Filmtipp

Die Nacht vor der Hochzeit (1940)

Kurzbeschreibung: Einer der ganz großen Hollywoodklassiker, Screwball- und Romcom-Charme at its best: Mit ihren genialen Performances scheinen Katharine Hepburn, James Stewart und Cary Grant in „Die Nacht vor der Hochzeit“ die Kamera regelrecht zu entflammen.

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Die Nacht vor der Hochzeit“ zählt längst zum Kanon der Hollywoodklassiker. Und ebenso eine zweite Adaption aus dem Jahr 1956, also anderthalb Jahrzehnte später gedreht: High Society (dt.: „Die oberen Zehn­tau­send“). Das Remake ist dem Originalfilm zwar nicht ebenbürtig, atmet aber auch eine ganz andere Atmosphäre, spricht eine völlig andere visuelle Sprache und hat sich nicht zuletzt in Teilen als Musical verkleidet. Die göttliche, weltentrückte Unnahbarkeit, die der Protagonistin Tracy Lord von allen Seiten attestiert wird, strahlt Katharine Hepburn ungleich gewaltiger aus als ihre Rollennachfolgerin Grace Kelly (es war ihr letzter Film, bevor sie als Fürstengattin nach Monaco entschwand). Und James Stewart und Cary Grant wirken viel erwachsener, gediegener als später Frank Sinatra und Bing Crosby, die im Vergleich dazu den Film mit ihrem hedonistischen Entertainer-Furor wie zwei singende Rabauken überfallen, um sich im knalligen Technicolor lauthals volllaufen zu lassen.

Katharine Hepburn und James Stewart als Tracy und Mike beim Spaziergang unter einem alten Baum in einem Park.
Nahaufnahme von Katharine Hepburn als Tracy Lord mit einem Gesichtsausdruck voll fröhlicher Skepsis.

Beide Tracy-Lord-Darstellerinnen, Hepburn und Kelly, bewegten sich als Töchter des Ostküstengroßbürgertums quasi wie Fische im Wasser. Aber Katharine Hepburn, die mit ihrem eingefallenen Gesicht und dürren Körper immer etwas aussah, als wäre sie gerade aus einer entbehrungsreichen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, spielte ihre Figur vielleicht auch deshalb so souverän, weil sie diese zuvor zwei Jahre lang am Broadway auf der Bühne zur Perfektion getrieben hatte. Dorthin war sie quasi exiliert, nachdem sie eine ganze Serie erfolgloser Filme (u. a. den erst später wertgeschätzten Bringing Up Baby“/„Leoparden küßt man nicht“, 1938) gedreht hatte, die ihr das unrühmliche Etikett des „box office poison“ einhandelten – außerdem galt sie im streng durchgetakteten Studiosystem der herrischen Moguln wegen ihrer Weigerung, sich den Hollywoodroutinen zu beugen, als schwierige Nonkonformistin.

James Stewart, Cary Grant und Ruth Hussey als Connor, Haven und Imbrie vor dem Schreibtisch des Magazinchefs in dessen Büro.
Katharine Hepburn und James Stewart in Bademänteln im sehr hellen Umkleidebau des Swimmingpools.

Doch gelang Hepburn wider Erwarten ein Coup: Das der Feder von Philip Barry entstammende Theaterstück war so erfolgreich, dass es auf dem Radar der Beliebtheits-alerten Hollywoodproduzenten auftauchte. Die Filmrechte hatte sich da längst, unter Mitwirkung ihres Liebhabers Howard Hughes, freilich Katharine Hepburn gesichert. Dadurch musste die Metro (MGM), die den Film produzierte, die „giftige“ Hepburn wieder auf die Leinwand lassen. Dann geriet der Film allerdings zum Kassenschlager und erhielt sechs Oscarnominierungen (darunter auch Hepburn und als „Bester Film“; die Trophäen erhielten dann Donald Ogden Stewart für das beste Drehbuch und James Stewart für die beste männliche Hauptrolle). Damit hatte sich Katharine Hepburn in Hollywood mit einem Schlag rehabilitiert – 1968, 1969 und 1982 gewann sie noch dreimal den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle (zusammen mit 1934 also insgesamt viermal – aber nie nahm sie am Verleihungszeremoniell teil).

