Filmtipp

McQ (1974)

Kurzbeschreibung: In den Siebzigern waren die harten Kerle des Kinos keine Westernhelden mehr, sondern Kriminalkommissare. Wie die Eastwoods und Bronsons verschlug es auch den größten aller Westernhelden in die dreckigen Großstädte des späten 20. Jahrhunderts: John Wayne.

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Morgengrauen in Seattle. Ein Mann setzt sich seine Sonnenbrille auf, mit der er seine Blicke verdeckt. Dann fährt er los, durch die menschenleeren Straßen, in denen er lediglich zwei Polizisten antrifft – und die er mit hinterlistigen Schüssen aus seiner schallgedämpften Waffe tötet. Die Musikeffekte des Großmeisters Elmer Bernstein inszenieren die Metropole dabei, als würden hinter jeder Ecke tödliche Klapperschlangen lauern. Als der Mörder anschließend wie nach einer gewöhnlichen Nachtschicht in einem Café ein Glas Milch bestellt, erfahren wir von dem Ladenbesitzer die Idenität des Killers: Sergeant Stan Boyle (William Bryant) – kein Auftragsmörder, sondern ein gestandener Cop, Kollege seiner Opfer. Nur Augenblicke später wird Boyle in einer Hintergasse brutal in den Rücken geschossen, von einem Komplizen. Fast den gesamten Film über wird sein Partner, Lon McQ, versuchen, Boyles Tod aufzuklären und zu rächen. Bis er schließlich bemerkt, dass er die ganze Zeit für einen korrupten Kollegen losgezogen ist, der mit anderen korrupten Cops konfiszierte Drogen zu viel Geld machen wollte. John Wayne spielt diesen Lieutenant McQ – ein Mann so lakonisch wie sein Name. Acht Minuten dauert die Anfangssequenz. Und nach elf Minuten sind bereits vier Menschen erschossen.

John Wayne als McQ auf seiner Jacht mit einem Drink in der Hand.

Als in den frühen Siebzigern die Western-Protagonisten Clint Eastwood und Charles Bronson in ihren bekannten Rollenkonzepten der wortkargen Einzelkämpfer in die schmutzigen Großstädte der Nixon-Ära transplantiert wurden, wo sie das Verbrechen mit dessen eigener Härte und dessen eigenen Methoden bekämpften, kam man auf die Idee, auch den alten John Wayne – den ultimativen Western-Star – in den großurbanen Sündenpfuhl zu versetzen. Wayne war damals mit Mitte sechzig schon im Rentenalter und erinnert dabei immer ein bisschen an Roger Moore, der Anfang der 1980er Jahre mit fast sechzig und mühsam unterdrückter Altersphysiognomie noch den hyperagilen Geheimagenten James Bond spielte.

Ein Mann wird in einer schmutzigen Nebenstraße in den Rücken geschossen.

Aber Wayne passt in diesen Film – auch wenn ab und an McQ seine Waffe so unglaubwürdig schnell zückt wie einer von John Waynes Revolverhelden. Aber „McQ“ ist kein tumber Baller- und Prügelfilm, wie manche zeitgenössische Kritik nahelegte, sondern – gerade aus heutiger Sicht – ein aufschlussreiches Dokument seiner Zeit. Allein schon die Dialoge werfen ein düsteres Licht auf den Pessimismus und die enttäuschten Illusionen des „Watergate“-Amerika: Lois Boyle (Diana Muldaur), die Witwe des ermordeten Sergeants, verteidigt in einer institutionskritischen Tirade die Kriminalität ihres Mannes: „It’s the new national sport called grabbing. Everybody does it. The senator sells privilege, the judge takes bribes.“ Oder McQs sarkastischer Kommentar auf die Frauenbewegung und die sexuelle Befreiung, als er auf seinem Boot ein verstaubtes Whiskey-Glas abwischen will und Lois zu ihm sagt: „You should get yourself a woman. She’d at least straighten up for you.“ Und mit einem Lächeln erwidert McQ: „Not enough for them anymore. Women’s lib, you know.“ Später wird Lois dann versuchen, McQ zu verführen: „Like in the songs: Let’s help each other through the night.“ Junge polizeikritische Leute werden als „radicals“ pauschalisiert, McQs Vorgesetzter Captain Kosterman (Eddie Albert) bezeichnet sie als „garbage“. „The whole place smells like rotten cheese. We’re gonna have to fumigate“, sagt er schmatzend, über seinem Frühstück gebeugt, in der Kantine zu McQ. In der Tiefgarage des Polizeihauptquartiers werden die „radicals“ dann auch wie Vieh aus den Transportern getrieben.

