei „Major Dundee“, seiner ersten Big-Budget-Produktion, hintergangen. Heston gab später zu Protokoll, dass Peckinpah ohnehin unterschwellig und völlig entgegen dem Ausgangskonzept versucht habe, einen Film wie sein späteres The Wild Bunch“ (1969) (Review auf Filmkuratorium.de lesen) zu drehen.

Peckinpah rächte sich beim Studio schon während der Aufnahmen subtil, als er die einzige Liebesszene des Films, in der Charlton Heston und Senta Berger nackt in einer Lagune baden und die ihm angeblich als Mainstream-kompatible Beigabe abverlangt worden war, abrupt damit enden lässt, dass sich ein aus dem Hinterhalt abgefeuerter Pfeil in Dundees Oberschenkel bohrt. Von den dreißig Minuten, die vor Veröffentlichung hinter Peckinpahs Rücken gekürzt wurden, konnten inzwischen immerhin fast 15 Minuten rekonstruiert werden.

Teresa Santiago (gespielt von Senta Berger) und Major Amos Dundee (gespielt von Charlton Heston) sitzen bei einem privaten Ausflug in freier Natur nebeneinander.

Der Film ist ein Vorbote eines neuen Western-Kinos, dessen „Helden“ sich nicht mehr heroisch einem allgemeindienlichen Ziel verschreiben, sondern brutale Egoisten sind. Major Dundee gehört zu diesen zwielichtigen Figuren: Um sein inneres Verlangen als erfolgreicher Truppenführer der US-Armee zu befriedigen, schickt er seine Leute auf eine verbotene, hochriskante Mission und droht, Deserteure auf der Stelle zu erschießen. „In return“, sagt Dundee, „I promise you nothing. Saddle sores, short rations, maybe a bullet in your belly.“ Er appelliert dabei nicht etwa an eine höhere Moral in den Männern, die er zu gewinnen sucht, sondern adressiert ganz bewusst deren niedere Instinkte an, indem er ihnen – die meisten Gefangene – Alkohol, Tabak und Freiluft verspricht.

Worum es geht: Major Amos Dundee (Charlton Heston) ist sauer, weil ihn die Militärbürokratie nach der berüchtigten Schlacht von Gettysburg in das New Mexico Territory auf den Posten eines Gefängniskommandanten abgeschoben hat. Wir schreiben das Jahr 1864, der amerikanische Bürgerkrieg ist noch in vollem Gange. Aber dieselbe unbequeme Eigenwilligkeit, die den Berufsoffizier Dundee in die Peripherie versetzt hat, wird ihn nach nur wenigen Tagen wieder fortreißen. „Major Dundee“ erzählt von einem hartherzigen Karrieristen, von Machtmissbrauch, von bis zum Äußersten strapazierter Ehre, letztlich: von menschlichem Versagen.

Nahaufnahme von Charlton Heston als Major Dundee vor dunklem Hintergrund.

Denn Dundee will nicht am Schreibtisch sitzen, sondern ist fest entschlossen, einen Haufen marodierender Apachen, die seit geraumer Zeit ein riesiges Territorium verheeren und gerade erst wieder unzählige Amerikaner massakriert haben, zur Strecke zu bringen. Weil er aber weder über einen offiziellen Marschbefehl noch die nötigen Soldaten, geschweige denn die entsprechende Ausrüstung verfügt, will er aus den kriegsgefangenen Südstaatlern seines Gefängnisses einen neuen Trupp rekrutieren, den er um einige Freiwillige aus der regulären US-Kavallerie verstärkt. So melden sich bei ihm versoffene Halunken und abgewrackte Pferdediebe – der Ausfluss einer Gewaltgesellschaft, der aus den moralischen Abgründen des Wilden Westens hervorgekrochen kommt; aber auch eine Gruppe tüchtiger, wenngleich dem Norden feindlich gesonnene Männer, die angeführt werden von einem alten Bekannten Dundees: dem konföderierten Offizier Captain Benjamin Tyreen (Richard Harris). Dundees Stimme gab einst den Ausschlag für Tyreens Verurteilung vor einem Militärgericht, was ihm Tyreen nie verziehen hat („You voted to please the generals in Washington. You voted a promotion for Amos Charles Dundee.“).

