Nachtblende (1975)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Sehenswert: Ein Schaustück von Romy Schneiders darstellerischer Bandbreite

Kurzbesprechung:

Liebe, Fotografie und Theater sind die Sujets, von denen „Nachtblende“ handelt – aber völlig entgegen ihrem Potenzial sind sie die Quellen von Düsternis und Zerstörung. Der Theatersaal und die Garderobe: dunkel und dreckig; die Foto-Shootings: Sie dienen nicht der Kunst, sondern zielen auf gierige Voyeure ab; und die Liebe: verzweifelt und brüchig.

In Romy Schneiders beachtlichem Oeuvre gehört „Nachtblende“ zu den Filmen, die am deutlichsten ihre enorme Begabung, ihr faszinierendes Mimikspiel, zeigen. Die zwar talentierte, doch erfolglose, von Gefühlsausbrüchen blockierte Schauspielerin Nadine Chevalier lebt in einer geräumigen Pariser Villa, in der sie eine Gönnerin mit ihrem Mann Jacques, einem tagediebischen Cineasten, wohnen lässt. Der Fotograf Servais verliebt sich in sie, finanziert ihr heimlich eine Bühnenproduktion, in der sie mitspielen soll. Dafür leiht er sich Geld bei einem Ganoven, für den er kleine und große Perversionen knipst („Der Mensch ist der hässlichsten Dinge fähig.“) – die kriminelle Unterwelt, in die Servais mit seiner Kamera abtaucht, verdüstert das visuelle Klima dieses sowieso schon durch und durch schmutzigen, depressiven, tristen Films noch einmal mehr.

Bei dem Theaterstück, das im Film aufgeführt wird, heißt es, der exzentrische Regisseur habe ihr, Nadine, konsternierende Gefühle entlockt. Das lässt sich auf die Nadine-Darstellerin Schneider übertragen: Auch sie, so meint man, lässt sich im Rahmen ihrer Performance zu Gefühlsregungen verleiten, die ihrer Darbietung etwas verstörend Echtes, Wahrhaftiges verleihen, wie das nur in ganz wenigen Fällen geschieht.

In der Anfangssequenz, als ein Paparazzo sie heimlich am Set eines Sexfilms fotografiert, zeigt ein Close-up Romy Schneider, wie sie mit einer Stimme voller Verzweiflung und Scham sagt: „Nein, ich bin Schauspielerin, wissen Sie. Ich kann wirklich was“ – eine Träne rinnt ihr dabei aus dem verschminkten Auge, während im Hintergrund die garstige Regisseurin ihre Anweisungen bellt. Und bei der Theaterprobe flieht sie mit verweintem Gesicht in die schäbige Garderobe und stammelt: „Ich bin völlig kaputt. Ich fühl’ mich alt, ich bin müde! Und keiner wollte mehr machen als ich!“ Oder Klaus Kinski als der Theaterschauspieler Karl-Heinz Zimmer, impulsiver Exzentriker und „Homosexueller aus gutem Hause“, provoziert eine Café-Prügelei, da ein hereinkommender Gast seinen Mantel mit dessen „Proletarierpfoten“ berührt habe – leicht kann man sich da den echten Kinski vorstellen, wie er wegen einer Nichtigkeit in Rage gerät, um sich daraufhin maximal unmöglich aufzuführen.