A Dandy in Aspic (1968)
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Alexander Eberlins innerliche Aufregung bleibt hinter der Maske des Profis verborgen. Eberlin (Laurence Harvey) ist ein Spitzenagent des britischen Geheimdiensts. Ein Killer. Seine Vorgesetzten haben ihm gerade Bilder seines neuen Ziels gezeigt: des sowjetischen Spions Krasnevin. Eberlins Unruhe ist nur allzu gut nachvollziehbar, denn er selbst ist Krasnevin – ein Doppelagent. Der Mann auf den Bildern ist zwar ebenfalls ein KGBler, aber eben nicht Krasnevin; die britischen Geheimleute irren. Aber Eberlin muss nun Krasnevin liefern – also Pavel, seinen Freund, wenn es in der Kalten-Kriegs-Spionage so etwas wie Freundschaft überhaupt gibt. Im Nacken sitzt ihm obendrein der ebenso ehrgeizige wie misstrauische Gatiss, den Tom Courtenay so hervorragend als unerträglichen Charakter darstellt.
Überhaupt ist die Besetzung die vordringliche Stärke des Films: Harry Andrews ist das britische Spionage–Mastermind, ähnlich wie er es dann 1973 im „Mackintosh-Mann“ war – ein undurchschaubarer Schreibtischstratege, der seine Untergebenen wie Schachfiguren einsetzt. Dann der schonerwähnte Tom Courtenay als Gatiss, bei dem nie ganz sicher ist, wie schlau und hinterhältig er in Wirklichkeit ist und ob seine verbissene Miene tatsächlicher Härte entspricht oder bloß Angst und Unsicherheit kaschiert – Courtenay, der hier einen seiner angesichts seines Talents raren Leinwandauftritte hat, zählte zur Riege der „Angry Young Men“ des britischen Schauspielkosmos der Sechziger, der auch spätere Granden wie Peter O’Toole oder Albert Finney angehörten. Lionel Stander spielt Sobakevich, Moskaus Spitzenspion in Westberlin; die raue Stimme und das knautschige Gesicht mögen klischeehaft sein, aber passen zu dieser Figur. Gleichermaßen phänotypisch imposant kommt auch Vernon Dobtcheff daher: als bedrohlicher Offizier der Volkspolizei am Grenzübergang Friedrichstraße. Der Schwede Per Oscarsson – einer der ersten der großen skandinavischen Schauspielexporte – ist Pavel, ein eigentlich noch junger Mann, gepeinigt von verratenen Idealen und selbstzerstörerischer Pflichterfüllung. Und dann ist da noch Mia Farrow, die hier als Caroline auftritt: eine junge Fotografin, mit der Krasnevin eine Affäre hat und die von einer ausnehmend neurotischen Aura umgeben ist – im selben Jahr erschien auch Farrows großer Film „Rosemaries Baby“, der sie zum Star machte. Ihre Caroline ist so etwas wie der allgegenwärtige Sehnsuchtsort Krasnevins, ein Ort, der ihm auf Dauer unerreichbar bleibt.
Laurence Harvey, der angeblich kurze Zeit für die Rolle des mittlerweile weltbekanntesten Geheimagenten erwogen worden war, spielt einen Mann, der viel mit der „James Bond“-Figur gemein hat, die damals bereits durch Sean Connery in fünf Filmen ihren Mythos begründet hatte. Auch Eberlin/Krasnevin bereist exotische Orte, hat Affären mit schönen Frauen und hüllt sich in eleganten Zwirn. Doch er ist unglücklich, ermattet von einem fast zwanzigjährigen Leben unter falscher Identität, fern der Heimat. Der KGB lehnt Krasnevins Rückkehrgesuch freilich brüsk ab; sein Nutzen inmitten des britischen Geheimdiensts ist viel zu wertvoll, als dass man den relativ jungen Spion so einfach zurückkehren ließe. Krasnevin mag sein Verhalten in geringerem Charme als Bond zu verpacken; doch in letzter Konsequenz ähneln sie sich in zwei Punkten: Beide wenden sich nach vergnüglichen Stunden im Bett von ihren Sexpartnerinnen mit der gleichen Kühle und Ungebundenheit ab; und beide töten ohne Zögern, wenn das der Auftrag gebietet.
Erst jetzt erkennt Krasnevin, dass es für ihn keinen Ausweg, keine Heimkehr gibt, wie sehr er gefangen ist in einer erbarmungslosen Welt, deren Bewohner für ein System arbeiten, das zwar Solidarität propagiert, aber nicht praktiziert. Immer stärker leidet er unter dem einen großen Widerspruch, berufsmäßig allen zu misstrauen, und doch darauf angewiesen zu sein, anderen vertrauen zu können.
Das Agentenleben wird hier drastisch entromatisiert und hat nichts gemein mit der Glamour-Welt eines James Bond, wie sie damals, in den 1960er Jahren, durch die enge Abfolge der Connery-Filme über die Leinwände flimmerte. Genusslose Härte bestimmt den Spionagealltag, dessen Quintessenz zugespitzt wird in der illusionslosen Maxime: „You died the moment you were born. And when your heart finally stops beating, it’ll be a mere formality.“
TextRobert Lorenz
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