Connor sitzt auf einem Stuhl und hört aufmerksam der stehenden Tracy Lord zu; beide sind umgeben von gedeckten Hochzeitstischen.

Hepburns Tracy Lord in „Die Nacht vor der Hochzeit“ ist eine junge Frau, die schon einmal verheiratet gewesen ist, mit C. K. Dexter Haven (Cary Grant). Bereits nach kurzer Zeit glich ihre Ehe allerdings einem Kriegszustand, wie ein knapper Dialog zu Beginn des Films offenbart: Sie zerbricht seine Golfschläger, er drückt ihr die Hand ins Gesicht und wirft sie zu Boden (eine harmlos gestaltete Anspielung auf die Brutalität eines Alkoholikers). Weil Tracy Lord aber aus einer schwerreichen Ostküstenfamilie stammt, kann sie Haven unbesorgt verlassen und in die materielle Sicherheit ihrer Familie zurückkehren.

Cary Grant notiert etwas am Schreibtisch, neben ihm im Hintergrund James Stewart in erschöpfter Körperhaltung.
John Howard als George Kittredge im Beisein seiner Verlobten Tracy und dem Reporter Connor in einer Halle mit großbürgerlichem Flair.
Nahaufnahme von James Stewart als Connor in Abendkleidung, vor ihm eine geöffnete Champagnerflasche in angeregter Unterhaltungspose.

Als die eigentliche Handlung des Films beginnt, steht ihre zweite Eheschließung unmittelbar bevor und die Hochzeitsvorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Der Boulevard-Medienmogul Sidney Kidd (Henry Daniell) will daraus Kapital schlagen und die Hochzeit aus dem Superreichenmilieu in seinem voyeuristischen Spy-Magazin mit möglichst vielen Kitsch-Bildern verkaufsträchtig dokumentieren. Dazu schickt er seine beiden Reporter:innen Elizabeth Imbrie (Ruth Hussey) und Macaulay Connor (James Stewart) in die luxuriöse Lord-Residenz nach Philadelphia. Kidd erpresst den Zugang seiner Papparazzi, indem er androht, einen Artikel über die Affäre von Seth Lord (John Halliday), Tracys Vater, mit einer jungen Tänzerin zu veröffentlichen. Und weil in den High-Society-Kreisen so etwas nie gerne gesehen wird, lässt sich Tracy Lord darauf ein – freilich nicht ohne bei der erstbesten Gelegenheit Imbries da bereits mit zahllosen Bildern gefüllte Kamera zu sabotieren.

James Stewart und Ruth Hussey als die beiden Reporter:innen Mike Connor und Liz Imbrie.
Nahaufnahme von Katharine Hepburn als Tracy Lord mit keckem Blick.
Blick auf den neoklassischen Swimmingpool des luxuriösen Anwesens, links und rechts stehen sich James Stewart und Katharine Hepburn gegenüber.