Kriegsgefangene Südstaatler lehnen in düsterem Licht an einer schmutzigen Mauer.

Diese von Anfang an konfliktbeladene Truppe zieht los, in Richtung Mexiko, wohin sich die vorauseilenden Apachen unter ihrem Anführer Sierra Charriba (Michael Pate) abgesetzt haben. „Sierra Charriba“ ist auch die deutsche Titelversion von „Major Dundee“ – vermutlich, weil sie Abenteuerliches in einer exotischen Sierra verheißt? Die Figur Charriba indes ist offenbar angelehnt an den historischen Apachen-Häuptling Victorio, der 1879/80 einen brutalen Guerila-Krieg gegen den amerikanischen Südwesten führte.

Völlig illegal – im filigranen Diplomatiedickicht Europas wäre das zur damaligen Zeit undenkbar gewesen – übertritt Dundee die mexikanische Grenze und führt seine Militärexpedition in das Landesinnere, den Apachen auf der Spur. Dort aber befinden sich französische Besatzungstruppen, die den mexikanischen Monarchen Maximilian I. unterstützen, dem Napoleon III. dort gerade erst auf den Thron verholfen hatte. Dundees Einheit begegnet ihnen erstmals in einem Dorf.

Die französischen Soldaten haben mehrere Dorfbewohner aufgeknüpft und lassen die Bevölkerung Hunger leiden. Als Dundees Kavallerie eintrifft, ziehen sie sich mit der Arroganz uniformierter Gockel in ein Gebäude zurück, aus dem sie Dundee wenige Augenblicke später mit Kanonenbeschuss jagt, woraufhin sie sich ergeben. Dundee lässt die französischen Vorräte an das Dorf verteilen und zwei Maultiere schlachten. Die ausgehungerten Mexikaner jubeln, in ihrer sympathischen Euphorie haben sie sogleich an eine weiße Mauer „Viva Dundee“ gekritzelt und improvisieren ein Dorffest zu Ehren ihrer Befreier – die doch eigentlich nur gekommen sind, um den Franzosen Proviant und Munition zu stehlen.

Das Gefecht, auf das der Film bis dahin anderthalb Stunden hingearbeitet hat, ist dann alles andere als episch, ohne musikalischen Begleitfuror, wie er für Hollywood-Formate sonst zu dieser Zeit so typisch war, und nach kaum einer Minute vorüber. Dundees Kavalleristen feuern so schnell sie können ihre Gewehre und Pistolen auf die des Nachts heranstürmenden Apachen ab – Piff! Paff! –, die wiederum ihre Speere zu dumpfen Geräuschen in die Körper ihrer todgeweihten Feinde rammen. Alles geht ganz schnell, dann abrupter Schnitt zum Vormittag, als sich die überlebenden Militärs nach überstandener Attacke wieder sammeln. Eine Einstellung zeigt die blutige Apachen-Leiche des furchterregenden Charriba – Hestons Major Dundee> tritt sie verächtlich einen Abhang hinunter; und während sie zuvor auf einer Anhöhe geruht hat, haben die darunter wuselnden Kavalleristen durch diese Perspektive für einen kurzen Moment wie leichenfleddernde Liliputaner gewirkt.

Aber der Film ist an dieser Stelle noch nicht zu Ende – die weitaus härtere Prüfung steht Dundees Männern erst bevor. Beim Heimritt werden sie verfolgt und am gegenüberliegenden Ufer des Rio Grande, auf dem Weg nach Texas erwartet sie eine Abteilung französischer Kavallerie. Mit Kanonenbeschuss, der etliche der stur wartenden Reiter, die noch von der militärischen Kultur der Linieninfanterie geprägt sind, dezimiert, provoziert Dundee den französischen Befehlshaber zum Angriff über den Fluss. Daraufhin entspinnt sich ein grausiges Gemetzel mit Schusswaffen und Lanzen, das nur wenige überleben. Und gekrönt wird dieser zweistündige Zerstörungsausritt von einem absolut lapidaren Schluss.

Nahaufnahme von Charlton Heston als Major Dundee in ramponierter Kleidung.

