Morituri (1965)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Sehenswert: Packende Bordatmosphäre, Brando als Spion und imposante Kamera

Kurzbesprechung:

Die Kamera fliegt am Schiff vorbei, während die Besatzung ihren Dienst verrichtet, huscht über das Deck oder blickt heimlich durch die schweren Apparaturen im engen Maschinenraum – all das erinnert unweigerlich an Das Boot“ (1981) und hat eine kinematografische Frische und Dynamik, wie man sie im Sechzigerjahre-Film nicht oft sieht. Verantwortlich dafür war ein gewisser Conrad L. Hall, bald schon einer der besten und erfolgreichsten Kameraleute der Welt; für „Morituri“ erhielt er damals die erste seiner insgesamt zehn Oscarnominierungen. „Morituri“ ist ein Seekriegsthriller: Die deutsche Kriegsmarine will 1942 eine riesige Menge Gummi vom verbündeten Tokio aus in das besetzte Bordeaux verschiffen, die Alliierten wollen die für beide Seiten kriegswichtige Ladung abfangen.

Trevor Howard perfektioniert zu Beginn des Films die höfliche Skrupellosigkeit, die britische Leinwandoffiziere oft an den Tag legen und mit der sein Colonel Statter den in Kalkutta untergetauchten deutschen Deserteur Robert Crain erpresst. Marlon Brando legt für diese Rolle einen deutschen Englischakzent auf und die Story zwingt ihn obendrein zu einer Doppelperformance: Der NS-kritische Sprengstoffexperte gibt sich in geheimer Mission für die Briten als SS-Offizier aus – charakterlich ein Mensch, den Crain verachtet und der nun all diejenigen bedrohen muss, denen eigentlich Crains Sympathie gilt, und das Vertrauen derjenigen zu gewinnen hat, die er in Wirklichkeit verabscheut. An Bord des deutschen Blockadebrechers soll er die Sprengladungen entschärfen und damit die Möglichkeit zu einer Selbstversenkung sabotieren.

Morituri“ ist exzellent besetzt: Yul Brynner ist der deutsche Kapitän, der die Nazis zwar verachtet, doch dessen Offiziersethos genau die Essenz enthält, die das verbrecherische Regime mit ermöglichte; Martin Benrath spielt den ersten Offizier, das folgsame Parteimitglied, dessen Vertrauen sich Crain erschleicht; Janet Margolin kommt als jüdischer Flüchtling an Bord und hat die härtesten Szenen im Film; Oscar Beregi Jr. spielt den jovialen Admiral; Wally Cox ist der morphiumsüchtige Schiffsarzt und Hans Christian Blech der proletarische Widerständler. „Morituri“ entfaltet eine maritime Klaustrophobie – ein kinematografisches Paradoxon aus der Weite des Ozeans und der Enge des Schiffes – und wird zu Unrecht selten als eines der besseren Brando-Werke genannt.