Frau ohne Gewissen (1944)

Filmtipp

Atmosphäre des Films:

Sehenswert: Ultimativer Noir-Klassiker, der besonders mit seiner Schwarz-Weiß-Fotografie fasziniert

Kurzbesprechung:

Frau ohne Gewissen“ war in den Tagen des Production Code so anrüchig, dass Billy Wilders üblicher Ko-Autor Charles Brackett sich nicht damit in Verbindung gebracht wissen wollte; dass Barbara Stanwyck anfangs Angst hatte, die ihr angetragene Rolle anzunehmen; und dass vor dem ebenfalls zögerlichen Fred MacMurray – der die Figur dann so formidabel spielte – eine ganze Reihe von Stars abgelehnt hatten. Der Hautgout entstand aus dem Clou, dass die Kriminellen hier gewöhnliche Leute sind – und keine notorischen Gangster –; Habsucht und Begierde lassen sie zu Mördern werden und treiben sie in den Untergang. Als Brackett-Ersatz engagierte Wilder den Krimi-Autor Raymond Chandler; und weil die beiden sich mit ihren jeweiligen Marotten nicht ausstehen konnten, aber das ganze Drehbuch gemeinsam schrieben, gehören die Arbeiten am Skript zu „Frau ohne Gewissen“ vermutlich zu den strapaziösesten der Filmgeschichte, das Resultat dafür allerdings wiederum zu den besten Drehbüchern, die jemals verfasst wurden – messerscharfe Dialoge, perfektes Tempo und eine Story, der man anmerkt, wie viele Gedankenarbeit darin steckt.

James M. Cain, der Autor der Literaturvorlage, soll Wilder mit Tränen in den Augen umarmt haben, wo doch die meisten Literaten über die Kinoumsetzung ihrer Werke, zumal seitens Hollywood, eher enttäuscht sind. Stanwyck sieht ein bisschen so aus wie die Kostümbildnerin Edith Head, die auch für diesen Film tätig war, und porträtiert eine der düstersten Femmes fatales des Noir-Kosmos. In einer Nebenrolle glänzt Edward G. Robinson, es gibt zwei, drei großartige Suspense-Momente und die stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Fotografie, mit den Schatten der Jalousielamellen, die immer wieder wie als Vorboten einer Gefängniszelle in die Räume hineinragen, aber auch das damals keineswegs selbstverständliche Location shooting in der spanischen Villa in den Hollywood Hills oder einem Supermarkt ergänzen sich zu einem famosen Gesamtwerk, Hollywood-Entertainment par excellence.

Wilder hatte ursprünglich einen anderen Schluss gedreht, für den er eigens eine Gaskammer nachbauen ließ. Dann aber ließ er den Film in der Sequenz zuvor enden – vermutlich eine gute Entscheidung, denn „Frau ohne Gewissen“ wartet mit einem Finale auf, das den Film exzellent abrundet und inzwischen zu den besten in der gesamten Hollywoodgeschichte gezählt wird.