McQ schlittert in seinem Pontiac Firebird Trans Am mit rauchenden Reifen durch eine Kurve.

Lois Boyle steht in ihrem Wohnzimmer, Frank sitzt auf der Couch.

Aber McQ weiß natürlich, dass die Anarchos von der Straße nichts mit der systematischen Mordserie zu tun haben. Er verdächtigt stattdessen den Kokain-Händler Santiago (Al Lettieri), einen einschlägig bekannten Business-Verbrecher, dem aber nichts nachgewiesen werden kann. Und weil ihm sein Captain nur Steine in den Weg legt, ihn nicht einmal mit dem Fall betrauen will, quittiert McQ einfach den Dienst, heuert im Büro des Privatdetektivs Pinky („Big Lebowski“-Darsteller David Huddleston) an und borgt sich von dem reichen Mann seiner Ex-Frau, einem Country-Club-Matador (Richard Eastham), 5.000 Dollar, mit denen er einen Drogendealer (Roger E. Mosley) besticht, um an heiße Informationen zu gelangen.

Nahaufnahme im dunklen Raum von Al Lettieri als Manny Santiago.

Dann sucht er Myra (Colleen Dewhurst), eine von Stans Informantinnen, auf. Er will sie mit Drogen ködern, die er zuvor einem Junkie aus dem Mund gewürgt hat, für Informationen zum großen Drogendiebstahl, von dem er gehört hat; aber sie, die verblasste Schönheit, Anfang fünfzig, antwortet: „Sure. I’ll tell you. Be glad to … in the morning.“ John Waynes daraufhin eingeblendetes Gesicht verrät eine Mischung aus Erstaunen und Entsetzen. Aber McQ verbringt die Nacht mit ihr, verkauft sich für einen Hinweis, der ihn auf die entscheidende Spur bringen soll.

McQ im Keller eines Waffenladens, während jemand für ihn eine Maschinenpistole vorbereitet.

McQ“ ist ein Film, der punktuelle Härte zelebriert: Wir sehen eine wilde Fahrt in McQs muscle car, in dem er mit der brachialen Motorkraft aus Detroit auf den Schnellstraßen von Seattle einen Lieferwagen verfolgt und dabei wilde Abkürzungen nimmt, mit denen er gegen sämtliche Verkehrsregeln verstößt; der brutale Shotgun-Tod seines Partners zu Beginn des Films; oder eine Szene, in der McQ in seinem Wagen in einer engen Gasse eingeschlossen ist und zwei Trucks versuchen, ihn von beiden Seiten zu zerquetschen.

Zwei Fahrzeuge in der Anordnung eines Shootouts am Küstenstrand.

