Akenfield (1974)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Kurzbesprechung:

Akenfield“ ist ein ganz und gar außergewöhnliches Projekt. Für die radikale Low-budget-Independent-Produktion wurden fast ausschließlich Dorfbewohner von Suffolk gecastet. Peter Hall, selbst in Suffolk geboren, wollte unbedingt den Bestseller-Roman von Ronald Blythe, einem einheimischen Schriftsteller, verfilmen, hatte aber kein Geld und organisierte lediglich das Budget für eine Minimalbesetzung der Filmcrew. Die Laienschauspieler improvisierten ihre Szenen – was für die professionelle Filmproduktion ein Horror ist, erweist sich hier als das Herzstück von „Akenfield“: eine ganz und gar authentische Darstellung, deren Atmosphäre direkt aus dem Leben dieser Menschen kommt. Da sind die jungen und alten Landarbeiter auf der traditionsreichen Farm, die Hausfrau in ihrem Reihenhaussegment, dessen Interieur sich seltsam zwischen 18. und 20. Jahrhundert bewegt; oder das Cottage des verstorbenen Großvaters, der jahrezehntelang als Pferdebursche auf dem Hof des örtlichen Grundbesitzers gedient hat. Gezeigt wird die Volksschule mit ihrer Rohrstockpädagogik, die Arbeit beim Grundbesitzer im sozialen Klima vormoderner Gutsherrenmentalität oder die Heimkehr von der Ernte im Dunkel der hereinbrechenden Nacht.

Der Mann, den wir einen Tag lang begleiten, ist der Enkel des Mannes, der zu uns aus dem Off spricht – posthum, denn heute ist die Trauerfeier. „Akenfield“ blickt in einen Winkel der englischen Gesellschaft, den Filme selten beleuchtet haben: das kleine Dorf – so winzig, dass jeder, der es einmal verlassen hat, schon als Exot und Abenteurer gilt. Zumindest in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts, in denen der Großvater aufwuchs, in den Ersten Weltkrieg zog und später versuchte, im Nachbarort einen Job zu finden – vergebens. „Akenfield“ ist eine im Unterton melancholische Erkundung des ruralen England und gibt ein Gefühl für die Erosion dörflicher Milieus durch den Mobilitätszuwachs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Jugend plötzlich in der Lage ist, durch Autos und Züge den engen Grenzen ihres Geburtsortes zu entkommen.