Das verrückte California-Hotel (1978)

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Ein unkonventionelles Konzept verspricht ohnehin kurzweilige Unterhaltung, eine Mixtur verschiedener Unterhaltungsstile umso mehr: In vier separaten Episoden, die einander abwechseln, erzählt der Film von Reisenden, die zur selben Zeit im luxuriösen „Beverly Hills Hotel“ in Los Angeles einchecken: Die britische Starschauspielerin Diana Barrie (Maggie Smith) fliegt mit ihrem Gatten Sidney Cochran (Michael Caine), einem Londoner Antiquitätenhändler, nach L.A. zu den „Academy Awards“, bei denen sie für einen Oscar nominiert ist (für diese Performance gewann Smith anschließend im realen Leben einen Oscar als beste Nebendarstellerin). Der hornbebrillte Mittfünfziger Marvin Michaels (Walter Matthau) reist für die Bar Mitzwa seines Neffen an; weil er einen Tag früher als seine Frau (Elaine May) eintrifft, bestellt ihm ohne sein Wissen dessen sexbesessener Bruder (Herb Edelman) eine Prostituierte aufs Hotelzimmer. Hannah Warren (Jane Fonda, die damals gerade ihre Bulimie überwunden hatte und für ihre Darbietung im ebenfalls 1978 gedrehten „Coming Home“ ihren zweiten Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gewann) trifft ihren Ex-Mann Bill (Alan Alda), um über das Sorgerecht ihrer gemeinsamen Tochter zu streiten. Schließlich die Chicagoer Ärzte Dr. Willis Panama (gespielt von der Stand-up-Comedy- und späteren Sitcom-Legende Bill Cosby, der zwei Jahre zuvor tatsächlich einen Doktortitel erworben hatte) und Dr. Chauncy Gump (Stand-up-Comedian Richard Pryor, der Ende der 1970er Jahre zu einem der weltweit bestbezahlten Komiker avancierte), die mit ihren Ehefrauen einen entspannten Urlaub verbringen wollen.


„Das verrückte California-Hotel“ entstammt einer langen Linie erfolgreicher Broadwaystücke aus der Feder des New Yorker Dramatikers Neil Simon (1927–2018), die es ins Kino schafften und eindrucksvoll zeigten, wie viel Geld sich aus solchem Material in der Doppelverwertung auf Bühne und Leinwand noch immer herausholen ließ. Der mit großen Namen gespickte Cast und die prominente Location taten ihr Übriges – den Vorspann verzierte man mit Bildern des englischen Pop-Art-Künstlers David Hockney.


Ästhetisch wehen uns im Film die 1970er Jahre entgegen – mit Dauerwellen, bunten Vorhängen, und schlaffen Textilien. Von weltgeschichtlicher Bedeutung ist „Das verrückte California-Hotel“ indes in einer ganz anderen Sache: Jane Fonda gilt heute als Fitnessikone, die Anfang der 1980er Jahre mit ihrem gefilmten Workout einen gigantischen Aerobicboom auslöste und das vermutlich meistverkaufte Heimvideo aller Zeiten produzierte – den Anstoß gab „Das verrückte California-Hotel“, für den Fonda sich bei einem Sportkurs anmeldete, weil sie in ein paar Szenen im Bikini vor die Kamera treten sollte.



Jeder der vier Parteien kommt ein anderer Grad an Ernsthaftigkeit zu – wobei die Gruppe um die Comedy-Profis Cosby und Pryor mit ihren zahlreichen Slapstick-Einlagen das untere Ende dieser Skala markiert. Der Part von Matthau und May – die als Leinwandpaar schon zu Beginn des Jahrzehnts in „A New Leaf“ (1971) formidabel funktionierten – ist von klassischen Screwball-Comedy-Elementen durchsetzt. In genialen Zynismen, mit denen sie ihre private Tragik überblenden, ergehen sich dagegen das britische (Smith und Caine) und das getrennte Paar (Fonda und Alda). Diana: „It’s bizarre. Eight years with the National Theatre, two Pinter plays, nine Shakespeare, three Shaw, and I finally get nominated for a nauseating comedy.“ Sidney: „That’s why they call it Hollywood.“ Oder: „The smog. I wonder if they sell it in bottles. It’d make a wonderful present for the folks at home.“


Nachdem die USA von „Watergate“ und Vietnam ordentlich durchgeschüttelt worden waren, verschmolz „Das verrückte California-Hotel“ die beiden so unterschiedlichen Pole der US-amerikanischen Unterhaltungskultur: Ließ sich kaum jemand finden, der wie Neil Simon den intellektuellen Humor der Ostküste repräsentierte, so gab es wohl nichts Kalifornischeres als das Beverly Hills Hotel“ mit seinem verspielt-exotischen Schriftzug und dem Glacis aus Mexikanischen Washingtonpalmen mit ihrer seltsamen Aura voll melancholischer Idylle – ein Ort, an dem sich unzählige Hollywoodanekdoten zutrugen und der zu den sagenumwobenen Locations der Westküstenfilmstadt L.A. zählt. Mehr New York, mehr Los Angeles ließen sich in einem Film vermutlich nicht unterbringen.


„Das verrückte California-Hotel“ ist zwar kein Film, über den man noch lange nach seinem Ende nachdenkt – darin stimmten auch die zeitgenössischen Kritiken überein –, aber doch immerhin eine kurzweilige Genre-Collage mit superbem Cast.
TextRobert Lorenz
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