Die (in der deutschen Version titelgebende) Nacht vor der Hochzeit, in der eine große Party stattfindet, gerät zum turbulenten Zentrum des Films. Tracy Lord, unter dem Einfluss unzähliger Cocktails zunehmend betrunkener, lässt sich von dem Journalisten Connors, der sich zwischenzeitlich zu ihrer Überraschung als feingeistiger Buchautor entpuppt hat, umhertragen, sie wirbelt ihn in der fahrbaren Gartenliege herum, er wiederum stimmt für sie im Suff (den damals quasi brandneuen Song) „Over the Rainbow“ an. Und auch ihr Ex, C. K. Dexter Haven, taucht plötzlich wieder auf – als Hochzeitsgeschenk hat er ein Modell der „True Love“ mitgebracht: jener Jacht, die einst Schauplatz ihrer echten Liebe war. So entfaltet sich ein wildes, feuchtfröhliches Hin und Her, bei dem Tracy Lord immer weiter davon abrückt, den stolzen, soliden, aber stinklangweiligen Selfmademan George Kittredge (John Howard) zu ehelichen – einen Mann, der seine Unsicherheit im Gefilde des Großbürgertums hinter der Fassade seines Dollar-Reichtums nur mühsam verbergen kann und der seine künftige Frau in ein Geschlechter-Korsett zwängen will.

Gerade in diesem Punkt ist der Film unerwartet fortschrittlich, beinahe feministisch: Während die drei Männer in wechselseitiger Eifersucht um sie herumtänzeln, ist es allein Tracy Lord, die am Ende einen von ihnen erwählt und sich mit dieser beharrlichen Selbstbestimmtheit über sämtliche Regeln und Normen hinwegsetzt. Ihren Vater kritisiert sie zwar für dessen klischeehaften Seitensprung; aber einen Bann spricht sie nicht aus und ist mehr verärgert über dessen Unfähigkeit, das Ganze geheim zu halten, als über die moralische Tatsache seiner Untreue.

Cary Grant, Katharine Hepburn und James Stewart im Gespräch, die letzteren beiden im Bademantel.
Katharine Hepburn als Tracy und James Stewart als Connor nachts in romantischer Nähe mit Drinks in der Hand.
Familienmitglieder bei der Hochzeitszeremonie, jemand macht ein Foto.

Überhaupt scheinen ihre Eltern eine offene Ehe zu führen. Und verbirgt sich in Sidney Kidds Coup, der die ursprüngliche Begründung liefert für die Anwesenheit von Stewarts und Husseys Reporter:innenfiguren, schon damals nicht eine leise Kritik an der Sensationslust kommerzieller Massenmedien, wie sie noch heute immer wieder aufkommt?

Der Zauber von „Die Nacht vor der Hochzeit“ liegt vielleicht darin, dass er alles aus seinen Darsteller:innen herausholt. Da ist Cary Grant mit seinem Longdrink-Glas-Charme; James Stewart mit der unschuldigen Emphase, die er schon in Frank Capras Politmärchen „Mr Smith Goes to Washington als Verfassungspatriot im Washingtoner Plenarsaal aufgeführt hat; und natürlich die Hepburn mit ihrem Hochgeschwindigkeitsschauspiel, der kessen Mimik, den schnellen Ausdruckswechseln – Tracy Lord ist in Hepburns sechzig Jahre umspannender Karriere vielleicht ihre Paradeperformance. George Cukor, unter dessen Regie etliche Stars zu ihren Oscarwürden kamen, gelingt jedenfalls etwas Bemerkenswertes mit seinem Cast: Der Film ist derart genial gespielt, dass man ihn – trotz seines Dialogreichtums – fast nur beim Blick auf die bewegten Bilder zu verstehen scheint.

Die Nacht vor der Hochzeit“ ist kein Film, den man aufgrund einer künstlerischen Entscheidung prinzipiell in Schwarz-Weiß drehen würde: Aber man sieht ihm sein Alter nicht an, so leichtfüßig tanzen die Bilder dahin; im Vergleich zu manchem Frühsechzigerjahre-Farbfilm wirkt er sogar frischer, progressiver, moderner – wohl auch, weil er im Grunde ein Kammerspiel ist, konzentriert auf die Villen, Swimmingpools und Terrassen der reichen Leute – ein voyeuristischer Blick in die Extravaganz der US-amerikanischen Upperclass –, und daher frei von schäbigen Kulissen. Zeitlose Unterhaltung par excellence.

Text verfasst von: Robert Lorenz