Der Nachtportier (1974)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Sehenswert: Cavanis Skandalfilm lieferte nicht nur Bilder einer verstörenden Erotik, sondern konfrontierte sein Publikum damals mit der unbequemen Vergangenheit

Kurzbesprechung:

Der Reiz des ungewöhnlichen Films: Er braucht das Hollywoodkino so sehr, wie er sich insgeheim von ihm abgrenzt. Und „Der Nachtportier“ ist ein solcher Film – einer, der niemals in Hollywood hätte gedreht werden können und der durch all seine skandalösen, provokanten und verstörenden Facetten besticht, die das ungeschriebene Gesetzbuch der kalifornischen Filmindustrie niemals, wirklich niemals gestattet hätte.

Und auch sonst operiert dieses bemerkenswerte Stück Filmgeschichte, für das sein Mastermind Liliana Cavani damals angefeindet wurde – das ihr also gehörigen Mut und reichlich Durchhaltevermögen abverlangte –, in unbequemen Regionen des gesellschaftlichen Gemüts. Und das waren eben nicht nur die Szenen voll abgründiger Erotik, sondern auch die vielerorts am liebsten – auch damals noch – totgeschwiegene Tatsache, dass einstige Täter in Deutschland und Österreich unbescholtene Existenzen führten, in die sie sich nach ihren verbrecherischen Exzessen der NS-Zeit als Parasiten einer Verdrängungskultur zurückgezogen hatten.

Ein solcher ist der Hotelportier Max, der 1957 in einem Wiener Hotel arbeitet und dessen Kragen seiner dunklen Uniform nun zwei gekreuzte Schlüssel zieren, wo 15 Jahre zuvor noch die Runen und Rangabzeichen der SS prangten. Der in einer kleinbürgerlichen Existenz untergetauchte Sturmbannführer trifft Lucia wieder, die das KZ überlebt hat, in dem Max sich zum Arzt aufgespielt hat – und prompt entflammt ihre sadomasochistische Beziehung.

Für diese unheilvolle Präsenz der Vergangenheit in der Gegenwart hätte kaum eine andere Location besser gepasst als das alte Wien im Schatten des Eisernen Vorhangs, das wie nur wenige andere Städte eine ganz und gar eigene Filmatmosphäre zu verbreiten vermag.

Cavani hat einen Film auf die Leinwand gebracht, der in seiner Tiefgründigkeit, seinen Anspielungen und seiner eigenen Philosophie schon oft zur Intellektualisierung gereizt hat – so viel sich in ihn wie auch bei Werken der Weltliteratur fantasievoll hineininterpretieren lässt: Am Ende ist „Der Nachtportier“ schlicht ein sehenswerter Film.

Die Originalschauplätze von „Der Nachtportier“ via Google Street View besuchen.