The Hunting Party (1971)
Filmtipp
Atmosphäre
:Kurzbesprechung:
Zuckende Körper, grauenvolle Schusswunden und kein Entrinnen: „The Hunting Party“ zeigt die Bilder, die uns 99 Prozent aller anderen Western vorenthalten. Oliver Reed, damals auf dem Höhepunkt seiner Schauspielkunst (im selben Jahr lief Ken Russells „The Devils“ mit Reed in der Hauptrolle), ist der Outlaw Frank Calder, Anführer eines Haufens Gesetzloser, gewaltbereiter Individualisten, die sich zusammengerauft haben, um gemeinsam möglichst viel Geld zu machen. Weil Calder das Lesen lernen will, kidnappt er eine Frau, die er für eine Lehrerin hält – tatsächlich ist sie die Ehefrau des Frontier–Tycoons Brandt Ruger, eines stinkreichen Unternehmers, der gerade mit seinen Kumpels zum Jagdausflug aufgebrochen ist, Sexorgie mit Prostituierten inklusive. Ruger ist ein psychopathischer Sadist, wie ihn nur Gene Hackman spielen kann; in jedem anderen Film wäre er der Held, durch das Kidnapping seiner Frau zur Gewaltanwendung gegen die Entführer, eine Bande gunslinger zumal, fraglos berechtigt – nicht so in „The Hunting Party“.
Ruger will die Gangster, professionelle gunmen, die ihm im klassischen Shootout haushoch überlegen wären, in feiger Rationalität aus der Distanz dezimieren – mit Gewehrungetümen, die er ursprünglich für den Spaßausflug beschafft hat und die mit Zielfernrohr über 800 Yards feuern können. Ruger und seine Leute richten unter den Outlaws ein Massaker an, exekutieren sie aus dem Hinterhalt beim Feldlager, an Wasserlöchern, im Dorf. Der Reiche-Leute-Trip mutiert zur perfiden Menschenjagd, die irgendwann sogar ihr Ziel, die Befreiung der entführten Ehefrau, verliert. Die Ruger-Posse ist so brutal, dass sogar ihre eigenen Mitglieder, Geschäftsleute aus dem Selfmade-Geldadel des Frontier-Westens, die eben noch grinsend die Banditen unter Beschuss genommen haben, irgendwann aussteigen wollen, während Ruger sie wie Rotwild abknallen will.
Die zwischenmenschliche Gewalt ist schonungslos in Peckinpah’scher Slow Motion inszeniert, sodass die (zahlreichen) Tode nicht inflationär über die Leinwand huschen, sondern jedesmal einen tiefen Eindruck hinterlassen. Gefilmt in der Spaghetti-Western-Wiege Andalusien, hat „The Hunting Party“ ohnehin eine latent dreckige Aura. Und er ist reich bestückt: mit den bedrohlichen Wild-West-Visagen eines L.Q. Jones oder Rayford Barnes; mit berührenden Szenen wie der Freundschaft zwischen Calder und seinem Kompagnon Doc, den Mitchell Ryan so exzellent spielt, und witzigen wie der Pfirsich-Speisung; der bizarren Wüsten-Odyssee oder dem mexikanischen Dorf. Die Grenzen zwischen Gut und Böse lösen sich auf, die erstaunlich realistische Brutalität des Tötens und die Handlung mit dem nihilistischen Showdown – alles irgendwo zwischen „The Wild Bunch“ (1969) und „Ulzana’s Raid“ (1972) – machen „The Hunting Party“ zu einem kompromisslosen Film, der in seiner Dramaturgie, dem Western-Gott sei Dank, sämtlichen Hollywood-Versuchungen bis zum Schluss widersteht.