Glanzstück des Films ist aber nicht dessen Handlung, sondern seine Besetzung. Mit Ben Johnson, R.G. Armstrong, L.Q. Jones, Warren Oates oder Slim Pickens wird gleich eine ganze Kompanie geborener Western-Visagen aufgeboten, die sich hier in Dundees Outlaw-Armee versammeln, so als habe man diese Kerle eigens für die Dreharbeiten mit einer Zeitmaschine direkt aus dem 19. Jahrhundert abgeholt. Mit dabei ist auch James Coburn, der Protagonist späterer Peckinpah-Filme (1973: Pat Garrett & Billy the Kid(Review auf Filmkuratorium.de lesen), 1977: „Cross of Iron“); mit seinem markanten Gesicht spielt Coburn hier einen einarmigen Späher, den Dundee immer wieder losschickt, um die Apachen auszukundschaften.

Nahaufnahme von James Coburn als Späher mit gezückter Pistole zu Pferd.

Als Senta Berger auftaucht, im mexikanischen Dorf, wird sie sofort von Richard Harris umgarnt, der sich für sie in schmissige Offiziersposen wirft und zärtliche Handküsse verteilt, als befänden sie sich nicht in der dürren Einöde, sondern beim Wiener Opernball. Harris macht überhaupt mit seinem ritterlichen Exzentriker aus dieser sonst vielleicht nicht sonderlich außergewöhnlichen Figur eine kleine Show. Und Berger hat ihre beste Szene, als sie Dundee, für den sie etwas schwärmt, beim Anziehen kurz nach dem Sex mit einer Mexikanerin erblickt und dabei jedwede Romantik verfliegt.

Charlton Hestons Gesicht ist so kantig und verschwitzt, wie es nur geht. Und es kommt bei fast gleichbleibender Mimik, nur um Nuancen verändert, in völlig unterschiedlichen Situationen zur Anwendung: Mit einer Mischung aus Verwunderung und Verachtung greift Heston nach einer Nachricht, die ihm Charriba unterwegs hinterlassen hat; aggressiv droht er, Ungehorsam mit dem Tod zu bestrafen; fast mit demselben Gesichtszug küsst er Senta Berger.

In einer Nebenrolle ist Mario Adorf zu sehen, der elegante, kosmopolitische Grandseigneur des deutschen Schauspieluniversums: Hier spielt er Sergeant Gomez, braungebrannt, dicke Koteletten, mit zahnpastawerbungsweiß gebleckten Zähnen und meistens mit vor Schweiß glänzendem Gesicht – von untersetzter Statur ein physischer Gegenpart zu Heston, mal in Nordstaatenuniform, mal in mexikanischer Tarnkluft mit Sombrero.

Mario Adorf als US-Soldat.

Der Amerikaner Charlton Heston und der Ire Richard Harris liefern sich einen harten Schlagabtausch. Die Losung „Until the Apache is taken or destroyed“, mit der Dundee und Tyreen ihre Zusammenarbeit auf Zeit beschließen, gerät zur Universalformel des Films: Zu Beginn vereinbaren Dundee und Tyreen damit ihre Kooperation; sarkastisch raunen sie sich immer wieder zu, um sich selbst noch in den seltenen Momenten wechselseitiger Sympathie ihrer grundsätzlichen Abneigung zu vergewissern; und später wird sie zur geradezu zynischen, verbitterten Parole. Mit Hestons Härte und Harris’ Charme eskaliert ihre Feindschaft im Handlungsverlauf zu einem hässlichen Clinch. Überhaupt Dundee und Tyreen: Die beiden Männer, die sich ständig – in der Manier alter, lebenslanger Freunde – mit Vornamen anreden, aber sich dabei gegenseitig den Tod androhen, liefern sich messerscharfe Wortgefechte. „I have orders, appropriate to your character. I have to take you out the back door“, verkündet Tyreen, ehe er versucht, Dundee bewusstlos zu schlagen. Und als Tyreen sagt: „I’ve been three men already“, erwidert Dundee: „I don’t like any of them.

