Sie möchten Giganten sein (1971)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Kurzbesprechung:

Die ganze Stadt streikt, aber die Stampers wollen liefern – das Holzgewerbe in Oregon, an der Pazifikküste mit ihren bewaldeten Bergen, formt den Handlungsrahmen von „Sie möchten Giganten sein“. Während die gewerkschaftlich organisierten Holzarbeiter streiken, scheren sich die Mitglieder des Familienbetriebs der Stampers einen Dreck um die anderen – sie haben einen Vertrag, und den gilt es zu erfüllen („Don’t give a inch“ lautet das grammatikalisch falsche Familiencredo). Die Aggressivität in der Stadt steigt, Sabotage und Gewalt liegen in der Luft; die Kleinstadtgesichter, die zunehmend hasserfüllter die Last- und Lieferwagen der Stampers beargwöhnen, verheißen nichts Gutes.

Das Highlight des Films ist nicht das Star-Gesicht Paul Newmans, der nicht nur als Hauptdarsteller, sondern obendrein als Produzent und Regisseur fungierte, es ist Henry Fonda als der Patriarch des alteingesessenen Holzfällerclans, der mit jeder Pore seines Körpers die stolze Unbeugsamkeit dieser Leute verkörpert. Mit Stoppelbart und unerschöpflicher Autorität grölt er seine Kommandos, mit denen er die Stamper-Leute tagein, tagaus aus dem Bett jagt und in den Wald treibt. Fonda kreiert mit seinem Henry Stamper ein US-amerikanisches Urviech, in dem noch die furchtlose Renitenz und die unbändige Hartnäckigkeit der Frontier-Siedler pulsieren, dessen Disziplin und Betriebsamkeit längst zum Selbstzweck verkommen sind – „To keep on going“, wie er sagt.

Der Film nimmt sich die Zeit für längere Sequenzen, die weniger die Handlung vorantreiben, als eine Atmosphäre nähren. Die vielleicht stärkste, intensivste Szene des Films zeigt Newmans Hank, den ältesten Stamper-Spross, wie er seinem Bruder Joe B. beisteht, der am Flussufer unter einem kolossalen Baumstamm eingeklemmt ist und zu ertrinken droht. Michael Sarrazin spielt den heimgekehrten Halbbruder, der seiner langen Haare wegen als „Rita Hayworth“ verspottet wird; und Lee Remick ist Hanks Frau Viv, die vordergründig nichts anderes zu tun hat, als für ihren Mann den Dosenbiernachschub sicherzustellen, am Ende aber noch genügend Eigensinn aufbringt, um nicht unterzugehen – in einer ziemlich brillant gespielten Szene erzählt sie ihrem Schwager von den letzten Jahren und blickt mittendrin wie erstarrt in die leere Gegenwart. „Sie möchten Giganten sein“ kreist um die Dynamik zwischen Individualismus und Kollektiv, auch um die Zwiespältigkeit einer Triebkraft – wie Widerspenstigkeit eine Familie zugleich zusammenzuschweißen und zu zerstören vermag.

Die Romanverfilmung ist facettenreich: Sie porträtiert den strapaziösen und lebensgefährlichen Arbeitsalltag der Baumfäller mit ihrem schweren Gerät und den immensen Kettensägen; sie deckt aber auch die sozialen und mentalen Sollbruchstellen einer Kleinstadtgemeinschaft auf; und die Lasten und Leiden einer Traditionsbewahrung aus begründungslosem Familienstolz heraus.