Die Liebenden (1958)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Kurzbesprechung:

Den Ennui im Gesicht der reichen Jeanne Tournier, mit dem sie die Perlenkette in ihrer Klunkerschatulle betrachtet, kann vielleicht nur Jeanne Moreau so ausdrücken wie in „Die Liebenden“ – dem Film, mit dem sie so souverän auf der Nouvelle Vague ritt und zum Star wurde. Diese Jeanne Tournier ist die Ehefrau eines wohlhabenden Zeitungsverlegers; und die Ehe, wie sie Louis Malle hier zeigt, ist eine trostlose Hülse voller Monotonie, aus der Jeanne immer häufiger nach Paris flieht, wo ihr der High-Society-Chic ihrer Freundin Maggy die reizvollere Alternative bieten. In Frankreich haben die Regisseure ja mit großer Lust die bürgerlichen Institutionen attackiert, aber hier werden Ehe und Elternschaft gründlich demoliert.

Die Liebenden“ war ein bombastischer Erfolg, etablierte Louis Malle als wichtigen Regisseur und machte Jeanne Moreau zum international bekannten Star. Dass die Zuschauer in die Kinosäle strömten und die Kritiker sich in Elogen ergingen, zeigte die Offenheit der Gesellschaft für Ehebruch und egoistischen Eskapismus; und vielleicht lag es auch an der einen Szene, die Zensoren und Moralapostel auf den Plan rief: in der Jeanne Moreaus Protagonistin mit nackter Brust den Cunnilingus ihres Liebhabers genießt, was für einen Film des Jahres 1958 – als ein heutzutage als abgehangener Schinken empfundener Klassiker à la „Ben Hur“ (1959) noch ausstand – geradezu unerhört war. Das stattliche Haus, das die Tourniers im Burgund bewohnen, ist außen zeitlos erhaben und hell; aber im Innern zeigt Malle es im optischen Klima eines finsteren Gefängnisfilms – und darin manifestiert sich die Ehe als lebenslängliche Internierung für alle, die nicht den Versuch wagen, auszubrechen und für immer zu entkommen.