In „Major Dundee“ flackert Peckinpahs tiefe Liebe zu Mexiko auf, die er auch 1969 in The Wild Bunch(Review auf Filmkuratorium.de lesen) zelebrierte und 1974 in Bring Me the Head of Alfredo Garcia(Review auf Filmkuratorium.de lesen) zur maximalen Steigerung trieb. Für Letzteren hatte er Isela Vega engagiert; aber schon für „Major Dundee“ suchte Peckinpah eine Mexikanerin – und fand sie in der jungen Tänzerin Begoña Palacios; sie heirateten noch während der Dreharbeiten.

Und so ist der Film, den Heston am liebsten als Studie über die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs angelegt hätte, eine verkappte Hommage an Mexiko. Als das selbstermächtigte Geheimkommando des Major Dundee mehrere Tage in einem Waldstück biwakiert, werden die Menschen zur Kulisse und die mexikanische Wildnis tritt in den Vordergrund, mit ihren Wasserfällen in den kleinen Lagunen, ihren dürren Bäumen und ihrer staubtrockenen Umgebung. Und dann die postkoloniale Architektur aus versifften Häusern, deren weißer Anstrich ein unhaltbares Hygieneversprechen gibt und in deren Innern mit Gitarren, Tequila und Gesang ein verzweifelter Hedonismus praktiziert wird, der vom kargen Alltag ablenken soll. Auch Dundee versackt darin eine Zeit lang in Sex und Alkoholismus, ehe ihn seine Leute gewaltsam zurückbringen.

Auch tobte Peckinpah in dem Film, wie in späteren Werken, seine Faszination für den alten Wilden Westen aus, den er hier in kleinteiligen Aufnahmen jeglicher Romantik entkleidet. Die Optik des Films mit ihren zerknitterten Mützen, zerschlissenen Hemden und verdreckten Uniformen ist so eindringlich, dass nichts an die sterile Sauberkeit manch anderer Western erinnert. Man kann förmlich riechen, wie die Kavalleristen nach ihrem wochenlangen Ritt in derselben Kleidung stinken. So adrett, wie sie bei ihrem Ausritt aus dem Armeegefängnis gezeigt werden, sehen sie danach nie wieder aus. Peckinpah zeigt die euphorische Verzweiflung, mit der sich die Todgeweihten wie in The Wild Bunch“ (1969) (Review auf Filmkuratorium.de lesen) am Schluss in ihr letztes Gefecht stürzen, ohne Happy End – hier ist es der angeschossene Lieutenant Tyreen, der säbelschwingend und mit schmerzverzerrtem Lächeln in die feindliche Kavallerie reitet und dort von seine Feinden massakriert wird.

Eine Reihe im Fluss heranstürmender französischer Lanzenreiter.

Aber nicht nur die erzählerischen, auch die visuellen Perspektiven sind originell, auch wenn sie mittlerweile, nach einem halben Jahrhundert, an Wirkungskraft verloren haben. Die Kontrahenten Dundee und Tyreen, Heston und Harris, werden immer wieder in Großaufnahmen vor dunklem Hintergrund gezeigt; und wenn die Kavalleristen angeritten kommen, filmt die Kamera oftmals aus dem Unterholz heraus.

Wie in John FordsThe Horse Soldiers“ (1959) zeigt uns Peckinpah die physischen Anstrengungen, den Kraftakt, der dahinter steckt, einen großen Kavallerietrupp durch das trockene Land zu bewegen. Mit den Reitern wehen stets undurchsichtige Staubschwaden, es wird geschwitzt, gesungen, gerauft. Die Gefechte sind blutig und verheerend – anschließend werden die Leichen aufgesammelt und in ein hastig ausgehobenes Massengrab gewuchtet, während wenige Meter weiter die Verletzten mit ihren stinkenden Wunden ihrem ungewissen Schicksal harren. „Major Dundee“ veranschaulicht die ungeheure Energie, die sich ständig in Zerstörung und Verderben entlädt – eine völlig destruktive Mission, die symbolisch für die Schattenseite des mühsamen Aufbaus der Vereinigten Staaten steht.

Ausgerückte Kavalleriekolonne in der weitläufigen Landschaft.

Text verfasst von: Robert Lorenz