Serientipp

Magic City (2012–13)

Kurzbeschreibung: „Der Pate“ in Miami? Ein kalifornischer Don Draper? „Magic City“ ist viel einfacher – sieht aber dabei verdammt gut aus. In zwei Staffeln muss Hotelmanager Ike Evans seinen Traum beschützen: eine gigantische Bettenburg zum größten und besten Hotel im Miami der heraufziehenden 1960er Jahre zu machen. Selten war inhaltliche Schlichtheit so stilvoll.

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Ike Evans (Jeffrey Dean Morgan) könnte glücklich sein. Er ist mit einer attraktiven Frau verheiratet, hat gescheite Kinder und betreibt Miamis glamourösestes Hotel: das monumentale (und fiktive) „Miramar Playa“. Aber in einer lukrativen Branche, in der sich skrupellose Mafiagangster, korrupte Politiker und gnadenlose Banker tummeln, ist es nicht leicht, auf legalen Pfaden zu wandeln – schon gar nicht, wenn man einen stillen Teilhaber hat, den alle „The Butcher“ nennen.

Dieser schwerreiche Mann namens Ben Diamond („Golden Globe“-nominiert: Danny Huston), der auf einem fürstlichen Anwesen residiert, macht es Ike Evans nun wirklich nicht leicht: Denn Diamond ist weit davon entfernt, so etwas wie ein besonnener Geschäftsmann zu sein. Er erpresst und droht, wo er nur kann, hantiert mit prallgefüllten Geldkoffern und schickt nach Belieben seine Auftragskiller durch die Stadt. Und seine Feinde landen auf dem Meeresgrund vor Miami Beach. Als Evans sich das nötige Kapital für den Hotelbetrieb – seinen großen Traum – ausgerechnet bei diesem unberechenbaren Kriminellen borgt, begibt er sich in dessen Fänge, in denen er fortan buchstäblich um sein Überleben kämpft. Neben dem windigen Gangsterboss sitzt ihm obendrein bald auch noch der Staatsanwalt im Nacken.

Die Serie beginnt Ende der 1950er Jahre. Im nahen Kuba hat gerade Castro mit seinen Rebellen die Batista-Diktatur gestürzt – und durch eine neue ersetzt. In Miami geraten die großen Hotels langsam in die Fänge der Mafia, die durch die Revolution ihre kubanischen Besitztümer eingebüßt hat. Ihre Betreiber machen aus den glamourösen Bettenburgen teure Spielwiesen für den Hedonismus der (Neu-)Reichen, und kommen dabei immer mehr mit illegalen Geschäftsmodellen in Berührung.

Drehbuchautor Mitch Glazer (Jahrgang 1953) kennt diese Welt aus eigener Anschauung; er ist in diesem Milieu der Luxushotels aufgewachsen. Als Junge jobbte er einst im „Deauville“; sein Vater, ein Elektroingenieur, entwickelte damals Beleuchtungskonzepte für die luxuriösen Megahotels. Der Entwurf des eigens für die Serie ausgedachten Hotelgebäudes lehnt sich an reale Vorbilder an, die sich entlang der Collins Avenue, Miami Beach, erstrecken und einem ganz bestimmten Architekturstil folgen, wie etwa das riesige „Fontainebleau“.

Glazer lenkt den Blick auch auf kleine Details: Sein Ike Evans weiß, wie Hotels funktionieren; penibel lässt er die Klimaanlage überprüfen – denn es soll ordentlich kalt sein, damit die reichen Frauen auch im glutheißen Miami ihre Pelzmäntel ausführen können; dicke Kinder sollen nicht vor dem Panoramafenster des Pools im Hintergrund der Bar schwimmen – weil dicke Kinder eben keiner sehen will. Und in der Hotelküche versammeln sich die Exilkubaner um ein Radio, dessen Meldungen zur Revolution in ihrem Heimatland sie aufgeregt verfolgen. Das Lebensgefühl in Floridas Metropole ist extravagant: An den Panoramafenstern der Nachtclubbar schwimmen nackte Frauen vorbei (ein Grund, weshalb Glazer seine Serie im amerikanischen Pay-TV senden ließ) und von Bord einer Yacht schießen betrunkene Partygäste auf vorbeischwimmende Haie.

Die Welt von „Magic City“ ist schön und kalt zugleich. Dort, wo die Gäste im idyllischen Ambiente baden, könnte schon im nächsten Moment eine Leiche treiben. Um Geschäftsinteressen durchzusetzen, ist meist brutale Härte nötig. Und niemand ist sicher vor Leuten wie dem „Butcher“ mit ihrem mörderischen Unmut. Während in den Hotels Belegschaft und Gäste meistens stilvoll gekleidet sind, könnten Diamonds üble Handlanger aus den „Sopranos“ (1999–2007) stammen: mediokre Typen in Freizeitklamotten mit dem Proll-Schick goldener Armbanduhren.

Wenn die feschen Hoteliers und ihre Gäste die Cocktailgläser schwenken und dicke Zigarren schmauchen, dann schweben einem natürlich unwillkürlich die „Mad Men“ (2007–15) vor – die ja auch ungefähr zur gleichen Zeit in den New Yorker Bürotürmen ihr Testosteron entladen. Ohnehin ist Jeffrey Dean Morgan als Ike Evans irgendwo angesiedelt zwischen Javier Bardem und Don-Draper-Darsteller Jon Hamm (und wer will, mag in Morgan auch noch etwas von dem stoischen Haudegen Oliver Reed erkennen). Und tatsächlich gibt es Unterschiede wie Gemeinsamkeiten der beiden Serien: Hier wie dort legt sich über alles ein alkoholgetränkter Sexismus, in dem für viele Männer die Frauen jederzeit austauschbare Lustobjekte und Statussymbole sind.

Palmen, Sonne, Strand: Das sind die zeitlosen Ingredienzen von Miami, die „Magic City“ aufgreift. Die Kunst bestand nun darin, auch die Grundstoffe der zeitgenössischen Atmosphäre wiederaufleben zu lassen – und das ist den Produzenten grandios gelungen. Aus dem Umfeld von Miami wurden von passionierten Sammlern für die Dreharbeiten hunderte Autos herangekarrt; auch Mobiliar und Technik wirken authentisch; wenngleich alles immer eine Spur zu poliert, zu sauber, zu makellos wirkt. Gleichwohl Mitch Glazer zu Protokoll gab, dass er das Drehbuch auf Grundlage seiner Kindheitserinnerungen schon geschrieben habe, bevor „Mad Men“ ausgestrahlt worden war und zur Erfolgsserie avancierte, so wirkt „Magic City“ zumindest optisch wie ein Klon. Wenngleich Glazer sein Werk wohl ursprünglich auf mehr als die beiden gedrehten Staffeln ausgelegt hat, so steht es in Sachen Komplexität und Avantgardismus den „Mad Men“ letztlich nach.

Dennoch: Jeffrey Dean Morgan passt zu dem Serien-Protagonisten wie angegossen, Danny Huston gibt einen wirklich widerlichen Fiesling und das Miami der späten Fünfziger/frühen Sechziger wird in wunderbare Farben getaucht (weil das damalige Miami noch nicht so zugebaut war wie seine heutige Version, musste das „Magic City“-Team in zahllosen Szenen reichlich manipulieren und minutiös damals noch nicht vorhandene Gebäude und Schriftzüge entfernen). Kurzum: „Magic City“ erreicht keine besondere Tiefgründigkeit und bietet auch keine sonderlich vielschichtigen Charaktere auf; aber es sieht verdammt gut aus.

Text verfasst von: Robert Lorenz