Die deutsche Titelversion „McQ schlägt zu“ kommt dagegen in einer dumpfen Gewalt-Poesie daher und hebt die harten Szenen des Films hervor, in denen McQ unter Verletzung sämtlicher Dienstvorschriften einen aggressiven Festgenommenen auf dem Gang des Reviers in den Knöchel tritt oder den Drogen-Gangster Santiago auf der Toilette einer Bar in den Würgegriff nimmt, verprügelt und in der Pinkelrinne des Herrenklos zurücklässt – und jedes Mal dafür eine dreiste Ausrede für den Gerichtssaal parat hat („He bumped into a chair“, oder: „Sure, we talked. He slipped on a wet floor and fell.“). Und als er seine Waffe abgeben muss, weil seine Privatermittler-Lizenz noch nicht ausgestellt worden ist, zeigt die nächste Szene McQ in einem Waffengeschäft, beim Ausfüllen eines Formulars für den Kauf einer neuen Handfeuerwaffe. Als er obendrein eine Maschinenpistole einpackt, die ihm der Waffenhändler seines Vertrauens stolz zum Ausprobieren gezeigt hat, warnt der Mann: „Lon, it’s not licensed.“ Und McQ antwortet in trockener John-Wayne-Manier: „Jack, neither am I.

Colleen Dewhurst als Myra in ihrer Wohnung.

McQ mit Kollegen im Büro auf dem Polizeirevier.

Unglaublich hart ist die Szene, in der McQ ein weiteres Sex-Angebot von Myra ausschlägt und in seiner Ermittlungseile wegfährt, während sie ihr Haus betritt. Kurz darauf klingelt es und Myra überprüft noch schnell im Spiegel ihr Aussehen, bevor sie die Haustür öffnet. Aber anstelle des von ihr erwarteten McQ, doch noch zurückgekehrt für eine gemeinsame Liebesnacht, steht an ihrer Türschwelle ein Vermummter mit vorgehaltener Pistole. Er wartet mit den tödlichen Schüssen gerade noch so lange, dass Myra vollständig realisieren kann, dass ihr Leben in wenigen Sekunden zu Ende sein wird, ihr Tod sinnlos und überflüssig ist, und all der Schrecken sie einmal ganz durchfahren kann, bevor sie dann unter Schmerzen zusammenbricht und stirbt. „Oh no!“, ruft sie noch in ihrer schieren Verzweiflung aus.

Ein von Einschusslöchern gezeichneter Pkw in voller Fahrt, aus dessen geöffneten Scheiben Schusswaffen herausragen.

McQ im Gespräch mit einem exzentrisch gekleideten Informanten.

Und wie in einem Western kommt es am Ende zu einem finalen Shootout – noch dazu abseits einer Straße, weit außerhalb der Stadtgrenzen, an der Pazifikküste in Olympic Pensula. Nachdem McQ wie ein Revolverheld einen seiner korrupten Ex-Kollegen (und zuvor die beiden Reifen dessen Fahrzeugs) mit Kugeln gefüllt hat, schießen drei Wagen über den Strand, durch das seichte Wasser. Ganz vorne McQ, verfolgt von Santiago und seinen Schergen. Sie verwandeln die malerische Szenerie in eine Rennstrecke direkt in die Hölle. Nachdem die Insassen eines der beiden Verfolgerautos eine Salve auf McQs Wagen abgefeuert haben, packt der langsam seine illegal aus dem Waffenladen mitgenommene Ingram aus, legt sie sich über seinen Arm und zersiebt mit der Maschinenpistole die parallel fahrende Limousine, die sich daraufhin grauenvoll überschlägt und in der die Insassen regungslos zurückbleiben. Im anderen Wagen sitzt Santiago; er will mit McQ verhandeln, bietet ihm eine astronomische Summe – am Ende, als er versucht, auf McQ zu schießen, pustet der ihn regelrecht weg. Ein „McQ“-Filmplakat zeigt diese Szene wie in einem Comicstrip in drei Bildern, in denen Santiago umgerissen wird und im nassen Sandschlamm der Pazifikküste tödlich getroffen liegenbleibt. Ein klassischer Western-Showdown, inszeniert von den beiden Western-Machern John Sturges und John Wayne, ausgetragen mit Erzeugnissen der amerikanischen Fahrzeug- und Waffenindustrie der Siebziger.

Text verfasst von: Robert Lorenz